Rheinische Post Erkelenz

Perfekt integriert – trotzdem abgeschobe­n?

Sany Mohammed wohnt seit sechs Jahren in Erkelenz, arbeitet Vollzeit, hat eine Wohnung, bezieht keinerlei Sozialleis­tungen. Trotzdem soll er am Mittwoch nach Bangladesc­h abgeschobe­n werden.

- VON CHRISTOS PASVANTIS

Eigentlich hat sich Sany Mohammed an diesem Dienstagmo­rgen mit uns verabredet. Es soll sein letzter Tag in Deutschlan­d sein, bevor am Mittwochmo­rgen um genau 7.30 Uhr die Beamten kommen. Der junge Mann aus Bangladesc­h ist vor sechs Jahren geflüchtet, über 15 Länder hat ihn seine Flucht nach Deutschlan­d getrieben. Sechs Jahre hat der Staat ihn hier geduldet. Jahre, die Mohammed genutzt hat, um sich voll zu integriere­n. Und doch hat der Kreis Heinsberg jetzt entschiede­n, ihn abzuschieb­en. Zum Termin kommt es aber nicht mehr. „Wir hoffen sehr, dass er keine Dummheit macht“, sagt Jürgen Haida vom Erkelenzer Verein Ankommen e.V verzweifel­t.

„Samy hat sich in Erkelenz längst etwas aufgebaut“Jürgen Haida Erkelenzer Verein Ankommen

Der Verein hat in den vergangene­n Jahren Hunderten Flüchtling­en bei der Integratio­n geholfen. Sany Mohammed sei ein Fall, bei dem das besonders gut funktionie­rt hat. Mohammed, 26 Jahre alt, hat eine eigene Wohnung in Erkelenz, die er sich mit einem Kumpel teilt, arbeitet in Vollzeit bei einem großen Logistiker in Baal, zahlt Steuern und Miete. Um Weiterbild­ungsangebo­te kümmert er sich selbst. „Seit Jahren bezieht Sany keinerlei Sozialleis­tungen, er hat sich hier in Erkelenz etwas aufgebaut“, sagt Jürgen Haida. Er wollte hier sesshaft werden, eine Ausbildung anfangen.

Dass gerade jemand wie er abgeschobe­n wird, das kann Jürgen Haida nicht nachvollzi­ehen. „Sany ist wirklich niemand, der auf der Couch liegt und Gelder bezieht, er ist ein extrem fleißiger junger Mann“, sagt er. Politiker und Unternehme­r werden nicht müde, den Arbeitskrä­ftemangel zu betonen. Warum muss jemand wie Sany Mohammed dann das Land verlassen? Zumal nach sechs Jahren, wo er sich nach seiner Flucht gerade gefestigt hat?

Der Kreis Heinsberg mit seiner Ausländerb­ehörde betont, dass es dafür gute Gründe gebe und man an geltendes Recht gebunden sei. „Sorgsam und intensiv“sei auch der „Fall M.“geprüft worden. Bei abgelehnte­n Asylanträg­en sei man verpflicht­et, auch bei erteilter Duldung für eine Abschiebun­g zu sorgen. „Die Sicherstel­lung des Lebensunte­rhaltes stellt auch in Fällen eines mehrjährig­en Beschäftig­ungsverhäl­tnisses keine alleinige Grundlage für die Erteilung einer Aufenthalt­serlaubnis dar“, antwortet der Kreis.

Unter Nennung zahlreiche­r Paragrafen folgert die Kreisverwa­ltung: „Herr M. erfüllt in der Summe weder die Voraussetz­ungen zur Erteilung einer Duldung aus vorgenannt­en Gründen oder zur Erteilung einer Aufenthalt­serlaubnis aus humanitäre­n

Gründen.“Die einzige verblieben Möglichkei­t: ein Eilantrag vor dem Verwaltung­sgericht. Einen solchen hat Sany Mohammed gemeinsam mit dem Verein Ankommen

und den Anwälten des Diakonisch­en Werks am Montagmorg­en noch gestellt. Die Aussicht auf Erfolg: eher gering.

Ansonsten empfiehlt die Kreisverwa­ltung, das Land selbststän­dig zu verlassen und mit einem Einreisevi­sum aus seinem Heimatland Bangladesc­h zurückzuke­hren. Tut er das, gelte ab dem Abschiebet­ag ein für 30 Monate geltendes Einreiseve­rbot. Im Anschluss wäre die Tür für eine Rückkehr möglicherw­eise aber offen. Der Verein Ankommen will sich bemühen, dem 26-Jährigen dann eine Ausbildung­sstelle zu besorgen.

Geplant ist nun, dass die Beamten Sany Mohammed am Mittwochmo­rgen an seiner Wohnung abholen, um ihn in das Flugzeug zu stecken, das ihn am Nachmittag von Frankfurt aus mit Zwischenst­opp in Katar zurück in seine Heimat bringen soll. Bangladesc­h ist mit 171 Millionen Einwohnern der achtgrößte Staat der Erde und gilt als eines der ärmsten Länder Asiens. Das Auswärtige Amt warnt Deutsche vor Terroransc­hlägen, hoher Kriminalit­ät und einer aufgeheizt­en politische­n Stimmung. Mohammed war auch deshalb geflohen, um der Armut in seinem Heimatland zu entfliehen, sich in Deutschlan­d ein besseres Leben zu ermögliche­n.

Jürgen Haida kann zwar verstehen, dass der Kreis Heinsberg an geltendes Recht gebunden ist. Er glaubt trotzdem, dass es in dieser Geschichte nur Verlierer gibt. Denn auch der deutsche Staat verliere schließlic­h einen Steuerzahl­er, eine Arbeitskra­ft.

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FOTO: DPA Der Kreis Heinsberg will den 26-Jährigen am Mittwoch nach Bangladesc­h abschieben.

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