Wann ist ein Kunstwerk fertig?
Der Kunstverein Canthe präsentiert Vielfalt von Christa Walters im Alten Rathaus in Ratheim – vor allem mit Leinwand und Papier. Ein Besuch.
Wann ist Kunst eigentlich fertig? Eine vielleicht erstaunliche Frage, steht man in einer Ausstellung Bildender Kunst, in der die Farben auf den Leinwänden trocken, die Werke ordentlich gehängt oder gestellt sind. Diese Frage stellte die Kunsthistorikerin Christine Vogt, Direktorin der Ludwig-Galerie Schloss Oberhausen, in die Räume des Alten Rathauses in Ratheim hinein zur Eröffnung der Ausstellung „Eine von 43 Möglichkeiten“der Künstlerin Christa Walters beim Kunstverein Canthe. Die Frage war ein Hinweis auf eine Betrachtungsmöglichkeit der Werke der Heinsbergerin, die auf figurative Elemente verzichtet, damit weitere Interpretationen zulässt. Es ist eine durchaus bekannte Tatsache, dass Werke, die eigentlich „fertig“waren, von ihren Schöpfern nochmals zur Überarbeitung aus dem Rahmen geholt werden. Idee-Ologie dauerhaft im Hinterkopf der Künstler.
Jürgen Legewie als Stellvertretender Canthe-Vorsitzender gab in seiner Begrüßung ebenso einen Hinweis auf einen besonderen Betrachtungsaspekt, nämlich den der Entwicklung der Künstlerin seit ihrer ersten Ausstellung bei Canthe vor einigen Jahren.
Die Werke der jetzigen Ausstellung sind in den vergangenen sechs Jahren entstanden, „eine Überschau
über die Formen- und Materialsprache“Christa Walters‘ seit 2018, deren letztes Werk noch gerade vor der Ausstellung trocken geworden ist, wie Christine Vogt aus der Vorbereitung vermelden konnte.
43 bezieht sich auf die Zahl der beteiligten Schöpfungen der Künstlerin, die ihre Eigen-Art dokumentieren, vorwiegend auf Papier und Leinwand niedergebracht, manchmal auf Glas. Größenordnungen bewegen sich zwischen 24 mal 18 und 190 mal 120 Zentimeter, unterschiedlich auch die Bearbeitungs-Methodik der Materialien, die in glatten Ur-Formen und/oder Faltungen bis hin zur Collage mehrerer Stoffe reichen.
Christa Walters hat mit dem Ausstellungs-Titel auch den Maßstab gesetzt, großes Angebot jeweils viel Potenzial zur Interpretation in Auge und Hirn der Betrachter. Und zu entdecken gibt es in Farbflächen, Linien, Worten etc. „zahlreiche Geheimnisse“, wie Christine Vogt dynamisch auf ihrem Weg durch die drei Ausstellungsräume als Anregung mitgab, gefolgt von mehr als einer halben Hundertschaft von Kunst-Interessenten, die die klaren Vorstellungen der Kunsthistorikerin im Alten Rathaus immer wieder schätzen.
Dem aufmerksamen Beobachter der Ausstellung wird es nicht entgangen sein: Es sind übrigens 44
Werke, nicht 43, wie Christa Walters, eine bekannte und anerkannte Künstlerin der Region, im Gespräch mit der Rheinischen Post auch mitteilen konnte – auch Ausstellungen werden schon mal nachgearbeitet zumindest in der Zahl, die Idee-Ologie definiert auch schon mal Räume nach.
An der Künstlerin schätzt Christine Vogt die Einbeziehung mehrerer Kunstgattungen, „Poesie mit Leichtigkeit“eigener Überlegungen und Zitate, sogar Musik findet Eingang in die Bilderwelt – mit „Herbst“hat Christa Walters eine Komposition geschaffen, für die sich ein New Yorker Pianist die Genehmigung eingeholt
hat, sie für seine Außendarstellung zu nutzen. Der „Herbst“vereinigt die Sparten Poesie, Musik und Malerei in Acryl auf Leinwand, sicher nicht häufig anzutreffen in der „informellen“Kunstwelt.
Vier kleinere Werke machen nicht nur für die Kunsthistorikerin deutlich sichtbar, dass sie Materialien aus ihrem Atelier in andere Zusammenhänge, Kompositionen gestellt hat – Leinwandstücke, Rahmentorsi stellen ebenfalls „Nacharbeiten“im Genre Bildende Kunst dar.
„Wann ist das Werk das, das das Werk ist?“Lesen von Kunst, auch in Malerei und Zeichnung ohne dargestellte Buchstaben, war die Empfehlung von Dr. Christine Vogt. Sicher eine fragende Lese-Hilfe für die Besucher der „Eine von 44 Möglichkeiten“.