„Wir haben kein schlechtes Müll-System“
Der neue Chef des Mönchengladbacher Entsorgers GEM, Jens Hostenbach, spricht über die zuletzt steigenden Müll-Gebühren, Rolltonnen, Mindestvolumen, KI-Einsatz bei der Abfuhr und Aludeckel auf Joghurt-Bechern.
Sie sind seit dem 1. Januar neuer Chef der GEM und damit Herr über den Abfall in Mönchengladbach. Sitzen Sie in einem gut gemachten Nest?
HOSTENBACH Wir haben in den vergangenen Jahren viel umstrukturiert, gerade was die Einführung der Rolltonne, des Mindestvolumens beim Restmüll, Gelbe Tonne und mehr angeht. Das waren aber auch notwendige Schritte. Aber es gibt noch viele zu tun.
Welche denn?
HOSTENBACH Wir werden viel im Rahmen der Digitalisierung tun, zum Beispiel in der Umweltbildung. Wir müssen die Kinder ja für das Thema begeistern, da hilft ein Blatt Papier zum Ausmalen nicht so sehr. Intern prüfen wir verstärkt den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI).
Wie setzen Sie denn KI ein?
HOSTENBACH Das steckt noch in den Kinderschuhen. Im Augenblick testen wir den Einsatz von Chat GPT und Chatboot auf unserer Internetseite. Wir haben es noch nicht im Einsatz, aber es wäre interessant, um etwa Bürgern Fragen online oder am Telefon zu beantworten. Ich möchte nicht ausschließen, dass wir das auch einmal nutzen. Das heißt aber nicht, dass wir zum Beispiel Servicekräfte am Telefon direkt abschaffen. Wir haben ja auch eine Verantwortung den Mitarbeitenden gegenüber als öffentliches Unternehmen. Aber wir werden aufgrund des Fachkräftemangels einen gesunden Mix finden müssen, wo der Technik-Einsatz Sinn ergibt und wo wir Menschen einsetzen.
Wie kann Digitalisierung oder KI bei der Müllabfuhr helfen?
HOSTENBACH Es gibt intelligente Abfuhrsysteme wie ein Wiegesystem, aber die haben alle ihre Tücken. Wir haben uns ganz bewusst für das jetzige System entschieden. Ich kann mir vorstellen, dass KI künftig bei der Tourenplanung hilft oder bei der Auffindung von wildem Müll.
Also meldet die Mülltonne auch zukünftig nicht, wenn ich etwas Falsches reinschmeiße? HOSTENBACH
Nein, da werden wir kurzfristig nicht hinkommen.
Warum halten Sie nichts vom Wiegesystem?
HOSTENBACH Das hört sich erst einmal schön an: Man bezahlt nur für bestimmte Abfuhrrhythmen, damit sind die Grundkosten gedeckt. Dann fangen die Probleme an: Wir haben viel dafür getan, dass wir weniger wilden Müll haben. Ein Wiegesystem aber würde dafür sorgen, dass alle versuchen, möglichst wenig Müll in der Tonne zu haben. Wo landet der Müll dann? Ein Wiegesystem muss aber auch permanent geeicht werden, damit alles rechtssicher nachgewiesen werden kann. Das System an sich spart keine Logistikkosten und wird voraussichtlich für mehr wilden Müll sorgen.
Bürger könnten einwenden, dass sie dadurch Gebühren sparen.
HOSTENBACH Das mag vielleicht für den einzelnen Bürger zutreffen. Aber die Müllmenge insgesamt wäre ja nicht anders. Wir würden den Müll nur woanders einsammeln müssen. Die Entsorgung wird dann nicht günstiger. Für einzelne Bürger kann ich verstehen, dass sie vielleicht etwas sparen können. Aber es ist nun einmal ein solidarisches System: Wir finanzieren alle zusammen das Abfuhrsystem in der Stadt. Viersen schafft sein System im Übrigen wieder ab.
Das Mindestvolumen liegt bei 15 Litern pro Person und Woche bei Nutzung einer Biotonne. Muss man das verändern?
