Florian Schroeder sucht humorvoll den Messias
Beim Gastspiel im TiG pflügte der Kabarettist in rasanter Rhetorik durch das gesellschaftspolitische Deutschland.
Der Auftritt in Anzug mit Krawatte ist nach alter Sitte korrekt. Doch Florian Schroeder hat den Zeitgeist im Blick. Der Kabarettist seziert, karikiert, persifliert, jongliert grandios mit Widersprüchen. In dichter Themenfülle nimmt er beinahe die gesamte politische Landschaft und gesellschaftliche Befindlichkeiten ins Visier. Dabei legt er im vollbesetzten TiG rhetorisch ein hohes Tempo vor, ist absolut textsicher auch bei hochkomplexen Gedankenspielen ohne Netz und doppelten Boden in Form versteckter Spickzettel.
„Neustart“heißt sein Programm, dem per Leinwand Kafkas Worte über einen zu spät kommenden Messias vorangestellt sind. Der Kabarettist behauptet, auf der Suche nach dem Messias zu sein. In Anlehnung an die Bibelstelle über Paulus’ Begegnung mit dem auferstandenen Christus kündigt er den Versuch an, Mönchengladbach ein Damaskuserlebnis und die sprichwörtliche Verwandlung vom Saulus zum Paulus zu vermitteln.
Schroeder greift bissig aktuelle Themen auf, wie das Potsdamer Treffen und den Abhörskandal der Bundeswehr.
Nun sei zu hoffen, dass Olaf Scholz‘ Beichte beim Papstbesuch nicht belauscht wurde. Ansonsten wüssten die Russen, dass sich der Kanzler trotz gegenteiliger Beteuerungen an Details der Cum-Ex-Geschäfte erinnere. Schroeder behauptet, Grün zu wählen, da er ein weißer Mann, reich und privilegiert sei, folglich ein schlechtes Gewissen habe.
Der Kabarettist plädiert für das Tempolimit, doch nur für tagsüber. Denn nachts sei er auf Tour. Er sinniert über AfD-Mitglieder, die früher ins 1000-jährige Reich kommen wollten und heute .000 Sekunden auf Tik
Tok anstrebten. Im Verweis auf das Video eines AfD-Kandidaten, echte Männer seien rechts, sinniert er über eine Auswanderung der weiblichen Elite und zurückgebliebene Männer ohne Freundin.
Nach der Pause gesteht Schroeder, bei der Suche nach dem Messias abgedriftet zu sein. Er sichtet die vom Publikum erbetenen Vorschläge, wird aber auch hier nicht fündig, während seine Kandidaten keine Gegenliebe finden. Also verkündet er den Ausstieg aus dem Kabarett mit dem Ziel, die Partei „Neustart“zu gründen und Bundeskanzler zu werden.
Es folgt eine strategisch aufgebaute Wahlrede mit Versprechungen zu Steuergerechtigkeit, mehr Bildung, Grundeinkommen. Die Zusagen kippen, nehmen demagogische Züge an. Als Markus Lanz im Talk mit politischer Prominenz punktet der Kabarettist auch als Stimmimitator. Die Frage nach dem Messias ist darüber nicht vergessen. Was wäre, wenn der schon da gewesen wäre? Schroeders Vorschlag: Dann mache es keinen Sinn zu warten. Dann könne die Welt versuchen, alles ein wenig zu verrücken, um nicht an sich selbst verrückt zu werden.