Rheinische Post Erkelenz

Tierischer Frühjahrsp­utz

Katzen nehmen es mit der Sauberkeit so ernst, dass sie einen großen Teil des Tages mit der Fellpflege verbringen. Auch Vögel, Bienen und Fische machen sich und ihre Umgebung gern frisch. Seegurken gelten sogar als Müllabfuhr der Meere.

- VON CHRISTIAN SATORIUS

Gerade erst im Januar dieses Jahres ging eine kleine putzige Maus viral, die im walisische­n Builth Wells jede Nacht die Werkbank des 75-jährigen Rodney Holbrook aufräumte. Eine aufgestell­te Wildtierka­mera filmte sie dabei, wie sie über mehrere Wochen hinweg immer wieder herumliege­nde Sachen in eine kleine Holzkiste einräumte, von der Wäscheklam­mer über Korken bis hin zu Schrauben.

Das ordnungsli­ebende Mäuschen ist keinesfall­s das einzige Tier, das öfter mal so richtig durchputzt. Eine ganze Reihe von Arten ist überaus reinlich und hält ihren Lebensraum, aber auch sich selber penibel sauber. Das machen die Tiere natürlich nicht nur so zum Spaß, sondern unter anderem, um Krankheits­erreger in Schach zu halten. Lediglich mit einem gereinigte­n Gefieder, dessen Federn nicht verklebt sind, lässt sich effektiv fliegen; und nur die Haare eines sauberen Fells können richtig aufgestell­t werden, damit das eingeschlo­ssene Luftpolste­r isoliert.

Jeder, der eine Katze zu Hause hat, weiß, dass die Tiere ihre Katzenwäsc­he durchaus ernst nehmen und einen großen Teil des Tages mit der Fellpflege verbringen. Was für uns Menschen so putzig aussieht, ist in Wahrheit eine ganze Menge Arbeit. Guillermo Amador und David Hu vom Georgia Institute of Technology in Atlanta, USA, haben einmal durchgerec­hnet, welche Fläche dabei zusammenko­mmt, die abgeleckt werden will.

Das Besondere an der Studie: Die beiden Forschende­n haben die Oberfläche jedes einzelnen Haares des Fells mit einberechn­et. Demnach muss eine normale Hauskatze immerhin eine Fläche von ganzen drei Quadratmet­ern ablecken, was in etwa drei Europalett­en entspricht.

Selbst eine Honigbiene kommt den Forschende­n aus Atlanta nach auf eine zu reinigende Oberfläche von erstaunlic­hen 70 Quadratzen­timetern, was so groß wie eine Scheibe Toast ist. Dass bei einem derartig kleinen Tier wie einer Honigbiene eine so stattliche Fläche zusammenko­mmt, liegt ganz einfach daran, dass die Biene erstaunlic­he drei Millionen Haare hat, die alle gepflegt werden wollen, genauso viele übrigens wie ein Grauhörnch­en.

Die meisten Haare, die sauber gehalten werden wollen, haben die Wissenscha­ftler überrasche­nderweise nicht etwa an einem Otter entdeckt, der dafür bekannt ist, dass er ein sehr dichtes Fell hat. Vielmehr war es ein Nachtschme­tterling der Art Actias luna, der atemberaub­ende zehn Milliarden Haare aufwies, den Forschende­n zufolge etwa zehnmal so viele wie der Otter. Zum Vergleich: Ein Mensch hat im Durchschni­tt gerade einmal rund 100.000 Stück davon auf dem Kopf. Doch Tiere reinigen natürlich nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Lebensraum.

Vögel putzen ihr Nest penibel, um zu verhindern, dass sich Krankheits­erreger ausbreiten können und womöglich den Küken schaden. Ein Team von Forschende­n um Juan Diego Ibánez-Álamo von der Universitä­t Groningen in den Niederland­en hat sich das einmal ein bisschen genauer angeschaut. Insgesamt sammelten die Wissenscha­ftler Informatio­nen über 417 Vogelarten, die ihr Nest aufräumten. Bei 95 Prozent der untersucht­en Spezies brachten die Tiere sozusagen den Müll raus und trugen die Hinterlass­enschaften ihrer Küken aus dem Nest, um sie zu entsorgen. Dabei wechselten sich in mehr als 90 Prozent der Fälle die Partner ab. Bei einigen Arten mussten die Küken auch selber ran und dafür sorgen, dass ihr Nest schön sauber blieb.

Seltsamerw­eise sind aber nicht alle Vögel echte Sauberkeit­sfanatiker. In der Bruthöhle der Europäisch­en Bienenfres­ser sieht es in der Regel aus wie bei Hempels unterm Sofa. Wenn Sauberkeit aber so wichtig für die Gesundheit der Nachkommen ist, warum putzen die Europäisch­en Bienenfres­ser dann nicht mal ordentlich durch? Das wollte ein Wissenscha­ftlerteam um Herbert Hoi vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleiche­nde Verhaltens­forschung der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien wissen und schaute sich in den Bruthöhlen der Vögel mal ein bisschen um.

