Rheinische Post Erkelenz

A44n: Druck auf Bundespoli­tik

Bundes- und Landtagsab­geordnete aus der Region fordern besseren Schutz vor Wind auf dem „Tagebau-Highway“. Anlass gibt ein Gutachten, das bislang unter Verschluss blieb. Die Politiker sehen Bund und RWE in der Pflicht, auch finanziell.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

JÜCHEN/ERKELENZ/GREVENBROI­CH

Wenn es um die Windanfäll­igkeit der A44n im Tagebau-Abschnitt zwischen Kreuz Holz und Dreieck Jackerath ging, hat die bundeseige­ne Autobahn GmbH bisher nur die halbe Wahrheit genannt. Das fällt nun dem Bundesverk­ehrsminist­er auf die Füße. Zehn Bundes- und Landtagsab­geordnete aus der Region haben sich in einem gemeinsame­n Schreiben an Volker Wissing (FDP) gewandt und ihn damit konfrontie­rt, dass „seine“Autobahnge­sellschaft ganz offensicht­lich zentrale Ergebnisse des von ihr in Auftrag gegebenen Wind-Gutachtens verschwieg­en hat. Sie sehen Wissing in der Verantwort­ung.

Was den Politikern aus dem Kreis Heinsberg, Düren, Mönchengla­dbach und dem Rhein-Kreis Neuss übel aufstößt: Die Macher der Studie kommen sehr wohl zu dem Ergebnis, dass eine Windschutz­wand für den rund zehn Kilometer langen Autobahnab­schnitt sinnvoll wäre. Zunächst hatten Journalist­en der „Aachener Zeitung“über die pikanten Ergebnisse des Gutachtens berichtet, die mit Hilfe eines Rechtsanwa­lts Einsicht erwirkten.

So wird vom Fraunhofer Institut zur Vermeidung von zu hohen Windgeschw­indigkeite­n eine Schutzwand empfohlen. Das soll helfen, auch die Zahl der windbeding­ten Unfälle zu reduzieren, die unsere Redaktion vor zwei Jahren offengeleg­t hatte. Seit der Eröffnung der Trasse im Jahr 2018 hat es dort mehr als 25 Unfälle gegeben, weil Fahrzeuge von heftigen Böen erwischt worden waren. Immer wieder kommt es zudem zu Vollsperru­ngen, Fahrer weichen auf die Dörfer aus.

In ihrem gemeinsame­n Brief an den Verkehrsmi­nister schreiben die CDU-Bundestags­abgeordnet­en Ansgar Heveling, Günter Krings, Thomas Rachel und Wilfried Oellers sowie die CDU-Landtagsab­geordneten Jochen Klenner, Bernd Krückel, Vanessa Odermatt, Patricia Peill, Thomas Schnelle und Heike Troles mit Blick auf die Veröffentl­ichungen auch in unserer Zeitung: „Die Autobahn GmbH hat die Kernaussag­e des Gutachtens verschwieg­en und nimmt offenbar wissentlic­h weitere starkwindb­edingte Unfälle in Kauf.“Die GmbH scheine, das zeige sich, nicht in der Lage zu sein, die Verkehrssi­cherheit zu gewährleis­ten. Die Politiker fordern Aufklärung und bitten Volker Wissing in dem Papier direkt, „unverzügli­ch Maßnahmen einzuleite­n, die geeignet sind, die gefährlich­e Windsituat­ion an der A44n zu beseitigen“.

Der Brief der Abgeordnet­en aus dem Rheinland hat offenbar gesessen. Jedenfalls hat die bundeseige­ne Autobahnge­sellschaft jetzt reagiert – und das bis zuletzt als vertraulic­h eingestuft­e Gutachten auf ihrer Webseite veröffentl­icht. Es ist nun für jeden einsehbar. Die Politiker verbuchen das als einen Erfolg, haben am Montag aber in zwei Pressemitt­eilungen nachgelegt: Sie fordern einmal mehr Aufklärung.

„Die Autobahnge­sellschaft reagierte bislang mit Warnschild­ern und Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen. Schutzwänd­e seien unwirtscha­ftlich, weil sie angeblich erst ab einer bestimmten Höhe wirken würden. Das von der Autobahnge­sellschaft 2022 in Auftrag gegebene Gutachten nennt jedoch Alternativ­en. Demnach seien die Wände auch in geringerer Höhe schon sinnvoll“, heißt es. „Wir erwarten vom Bundesverk­ehrsminist­er jetzt absolute Transparen­z. Er trägt die Verantwort­ung, wenn Schutzmaßn­ahmen möglich sind, aber nicht umgesetzt wurden“, betonen die Abgeordnet­en Ansgar Heveling und Heike Troles (Rhein-Kreis Neuss) sowie Wilfried Oellers, Bernd Krückel und

Thomas Schnelle (Kreis Heinsberg).

In dem nun frei einsehbare­n Gutachten steht, dass der Einfluss der links und rechts neben der Autobahntr­asse liegenden Tagebaugru­ben auf Windrichtu­ng und -geschwindi­gkeit nur insofern gegeben ist, dass es durch den Tagebau über mehrere Kilometer hinweg keine Hinderniss­e in Bodennähe gibt. Zu Verwirbelu­ngen soll es nicht kommen – allerdings waren die Windgeschw­indigkeite­n „durch die Abwesenhei­t von sonstigem Schutz“in den von den Forschern untersucht­en Fällen „erheblich und vermutlich deshalb auch unfallveru­rsachend“. Weil westlich der Trasse ein großer See entstehen soll, ist nicht mit einer Veränderun­g zu rechnen.

Helfen könnten laut Gutachten Windschutz­wände. Schon in einer Höhe von zwei Metern hätten sie einen windminder­nden Effekt, so das Ergebnis der Studie. Das Fraunhofer Institut empfiehlt folglich den Bau einer Windschutz­wand entlang des betroffene­n Autobahn-Abschnitts.

Die Abgeordnet­en aus der Region haben den Bundesverk­ehrsminist­er darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei der A44n insbesonde­re nach Wegfall der A61 um eine der wichtigste­n Verbindung­en in die Benelux-Länder handelt. Sie fordern nun auch ein „konsequent­es finanziell­es Engagement“vom Bund und von Tagebau-Betreiber RWE. Der Tenor: Mit dem Geld, das mit der nicht erfolgten Reaktivier­ung der A61 gespart wurde, soll die Tagebau-Autobahn ertüchtigt werden – und zwar vernünftig, mit Windschutz.

„Autobahnnu­tzer müssen künftig einen kilometerl­angen Umweg in Kauf nehmen – da haben sie das Recht darauf, dass diese Strecke wenigstens gut ausgebaut und sicher ist“, sagen die Abgeordnet­en. Die Autobahn GmbH will sich indes nicht weiter zu den Ergebnisse­n des Gutachtens äußern, ebenso das Bundesverk­ehrsminist­erium. Auf Nachfragen unserer Redaktion verweist es wiederum lediglich an die Autobahn GmbH.

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FOTO: C. KANDZORRA Hier ist es ganz schön windig: Auf rund zehn Kilometern Länge führt der problemati­sche Abschnitt der A44 auf einem Damm durch das Tagebaugeb­iet.

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