A44n: Druck auf Bundespolitik
Bundes- und Landtagsabgeordnete aus der Region fordern besseren Schutz vor Wind auf dem „Tagebau-Highway“. Anlass gibt ein Gutachten, das bislang unter Verschluss blieb. Die Politiker sehen Bund und RWE in der Pflicht, auch finanziell.
JÜCHEN/ERKELENZ/GREVENBROICH
Wenn es um die Windanfälligkeit der A44n im Tagebau-Abschnitt zwischen Kreuz Holz und Dreieck Jackerath ging, hat die bundeseigene Autobahn GmbH bisher nur die halbe Wahrheit genannt. Das fällt nun dem Bundesverkehrsminister auf die Füße. Zehn Bundes- und Landtagsabgeordnete aus der Region haben sich in einem gemeinsamen Schreiben an Volker Wissing (FDP) gewandt und ihn damit konfrontiert, dass „seine“Autobahngesellschaft ganz offensichtlich zentrale Ergebnisse des von ihr in Auftrag gegebenen Wind-Gutachtens verschwiegen hat. Sie sehen Wissing in der Verantwortung.
Was den Politikern aus dem Kreis Heinsberg, Düren, Mönchengladbach und dem Rhein-Kreis Neuss übel aufstößt: Die Macher der Studie kommen sehr wohl zu dem Ergebnis, dass eine Windschutzwand für den rund zehn Kilometer langen Autobahnabschnitt sinnvoll wäre. Zunächst hatten Journalisten der „Aachener Zeitung“über die pikanten Ergebnisse des Gutachtens berichtet, die mit Hilfe eines Rechtsanwalts Einsicht erwirkten.
So wird vom Fraunhofer Institut zur Vermeidung von zu hohen Windgeschwindigkeiten eine Schutzwand empfohlen. Das soll helfen, auch die Zahl der windbedingten Unfälle zu reduzieren, die unsere Redaktion vor zwei Jahren offengelegt hatte. Seit der Eröffnung der Trasse im Jahr 2018 hat es dort mehr als 25 Unfälle gegeben, weil Fahrzeuge von heftigen Böen erwischt worden waren. Immer wieder kommt es zudem zu Vollsperrungen, Fahrer weichen auf die Dörfer aus.
In ihrem gemeinsamen Brief an den Verkehrsminister schreiben die CDU-Bundestagsabgeordneten Ansgar Heveling, Günter Krings, Thomas Rachel und Wilfried Oellers sowie die CDU-Landtagsabgeordneten Jochen Klenner, Bernd Krückel, Vanessa Odermatt, Patricia Peill, Thomas Schnelle und Heike Troles mit Blick auf die Veröffentlichungen auch in unserer Zeitung: „Die Autobahn GmbH hat die Kernaussage des Gutachtens verschwiegen und nimmt offenbar wissentlich weitere starkwindbedingte Unfälle in Kauf.“Die GmbH scheine, das zeige sich, nicht in der Lage zu sein, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Die Politiker fordern Aufklärung und bitten Volker Wissing in dem Papier direkt, „unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, die geeignet sind, die gefährliche Windsituation an der A44n zu beseitigen“.
Der Brief der Abgeordneten aus dem Rheinland hat offenbar gesessen. Jedenfalls hat die bundeseigene Autobahngesellschaft jetzt reagiert – und das bis zuletzt als vertraulich eingestufte Gutachten auf ihrer Webseite veröffentlicht. Es ist nun für jeden einsehbar. Die Politiker verbuchen das als einen Erfolg, haben am Montag aber in zwei Pressemitteilungen nachgelegt: Sie fordern einmal mehr Aufklärung.
„Die Autobahngesellschaft reagierte bislang mit Warnschildern und Geschwindigkeitsbegrenzungen. Schutzwände seien unwirtschaftlich, weil sie angeblich erst ab einer bestimmten Höhe wirken würden. Das von der Autobahngesellschaft 2022 in Auftrag gegebene Gutachten nennt jedoch Alternativen. Demnach seien die Wände auch in geringerer Höhe schon sinnvoll“, heißt es. „Wir erwarten vom Bundesverkehrsminister jetzt absolute Transparenz. Er trägt die Verantwortung, wenn Schutzmaßnahmen möglich sind, aber nicht umgesetzt wurden“, betonen die Abgeordneten Ansgar Heveling und Heike Troles (Rhein-Kreis Neuss) sowie Wilfried Oellers, Bernd Krückel und
Thomas Schnelle (Kreis Heinsberg).
In dem nun frei einsehbaren Gutachten steht, dass der Einfluss der links und rechts neben der Autobahntrasse liegenden Tagebaugruben auf Windrichtung und -geschwindigkeit nur insofern gegeben ist, dass es durch den Tagebau über mehrere Kilometer hinweg keine Hindernisse in Bodennähe gibt. Zu Verwirbelungen soll es nicht kommen – allerdings waren die Windgeschwindigkeiten „durch die Abwesenheit von sonstigem Schutz“in den von den Forschern untersuchten Fällen „erheblich und vermutlich deshalb auch unfallverursachend“. Weil westlich der Trasse ein großer See entstehen soll, ist nicht mit einer Veränderung zu rechnen.
Helfen könnten laut Gutachten Windschutzwände. Schon in einer Höhe von zwei Metern hätten sie einen windmindernden Effekt, so das Ergebnis der Studie. Das Fraunhofer Institut empfiehlt folglich den Bau einer Windschutzwand entlang des betroffenen Autobahn-Abschnitts.
Die Abgeordneten aus der Region haben den Bundesverkehrsminister darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei der A44n insbesondere nach Wegfall der A61 um eine der wichtigsten Verbindungen in die Benelux-Länder handelt. Sie fordern nun auch ein „konsequentes finanzielles Engagement“vom Bund und von Tagebau-Betreiber RWE. Der Tenor: Mit dem Geld, das mit der nicht erfolgten Reaktivierung der A61 gespart wurde, soll die Tagebau-Autobahn ertüchtigt werden – und zwar vernünftig, mit Windschutz.
„Autobahnnutzer müssen künftig einen kilometerlangen Umweg in Kauf nehmen – da haben sie das Recht darauf, dass diese Strecke wenigstens gut ausgebaut und sicher ist“, sagen die Abgeordneten. Die Autobahn GmbH will sich indes nicht weiter zu den Ergebnissen des Gutachtens äußern, ebenso das Bundesverkehrsministerium. Auf Nachfragen unserer Redaktion verweist es wiederum lediglich an die Autobahn GmbH.