HOSTENBACH Nein. Das ist ein guter Wert. Wir haben ein Restmüllvolumen,
das auf den einzelnen Bürger heruntergerechnet sogar darüber liegt. Man darf sich aber nie nur alleine betrachten in einem solidarischen System. Was würde passieren, wenn wir das Mindestvolumen zum Beispiel halbieren würden auf 7,5 Liter? Die Kosten insgesamt bleiben konstant, bei einem 14-täglichen Abfuhrrhythmus, da sich an der Gesamtmüllmenge nichts ändert. Dann kostet der Liter Restmüll halt nicht mehr zum Beispiel einen Euro, sondern zwei Euro. Der große Fehler ist zu glauben, dass ein halbes Mindestvolumen auch automatisch die halbe Gebühr bedeutet.
Aber wie wollen Sie denn Anreize zur Müllvermeidung schaffen, wenn in der Tonne ja noch so viel Platz ist?
HOSTENBACH Jeder Müll, der nicht entsteht, hilft uns sehr, um mit Umweltund Klimaproblemen fertig zu werden. Wenn alle sauber trennen und wir weniger Restmüll haben, dann haben wir auch weniger Kosten, weil wir weniger entsorgen müssten. Dadurch sinkt die Gebühr für alle. Am Ende tragen wir alle die Kosten zusammen. Wenn einer weniger zahlt, muss ein anderer mehr bezahlen. Wir müssen sicherstellen, dass das System für alle funktioniert und vernünftig und finanzierbar ist. Und da haben wir kein schlechtes System.
Warum wird es denn jedes Jahr teurer seit Einführung der Rolltonne?
HOSTENBACH Vieles ist in den vergangenen Jahren teurer geworden. Wir sind sehr personalintensiv. Wir haben Tarifsteigerungen, höhere Dieselkosten für unsere Flotte. Das sind Kostenfaktoren, die wir leider umlegen müssen.
Aber mit der Rolltonne sollte es doch günstiger werden.
HOSTENBACH Das ist es ja auch. Aber alle Preisentwicklungen sind nicht vorhersehbar. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz und damit die CO2-Bepreisung seit diesem Jahr im Sinne des Klimaschutzes schlagen voll auf die Müllgebühr durch. Zum Beispiel wird jede Tonne verbrannter Müll dadurch um circa 19 Euro teurer. Wenn wir jetzt noch die kleinen Tonnen hätten, wäre die Gebühr noch viel höher. Auch die 15 Euro an der Umladestelle sind bei weitem nicht kostendeckend, dafür
wäre das Drei- bis Vierfache nötig. Laut Bund der Steuerzahler sind wir mit der Höhe der Abfallgebühr übrigens im Mittelfeld bei den NRWKommunen.
Was halten Sie von Windelsäcken?
HOSTENBACH Das dürfen wir gebührentechnisch nicht, weil man nie nur eine bestimmte Gruppe bevorteilen darf. Die Städte, die das machen, finanzieren das über den städtischen Haushalt.
Wie könnten die Gladbacher denn weiter Müll vermeiden? Was wäre Ihre Empfehlung?
HOSTENBACH Die Abfallverbände versuchen darauf hinzuwirken, dass deutlich weniger Verpackungsabfall anfällt, der nicht recyclingfähig ist. Alles, was in Verkehr gebracht wird, müsste im besten Fall recyclingfähig sein. Denn alles, was als Restmüll verbrannt werden muss, ist als Ressource weg. Deshalb finde ich die CO2-Bepreisung für die Müllverbrennung auch nicht ganz richtig. Man müsste eigentlich den Hersteller besteuern, wenn er Produkte produziert, die nicht recycelt werden können. Die Verpackung zum Beispiel für frischen Käse, die aus mehreren Folien besteht, ist recyclingtechnisch eine Katastrophe. Wichtig ist auch das korrekte Trennen im Haushalt, zum Beispiel der Aludeckel auf einem Joghurt-Becher – den sollte der Verbraucher immer ganz abziehen, bevor beides in die Gelbe Tonne kommt. Jeder kann beim Kauf von Produkten darauf achten, wie viel Müll entsteht.
Muss man Bußgelder drastisch erhöhen wie in Singapur?
