Papst ermutigt Ukraine zu Verhandlungen
Scharfe Kritik an den Äußerungen des Kirchenoberhaupts kommt nicht nur aus Deutschland.
(dpa) Papst Franziskus hat mit Blick auf den Ukraine-Krieg zu Verhandlungen aufgerufen. „Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche in einem am Wochenende vorab veröffentlichen Interview des Schweizer Fernsehens. Ohne eine der beiden Konfliktparteien Russland oder Ukraine direkt beim Namen zu nennen, fügte er hinzu: „Schämen Sie sich nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird.“Der Pontifex verwies auf Vermittlungsangebote verschiedener Seiten, beispielsweise der Türkei. Auch der Vatikan selbst versucht, zwischen Moskau und Kiew zu vermitteln – bislang ohne Erfolg.
Papst-Sprecher Matteo Bruni widersprach Darstellungen, der Papst habe die Ukraine in dem Interview zur Kapitulation aufgefordert. Das Gespräch wurde nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Senders RSI bereits Anfang Februar geführt. Darin wird Franziskus auch nach Forderungen aus der Ukraine nach „Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne“gefragt, was andere als Legitimation der stärkeren Seite sähen. Darauf antwortet der Papst allgemein: „Das ist eine Frage der Sichtweise. Aber ich denke, dass derjenige stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut der weißen Fahne hat, zu verhandeln.“In der Ukraine wurde der Begriff der „weißen Fahne“als Aufforderung zur Kapitulation verstanden und löste erboste Reaktionen aus. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb bei X: „Unsere Flagge ist blau und gelb. Wir leben, sterben und gewinnen unter ihr. Wir werden keine anderen Flaggen hissen.“Kuleba forderte den Vatikan auf, „keine historischen Fehler zu wiederholen“. Er warf dem Vatikan vor, im Zweiten Weltkrieg nicht genug getan zu haben, um den Nazis Widerstand zu leisten.
Kritik kam auch aus Deutschland und Polen. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann widersprach dem Appell in scharfer Form: „Bevor die ukrainischen Opfer die weiße Flagge hissen, sollte der Papst laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter auffordern, ihre Piraten-Fahne – das
Symbol für den Tod und den Satan – einzuholen“, sagte die Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses am Sonntag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Und warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die verbale mörderische Hetze von Kyrill I., Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche und Ex-KGB-Agent, dem ukrainischen Volk gegenüber“, fragte Strack-Zimmermann. Polens Außenminister Radoslaw Sikorski kritisierte den Aufruf ebenfalls. „Wie wäre es, wenn man zum Ausgleich Putin ermutigt, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen? Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären“, schrieb Sikorski am Sonntag auf X.