Europäisch­e Bienenfres­ser legen nämlich keine Nester im herkömmlic­hen Sinne an, sondern graben kleine Tunnel in Abhänge und Steilwände, an deren Ende sich die Brutkammer befindet, in der sie ihre Jungtiere aufziehen. Die Forschende­n haben in diesen Nistplätze­n nun mehr als 100 andere Tierarten entdeckt, die dort als Untermiete­r eingezogen waren. Vor allem die Larven der Fliege Fannia spp. machten sich den Beobachtun­gen der Wissenscha­ftler nach bei der Abfallbese­itigung besonders nützlich und räumten die Hinterlass­enschaften der Küken, Essensrest­e und anderen Unrat weg. Mit anderen Worten: Die Europäisch­en Bienenfres­ser haben es gar nicht nötig, ihren Nistplatz selber aufzuräume­n, denn sie haben dafür eine eigene Putzkolonn­e, die sich um die Sauberkeit kümmert.

Manchmal hilft aber auch alles nichts und die Müllberge wachsen den Tieren regelrecht über den Kopf. Bienen können davon ein Lied summen. Sie haben aber eine Möglichkei­t gefunden, sich mit größeren Fremdkörpe­rn zu arrangiere­n, die sich nicht mehr aus dem Bienenstoc­k entfernen lassen. Ihr Superputzm­ittel nennt sich Propolis, das eine antibiotis­che, antivirale und antimykoti­sche Wirkung hat. Propolis besteht vor allem aus Harz, Wachs, ätherische­n Ölen, Pollen und Speichelbe­standteile­n der Bienen. Damit lässt sich so ziemlich alles desinfizie­ren und unschädlic­h machen, was einen Bienenstoc­k verunreini­gen kann.

Die Honigbiene­n kleiden nicht nur die Wabenzelle­n für ihre Brut mit Propolis aus, sondern überziehen auch eingeschle­ppte Pilze, Bakterien und dergleiche­n mit dem Desinfekti­onsmittel, mit dem sich praktische­rweise auch kleinere Bauarbeite­n bewerkstel­ligen lassen, wie etwa das Abdichten von Spalten und Ritzen.

Ein Reich, das den meisten von uns in der Regel verborgen bleibt, ist die Unterwasse­rwelt. Aber auch hier räumt eine ganze Reihe von Tieren ordentlich auf. Viele Unterwasse­rbewohner fressen Aas und verrottend­e Pflanzente­ile. Fische, Wasserschn­ecken und Garnelen putzen Algen von den Pflanzen,

Korallen sowie Steinen und befreien sie von diesen Plagegeist­ern.

Seegurken werden nicht umsonst als Müllabfuhr der Meere bezeichnet, denn sie nehmen unablässig Sedimente vom Boden auf und lösen die organische­n Substanzen heraus, von denen sie sich ernähren. Die unverdauli­chen mineralisc­hen Bestandtei­le werden danach wieder ausgeschie­den. So kauen sie praktisch den gesamten Meeresbode­n nach und nach durch, könnte man sagen, und reinigen ihn dabei.

Genauso macht es auch der Wattwurm, der auf diese Art und Weise die kleinen geringelte­n Sandhäufch­en hinterläss­t, die sich bei Ebbe im Watt finden lassen. Ein einziger Wattwurm kann immerhin mehrere Kilogramm Sand pro Jahr reinigen und ihn von organische­n Stoffen befreien. Ja, sogar das Wasser selbst wird gereinigt, indem es von Muscheln filtriert wird, die es unablässig nach Nahrung absuchen. Eine einzige Miesmusche­l kann je nach Größe erstaunlic­he ein bis zwei Liter Wasser in der Stunde durchfilte­rn.

Neben diesen und vielen anderen Tieren putzen aber auch die unzähligen Klein- und Kleinstleb­ewesen ordentlich was weg. Ohne Springschw­änze, Hornmilben, Bakterien, Pilze und Co. würden wir alle in einer Welt voller Abfälle ersticken. So gesehen, lohnt sich der Frühjahrsp­utz doch, oder?

Manchmal hilft aber auch alles nichts und die Müllberge wachsen den Tieren regelrecht über den Kopf

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MICHAEL WEBER/IMAGO Katzen verbringen viel Zeit mit der Fellpflege.
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FOTO: DPA Ein Star putzt sein Nest. Viele Vögel sind sehr penibel aus Angst vor Krankheits­erregern.
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FOTO: DPA Seegurken werden als Müllabfuhr der Meere bezeichnet. Sie nehmen Sedimente vom Boden auf.

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