HOSTENBACH Die Bußgelder müssen hoch sein, damit es wehtut.
In den Kellern und Hausfluren stehen jetzt aber für jede Müllsorte eigene Tonnen. Warum gibt’s da nicht die Wahlmöglichkeit zwischen Gelber Sack und Gelber Tonne wie in Viersen?
HOSTENBACH Weil jahrelang Gelbe Säcke gerissen sind und der Verpackungsmüll durch die Straßen geflogen ist. Da sind die Gelben Tonnen wesentlich besser. Die Stadt ist heute an Abfuhrtagen wesentlich sauberer.
Die Altpapiercontainer sind seit einem Jahr weg. Wie entwickeln sich die gesammelten Mengen?
HOSTENBACH Die Papiermengen sinken kontinuierlich seit Jahren unter anderem wegen der Digitalisierung. Das gleicht die Kartonage aus dem Online-Handel auch nicht aus. Dadurch sinken auch die Erträge. Aber die Container-Standorte sind heute wesentlich sauberer.
Darf ich in einen Weißglas-Container grünes Glas werfen?
HOSTENBACH Bitte nicht. Im Zweifel kann man alles in den GrünglasContainer werfen, denn Grün kann den größten Anteil an Fremdfarben aufnehmen. Weißglas aber nicht, das darf so gut wie keine Fremdstoffe beinhalten bei der Wiederverwertung. Sonst sind zum Beispiel Fensterscheiben am Ende matt oder gelb, übertrieben gesprochen.
Gerade wurde mehrmals Asbest im Wald entsorgt. Wie entwickeln sich die Einsätze der Mülldetektive? HOSTENBACH Sie haben leider immer noch gutzutun, obwohl die Menge des wilden Mülls sinkt. Aber es gibt immer wieder diese Extremfälle.
Der Test mit dem intelligenten Mülleimer endete in einem Vandalismus-Totalschaden. Ist das Thema damit für Sie durch? HOSTENBACH Erst einmal ja. Das liegt aber daran, dass der Vorteil der Pressmülleimer darin liegt, dass man sie nicht so oft leeren muss. Das funktioniert zum Beispiel in Hamburg gut. Hier haben wir nicht so viele Standorte, an denen das einen Effekt und wir große Auswirkungen auf die Logistik hätten. Mr. Fill hat in dieser Stadt nicht überlebt, obwohl er sehr stabil ist. Die niederländische Feuerwehr hat mit schwerem Gerät alles versucht, Mr. Fill kleinzukriegen – er funktionierte weiter. Hier haben es Vandalen geschafft, den intelligenten Mülleimer mit einem Gewicht von circa 250 Kilogramm auf einer Metallplatte zu zerstören. Da brauchte man brachiale Gewalt.
Warum hat Mönchengladbach immer weniger öffentliche Mülleimer?
HOSTENBACH Das wäre mir bisher nicht aufgefallen. Wir haben rund 2500 Mülleimer im Stadtgebiet, die wir aktuell auch digital aufnehmen. Wenn ein Mülleimer an einem Standort aber immer wieder in Brand gesetzt oder auch gestohlen wird, dann nehmen wir ihn unter Umständen ganz weg oder versetzen ihn.
Wie funktionieren Pfandringe wie in der Altstadt?
HOSTENBACH Dort werden sie punktuell angenommen, ich würde sie aber nicht stadtweit einführen.
Wie sauber ist Mönchengladbach denn grundsätzlich?
HOSTENBACH Ich finde, Mönchengladbach ist in vielen Ecken eine relativ saubere Stadt, es gibt aber auch Ecken, wo man sich verbessern kann. Aber an einer sauberen Stadt müssen wir alle gemeinsam arbeiten.
Wie wichtig ist der Frühjahrsputz am 16. März für die Sauberkeit der Stadt?
HOSTENBACH Das ist eine schöne Aktion, weil vielen so bewusst wird, wo überall wilder Müll liegt und man darüber nachdenken kann, ob das wirklich alles sein muss. Eine Zigarettenkippe ist beispielsweise genauso schädlich wie ein Tropfen Öl im Wasser.
