Neuhaus macht es im Derby vor – Risiko lohnt sich
Was ist Borussias Stil? Die Frage wird gern gestellt in den Internetforen, in denen sich Menschen mit Gladbach beschäftigen. Eine klare Antwort finden die meisten Diskutanten nicht. Tatsächlich ist Trainer Gerardo Seoane noch auf der Suche nach der Spielart seiner Borussia. Ob es aber nun um das System (4-3-3 wie gegen den 1. FC Köln, 3-5-2 oder 3-4-2-1) oder die individuelle Interpretation einer jeden Grundordnung geht – für Gladbach ist vor allem die Richtung wichtig: nach vorn, und zwar möglichst schnell. Das war der Stil der legendären Fohlenelf von Meistertrainer Hennes Weisweiler und sollte auch heute das Prinzip sein.
Um das aber umzusetzen, bedarf es auch eines gewissen Risikos. Und das fehlt zu oft bei den Gladbachern. Einmal, wenn es um Eins-gegeneins-Situationen geht. Am Rande des Köln-Spiels war viel davon zu sehen – als auf den Bildschirmen im Borussia-Park Szenen des früheren Gladbach-Dribblers Peter Wynhoff gezeigt wurden. Hakenschlagend narrte er die Konkurrenz.
Zu wenige Borussen gehen wie einst Wynhoff ins Dribbling, vor allem ist es Manu Koné. Der muss allerdings noch einschätzen lernen, wann es wirklich gut ist, das zu tun, ohne dass mögliche Ballverluste gefährlich werden.
Was entstehen kann, wenn richtiggehend die Attacke erzwungen wird mit fordernden Pässen, das machte im Derby Florian Neuhaus vor. In der 53. Minute schickte er Nathan Ngoumou auf links, machte den direkten Weg in den Strafraum, bekam den Ball zurück, fand Jordan Siebatcheu, der für Neuhaus ablegte – der nach dem doppelten Doppelpass frei vor dem Tor stand. Aus spitzem Winkel traf er den Pfosten.
Es war, wenn auch unvollendet, das schönste Stück Fußball in dem fußballerisch nicht hochwertigen rheinischen Derby. Es war eine Kombination, die an die Gladbacher Jahre unter Lucien Favre erinnerte, es war – zugegeben, das ist hochgegriffen – ein Hauch von „Borussia Barcelona“.
So auch vor dem 1:1, als ebenfalls Neuhaus nach Nico Elvedis Balleroberung gleich (um)schaltete und Franck Honorat bediente. Ratzfatz ging es da zum Tor, generell ist Seoanes Spiel situativer und vertikaler anlegt, als früher bei Favre. Lücken reißen statt Lücken finden, könnte man sagen.
Aber schnelles, forderndes Spiel nach vorn, jeder Pass mit offensivem Kern, das steckt drin in Seoanes Team. Doch gilt es, das zu institutionalisieren, damit Borussias Fußball öfter so viel Spaß macht wie in der einen Szene gegen Köln. Gern darf es dann öfter durch Tore gekrönt werden. Grundsätzlich gilt: Es lohnt sich, vorne ins Risiko zu gehen.