Rheinische Post Erkelenz

Neuhaus macht es im Derby vor – Risiko lohnt sich

- KARSTEN KELLERMANN

Was ist Borussias Stil? Die Frage wird gern gestellt in den Internetfo­ren, in denen sich Menschen mit Gladbach beschäftig­en. Eine klare Antwort finden die meisten Diskutante­n nicht. Tatsächlic­h ist Trainer Gerardo Seoane noch auf der Suche nach der Spielart seiner Borussia. Ob es aber nun um das System (4-3-3 wie gegen den 1. FC Köln, 3-5-2 oder 3-4-2-1) oder die individuel­le Interpreta­tion einer jeden Grundordnu­ng geht – für Gladbach ist vor allem die Richtung wichtig: nach vorn, und zwar möglichst schnell. Das war der Stil der legendären Fohlenelf von Meistertra­iner Hennes Weisweiler und sollte auch heute das Prinzip sein.

Um das aber umzusetzen, bedarf es auch eines gewissen Risikos. Und das fehlt zu oft bei den Gladbacher­n. Einmal, wenn es um Eins-gegeneins-Situatione­n geht. Am Rande des Köln-Spiels war viel davon zu sehen – als auf den Bildschirm­en im Borussia-Park Szenen des früheren Gladbach-Dribblers Peter Wynhoff gezeigt wurden. Hakenschla­gend narrte er die Konkurrenz.

Zu wenige Borussen gehen wie einst Wynhoff ins Dribbling, vor allem ist es Manu Koné. Der muss allerdings noch einschätze­n lernen, wann es wirklich gut ist, das zu tun, ohne dass mögliche Ballverlus­te gefährlich werden.

Was entstehen kann, wenn richtiggeh­end die Attacke erzwungen wird mit fordernden Pässen, das machte im Derby Florian Neuhaus vor. In der 53. Minute schickte er Nathan Ngoumou auf links, machte den direkten Weg in den Strafraum, bekam den Ball zurück, fand Jordan Siebatcheu, der für Neuhaus ablegte – der nach dem doppelten Doppelpass frei vor dem Tor stand. Aus spitzem Winkel traf er den Pfosten.

Es war, wenn auch unvollende­t, das schönste Stück Fußball in dem fußballeri­sch nicht hochwertig­en rheinische­n Derby. Es war eine Kombinatio­n, die an die Gladbacher Jahre unter Lucien Favre erinnerte, es war – zugegeben, das ist hochgegrif­fen – ein Hauch von „Borussia Barcelona“.

So auch vor dem 1:1, als ebenfalls Neuhaus nach Nico Elvedis Ballerober­ung gleich (um)schaltete und Franck Honorat bediente. Ratzfatz ging es da zum Tor, generell ist Seoanes Spiel situativer und vertikaler anlegt, als früher bei Favre. Lücken reißen statt Lücken finden, könnte man sagen.

Aber schnelles, forderndes Spiel nach vorn, jeder Pass mit offensivem Kern, das steckt drin in Seoanes Team. Doch gilt es, das zu institutio­nalisieren, damit Borussias Fußball öfter so viel Spaß macht wie in der einen Szene gegen Köln. Gern darf es dann öfter durch Tore gekrönt werden. Grundsätzl­ich gilt: Es lohnt sich, vorne ins Risiko zu gehen.

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