Zur Sauberkeit gehört auch die Straßenreinigung. Wie viel Kehricht kommt zusammen? Merken Sie Veränderungen?
HOSTENBACH Nein. Die Tonnage des Kehrichts ändert sich vor allem durch das Wetter: Wenn es viel regnet, ist der Kehricht eben schwerer. Das schwankt sehr. Der Winterdienst und Straßenreinigung von Radwegen ist ein bisschen aufwendiger. Dafür haben wir unter anderem Rasenmäher der Mags umgebaut, die man im Winter ja nicht braucht. Umgekehrt sind die Winterdienstfahrzeuge im Sommer zur Bewässerung von Bäumen und Pflanzen im Einsatz.
Wie läuft der Winterdienst auf Radwegen?
HOSTENBACH Das funktioniert gut, und wir freuen uns, wenn im Winter mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sind, denn wenn wir Salz streuen, dann brauchen wir eine gewisse Belastung, damit es besser wirkt.
Lohnt sich das denn?
HOSTENBACH Wir haben den Auftrag, die 60 Kilometer baulich getrennte Radwege zu räumen, und für den Radfahrer lohnt es sich.
Würden Sie das ausweiten?
HOSTENBACH Dann müssten wir mehr Personal und Fahrzeuge einsetzen, was über den städtischen Haushalt finanziert werden müsste. Das ist nicht unsere Entscheidung.
Was ist mit Radwegen auf den Straßen?
HOSTENBACH Die werden natürlich mit gereinigt. Da gibt es aber eine Problematik: Wenn Schnee geräumt wird, muss der irgendwohin. Das geht aber nicht in die Mitte. Jede Straße hat ein Gefälle, dann würde schmelzender Schnee zu Nässe, die wieder frieren kann und dann für spiegelglatte Straßen sorgt. Also muss der Schnee an den Rand. Da ist dann oft der Radweg.
Wie ist der Aufwand auf der Protected Bike Lane auf der Hohenzollernstraße?
HOSTENBACH Es gibt Mehraufwand, weil wir mit zwei Fahrzeugen räumen müssen. Aber es hält sich in Grenzen.
Baum oder Parkplatz?
HOSTENBACH Schwieriges Thema. Bäume sind wichtig fürs Stadtklima. Der Baum kühlt, gerade in der Stadt. Wenn das Klima sich weiter erwärmt, dann kann jeder froh sein, einen Baum vor der Tür zu haben, der ein paar Grad kühlt.
Sie stellen den Fuhrpark um auf zertifizierten Biokraftstoff „Hydrotreated Vegetable Oil“(HVO 100). Warum?
HOSTENBACH Wir schaffen es damit, im Fuhrpark 80 bis 90 Prozent an CO2 einzusparen, aber die alte Technik erst einmal weiter zu nutzen. Wir können die Flotte nicht abschaffen..
Warum nicht Wasserstoff?
HOSTENBACH Diese Fahrzeuge kann man im Moment nur über Förderungen finanzieren. Sie kosten mit 800.000 bis 900.000 Euro drei bis viermal mehr als ein Standardfahrzeug für circa 300.000 Euro. Auch Elektrofahrzeuge kosten noch fast das Doppelte. Diese Investitionen hätten alle Gebührenauswirkung. Dabei ist jede Technologie heute noch nicht so ausgereift, dass es sicher die Zukunft wäre. Deshalb nutzen wir erst einmal HVO als wirtschaftliche Brückentechnologie
Sie haben bei der Stadtverwaltung als Auszubildender begonnen...
HOSTENBACH ...und zwar zum Verwaltungsfachangestellten nach dem Realschulabschluss.
Was war denn als Schüler Ihr Traumjob?
HOSTENBACH Ich hatte keinen. Es hat sich alles einfach ergeben. Aber heute muss ich sagen: Ich beschäftige mich mit vielen modernen Themen. Müll, Finanzen Grün, Nachhaltigkeit, Recycling, Kreislaufwirtschaft, Stadtklima im Rahmen der Grünpflege und so weiter. Da wird sich noch viel tun, und deshalb finde ich meinen Job so extrem spannend.