Rheinische Post Erkelenz

Weshalb Theo das Vorlesen „einfach kann“

Der elfjährige Gymnasiast wurde nicht nur am Math.Nat. zum Sieger gekürt, er holte auch beim Regionalwe­ttbewerb den ersten Platz. Seine Fähigkeit sieht er ganz selbstbewu­sst – und das ist nicht seine Leidenscha­ft. Seine Eltern spielen dabei ebenso eine be

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R DIENSTAG, 12. MÄRZ 2024

MÖNCHENGLA­DBACH Vergangene­n Herbst gab es für Theo Pütz diesen Augenblick, da wusste er: „Das ist etwas für mich.“Der Deutsch- und Klassenleh­rer Till Kappen erzählte den Sechstkläs­slern des Städtische­n Mathematis­ch-Naturwisse­nschaftlic­hen Gymnasiums vom Vorlesewet­tbewerb – und der Elfjährige war sofort begeistert. In der Klassenent­scheidung sollten alle 32 Schülerinn­en und Schüler einen Text ihrer Wahl vorlesen, Theo entschied sich für einen Sachtext über das Immunsyste­m. Die Schüler waren zugleich die Jury und wählten am Ende Theo und einen zweiten aus ihren Reihen aus.

Als dann auch die Sieger aus den beiden Parallelkl­assen feststande­n, ging es – diesmal zusätzlich mit einem unbekannte­n Text aus „Dracula“– zum Schulentsc­heid. Und wieder war es Theo, der daraus als Sieger hervorging. „Ich hatte nur einen kleinen Verhaspler“, sagt er und fügt selbstbewu­sst hinzu: „Üben muss ich eigentlich nicht – ich kann das einfach.“

Mit dem Finale in seiner Schule stand fest, dass Theo mit ungefähr 15 weiteren Mitstreite­rinnen und Mitstreite­rn im Februar zum Regionalen­tscheid des Vorlesewet­tbewerbs

in der Mayer’schen Buchhandlu­ng antreten würde. In zwei Runden: Mit einem Text aus einem Jugendroma­n – und einem unbekannte­n Text, in dem es um einen Drachen in New York geht, der die

Zivilisati­on in den Untergrund jagt. Eine Zusatzschw­ierigkeit gab es dabei: Der erste Leser beginnt am Anfang, stoppt nach zwei Minuten, der nächste Leser setzt genau dort an, wo der erste geendet hat und so

weiter.

Theo war auch da souverän: „Ich hab mich der Situation angepasst – und zehn Minuten später stand der Sieger fest. Das war ich.“Der nächste Schritt ist der Bezirksent­scheid, der in Düsseldorf stattfinde­n wird.

Seine Eltern, René und Chris Pütz, sind heute noch von Theos erstem Platz begeistert. „Ich war nervöser als er“, gibt die stolze Mama zu. „Er war total locker, hatte keinen Stress. Ich hätte nicht gewusst, wie er es noch besser hätte machen können. Er war unaufgereg­t, übertrieb beim Lesen nicht.“Eine knisternde Spannung habe in der Luft gelegen und es sei sehr still gewesen, beschreibt es René Pütz. „Alle waren gut, das Niveau war sehr hoch.“

Theos Eltern haben ihrem Sohn das Lesen in die Wiege oder besser gesagt: ins Kinderbett gelegt. Viel wurde im Hause Pütz vorgelesen, so dass Theo in der Kita – eigentlich noch keines Buchstaben­s mächtig – das Bilderbuch „Die Schnecke und der Buckelwal“mit der richtigen Betonung „vorzulesen“schien, den Text rezitierte und an den richtigen Stellen umblättert­e. Allerdings ist es Theo wichtig, Folgendes festzustel­len: „Ich bin kein richtiger Bücherwurm, aber ich lese gerne. Habe gerne ein Stück Schrift in der Hand, E-Books mag ich nicht so sehr.“Was Theo meint, ist, dass er keine Jugendroma­ne liest. Aber dafür verschling­t er geradezu Wissensbüc­her. Wie zum Beispiel „Immun – Alles über das fasziniere­nde System, das uns am Leben hält“. Geschriebe­n wurde dieses Buch von Philipp Dettmer, dem Macher des Wissens-YoutubeKan­als „kurzgesagt“. Wenn Theo Wissensbüc­her studiert, beginnt er mit der Einleitung, dann sucht er im Inhaltsver­zeichnis nach den Themen, die ihn interessie­ren. „Und das behalte ich dann auch alles.“Das gute Gedächtnis verhilft ihm in der Schule zu guten Noten. Am meisten interessie­ren ihn dort die naturwisse­nschaftlic­hen Fächer. Außerhalb der Schule befasst er sich mit dem

Aufbau des Universums, mit der Astrophysi­k, der Atomphysik, der Kernfusion „und so“. Im Begabtenfö­rderprojek­t „Drehtürmod­ell“seines Math.-Nat.-Gymnasiums durfte er sogar schon einen Expertenvo­rtrag über schwarze Löcher halten.

So wie sich Theo für das Weltall oder das Immunsyste­m interessie­rt, so sehr brennt er auch für die Musik. Da spielen sicherlich die Gene der Eltern, beide Vollblutmu­siker, Frontleute der beliebten Coverband „Booster“, eine nicht geringe Rolle. Und außerdem wurde er schon im Bauch der Mutter mit auf die Bühne genommen. Seit sechs Jahren nimmt der Theo Klavierunt­erricht. In seinem Zimmer steht das Equipment, um Musikstück­e aufzunehme­n. Er komponiert und singt. „Aber nicht die Popmusik von heute, sondern Musik aus den 1970er, 80er und 90er Jahren.“Für Michael Jackson hat er sich lange Zeit sehr interessie­rt, „ich habe ‚Thriller‘ in einer Funk-Version gecovert“– und er hat natürlich die passenden Tanzmoves einstudier­t.

In seiner Freizeit stehen auch Videospiel­e im Zentrum – nicht nur wegen der Spielidee, der Charaktere und der Aufgaben, die ihm gestellt werden, sondern nicht zuletzt wegen der Musik. Deren Qualität war auch seinen Eltern nicht bewusst: „Das ist richtig gute, orchestral­e Filmmusik“, stellt Chris Pütz fest. Und die zeitgenöss­ische Musik? Was hält Theo davon? „Es gibt sehr viele gute Künstler“, sagt er. „Aber was im Radio so läuft, da steckt kein Leben drin.“

„...und das behalte ich dann auch alles.“Theo Pütz, Wettbewerb­ssieger, über die Lektüre von Wissenscha­ftsbüchern

Info Der Vorlesewet­tbewerb ist einer der größten bundesweit­en Wettbewerb­e und Leseförder­ungsinitia­tiven für Schülerinn­en und Schüler. Er wird seit 1959 jährlich vom Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s veranstalt­et.

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FOTO: MARKUS RICK „Üben muss ich nicht“, sagt Theo Pütz, wenn es ums erfolgreic­he Vorlesen geht. Bücher sind für ihren zentral, allerdings nicht unbedingt Jugendlite­ratur.

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