Weshalb Theo das Vorlesen „einfach kann“
Der elfjährige Gymnasiast wurde nicht nur am Math.Nat. zum Sieger gekürt, er holte auch beim Regionalwettbewerb den ersten Platz. Seine Fähigkeit sieht er ganz selbstbewusst – und das ist nicht seine Leidenschaft. Seine Eltern spielen dabei ebenso eine be
MÖNCHENGLADBACH Vergangenen Herbst gab es für Theo Pütz diesen Augenblick, da wusste er: „Das ist etwas für mich.“Der Deutsch- und Klassenlehrer Till Kappen erzählte den Sechstklässlern des Städtischen Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasiums vom Vorlesewettbewerb – und der Elfjährige war sofort begeistert. In der Klassenentscheidung sollten alle 32 Schülerinnen und Schüler einen Text ihrer Wahl vorlesen, Theo entschied sich für einen Sachtext über das Immunsystem. Die Schüler waren zugleich die Jury und wählten am Ende Theo und einen zweiten aus ihren Reihen aus.
Als dann auch die Sieger aus den beiden Parallelklassen feststanden, ging es – diesmal zusätzlich mit einem unbekannten Text aus „Dracula“– zum Schulentscheid. Und wieder war es Theo, der daraus als Sieger hervorging. „Ich hatte nur einen kleinen Verhaspler“, sagt er und fügt selbstbewusst hinzu: „Üben muss ich eigentlich nicht – ich kann das einfach.“
Mit dem Finale in seiner Schule stand fest, dass Theo mit ungefähr 15 weiteren Mitstreiterinnen und Mitstreitern im Februar zum Regionalentscheid des Vorlesewettbewerbs
in der Mayer’schen Buchhandlung antreten würde. In zwei Runden: Mit einem Text aus einem Jugendroman – und einem unbekannten Text, in dem es um einen Drachen in New York geht, der die
Zivilisation in den Untergrund jagt. Eine Zusatzschwierigkeit gab es dabei: Der erste Leser beginnt am Anfang, stoppt nach zwei Minuten, der nächste Leser setzt genau dort an, wo der erste geendet hat und so
weiter.
Theo war auch da souverän: „Ich hab mich der Situation angepasst – und zehn Minuten später stand der Sieger fest. Das war ich.“Der nächste Schritt ist der Bezirksentscheid, der in Düsseldorf stattfinden wird.
Seine Eltern, René und Chris Pütz, sind heute noch von Theos erstem Platz begeistert. „Ich war nervöser als er“, gibt die stolze Mama zu. „Er war total locker, hatte keinen Stress. Ich hätte nicht gewusst, wie er es noch besser hätte machen können. Er war unaufgeregt, übertrieb beim Lesen nicht.“Eine knisternde Spannung habe in der Luft gelegen und es sei sehr still gewesen, beschreibt es René Pütz. „Alle waren gut, das Niveau war sehr hoch.“
Theos Eltern haben ihrem Sohn das Lesen in die Wiege oder besser gesagt: ins Kinderbett gelegt. Viel wurde im Hause Pütz vorgelesen, so dass Theo in der Kita – eigentlich noch keines Buchstabens mächtig – das Bilderbuch „Die Schnecke und der Buckelwal“mit der richtigen Betonung „vorzulesen“schien, den Text rezitierte und an den richtigen Stellen umblätterte. Allerdings ist es Theo wichtig, Folgendes festzustellen: „Ich bin kein richtiger Bücherwurm, aber ich lese gerne. Habe gerne ein Stück Schrift in der Hand, E-Books mag ich nicht so sehr.“Was Theo meint, ist, dass er keine Jugendromane liest. Aber dafür verschlingt er geradezu Wissensbücher. Wie zum Beispiel „Immun – Alles über das faszinierende System, das uns am Leben hält“. Geschrieben wurde dieses Buch von Philipp Dettmer, dem Macher des Wissens-YoutubeKanals „kurzgesagt“. Wenn Theo Wissensbücher studiert, beginnt er mit der Einleitung, dann sucht er im Inhaltsverzeichnis nach den Themen, die ihn interessieren. „Und das behalte ich dann auch alles.“Das gute Gedächtnis verhilft ihm in der Schule zu guten Noten. Am meisten interessieren ihn dort die naturwissenschaftlichen Fächer. Außerhalb der Schule befasst er sich mit dem
Aufbau des Universums, mit der Astrophysik, der Atomphysik, der Kernfusion „und so“. Im Begabtenförderprojekt „Drehtürmodell“seines Math.-Nat.-Gymnasiums durfte er sogar schon einen Expertenvortrag über schwarze Löcher halten.
So wie sich Theo für das Weltall oder das Immunsystem interessiert, so sehr brennt er auch für die Musik. Da spielen sicherlich die Gene der Eltern, beide Vollblutmusiker, Frontleute der beliebten Coverband „Booster“, eine nicht geringe Rolle. Und außerdem wurde er schon im Bauch der Mutter mit auf die Bühne genommen. Seit sechs Jahren nimmt der Theo Klavierunterricht. In seinem Zimmer steht das Equipment, um Musikstücke aufzunehmen. Er komponiert und singt. „Aber nicht die Popmusik von heute, sondern Musik aus den 1970er, 80er und 90er Jahren.“Für Michael Jackson hat er sich lange Zeit sehr interessiert, „ich habe ‚Thriller‘ in einer Funk-Version gecovert“– und er hat natürlich die passenden Tanzmoves einstudiert.
In seiner Freizeit stehen auch Videospiele im Zentrum – nicht nur wegen der Spielidee, der Charaktere und der Aufgaben, die ihm gestellt werden, sondern nicht zuletzt wegen der Musik. Deren Qualität war auch seinen Eltern nicht bewusst: „Das ist richtig gute, orchestrale Filmmusik“, stellt Chris Pütz fest. Und die zeitgenössische Musik? Was hält Theo davon? „Es gibt sehr viele gute Künstler“, sagt er. „Aber was im Radio so läuft, da steckt kein Leben drin.“
„...und das behalte ich dann auch alles.“Theo Pütz, Wettbewerbssieger, über die Lektüre von Wissenschaftsbüchern
Info Der Vorlesewettbewerb ist einer der größten bundesweiten Wettbewerbe und Leseförderungsinitiativen für Schülerinnen und Schüler. Er wird seit 1959 jährlich vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels veranstaltet.