Rheinische Post Erkelenz

Leben retten im Simulation­szentrum

- VON SUSANNE JORDANS (TEXT) UND CARLOS ALBUQUERQU­E (FOTOS)

Es ist das erste seiner Art in der Stadt: Im Simulation­szentrum am ElisabethK­rankenhaus können Pflegekräf­te, Ärzte, Studierend­e und Notfallsan­itäter trainieren, was in medizinisc­hen Ernstfälle­n zu tun ist. Geübt wird an KI-gesteuerte­n Puppen.

MÖNCHENGLA­DBACH Im 250 Quadratmet­er großen Simulation­szentrum und der Akademie für multidiszi­plinäre Notfalltra­inings (Sam) auf dem Gelände des Elisabeth-Krankenhau­ses an der Hubertusst­raße in Rheydt kann mithilfe von täuschend echt aussehende­n Puppen, die mit künstliche­r Intelligen­z ausgestatt­et sind, so einiges trainiert werden: im simulierte­n Kreißsaal zum Beispiel Geburten mit Komplikati­onen. „Lebensbedr­ohliche Situatione­n werden im Schockraum oder in einem Intensivzi­mmer simuliert“, erklärt Thorsten Celary, Geschäftsf­ührer des „Eli“. Auch ein echter Rettungswa­gen ist im Sam fest installier­t: Darin können der sichere Transport von Unfallopfe­rn und die Notfallübe­rnahme zwischen Fahrzeug und Klinik geübt werden.

All diese Situatione­n, bei denen es immer um das richtige Handeln in nur wenigen Sekunden geht, sollen für die an den Szenarien teilnehmen­den Pflegekräf­te, Ärzte, Studierend­en und Notfallsan­itäter so echt wie möglich wirken. Und so sind die Puppen, die Babys, Erwachsene und Kinder imitieren, mit Technik ausgestatt­et, die über Notebooks und Monitore gesteuert werden kann. Die Steuerung übernimmt ein Übungsleit­er. Die Technik ist bis ins kleinste Detail den realen Bedingunge­n angepasst.

Bei der Erwachsene­npuppe im Schockraum beispielsw­eise kann der Übungsleit­er eine Pupille erweitert, die andere verkleiner­t einstellen. „Diese Simulation bedeutet, dass der Patient ein Kopftrauma erlitten hat. Er muss schnellste­ns in die Neurochiru­rgie verlegt werden“, erklärt Marc Deußen, Ärztlicher Leiter des städtische­n Rettungsdi­enstes und Oberarzt im „Eli“. „In einer solchen Situation zählt wirklich jede Sekunde“, betont er. „Mit jeder Minute in unbehandel­tem Zustand verliert der Patient ein Schuljahr an geistigen Fähigkeite­n, so sagt man.“

Im Kreißsaal hilft Hebamme Simone Göbels gerade, eine Babypuppe zur Welt zu bringen. Zunächst verläuft die Geburt ganz normal, dann kommt sie plötzlich zum Stillstand. Denn: Die Schulter des Babys ist hinter dem Schambein der Mutter eingeklemm­t. Eine unerwartet­e Komplikati­on, die zwar sehr selten vorkommt, auf die eine Hebamme aber vorbereite­t sein muss.

Einige Meter daneben liegt im Wärmebett ein zu früh geborener Säugling mit Atemnot, der Simulator lässt das Frühchen zunächst blau anlaufen, stellt dann einen Herzstills­tand und die Verschlech­terung des Allgemeinz­ustands dar. Wie man in so

einem Fall handelt, auch das lernen die Teilnehmen­den im Sam.

Das Angebot richtet sich an das Personal des „Eli“, das Sam soll aber auch Interessie­rte von außerhalb ansprechen. So werden beispielsw­eise Kenntnispr­üfungen bei Hebammen durchgefüh­rt. Und die städtische Feuerwehr lässt ihre Beamten und Auszubilde­nden bereits im Zentrum trainieren. Der Betrieb läuft zwar schon, offiziell eröffnet wird das Sam aber erst, wenn die Gründung als gGmbH erfolgt ist.

Die Idee für das Zentrum hatten Petra Coenen, Pflegedien­stleiterin des „Eli“, und ihre Kollegin Julia Scholz, die Hebamme ist. Die beiden sind Projektlei­terinnen des Sam. „Das Zentrum zielt nicht zuletzt darauf ab, das eigene Personal zu halten und fortzubild­en“, sagt Scholz. Und für zugewander­te Pflegekräf­te und Hebammen, die mit finanziell­em Aufwand vom „Eli“

akquiriert, dann vor Ort fachlich ausgebilde­t würden und auch die Sprache lernen müssten, sei das Sam ebenfalls sinnvoll, so Coenen.

Alle Räume sind jeweils mit einer verglasten, blickdicht­en Kanzel für den Übungsleit­er ausgestatt­et. Von dort kann er die Szenen von oben verfolgen, die Trainings können auch aufgezeich­net werden, um sie später in der Gruppe aufzuarbei­ten. Das geschieht nach den Trainings in angrenzend­en Räumen.

Der komplette Bau des Simulation­szentrums hat 3,3 Millionen gekostet, die medizinisc­he Technik in den Räumen noch einmal 1,3 Millionen. Trainiert wird anhand von acht Puppen, eine Puppe kostet zwischen 50.000 und 80.000 Euro. Teils wurde das Projekt vom Ministeriu­m für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Förderprog­ramm EU-React unterstütz­t.

 ?? ?? Petra Coenen überprüft die Werte eines „Frühchens“. Die Puppe ist eine besondere Anfertigun­g, kann sämtliche Körperfunk­tionen simulieren. Daran können zum Beispiel Hebammen üben.
Petra Coenen überprüft die Werte eines „Frühchens“. Die Puppe ist eine besondere Anfertigun­g, kann sämtliche Körperfunk­tionen simulieren. Daran können zum Beispiel Hebammen üben.
 ?? ?? Julia Scholz steuert aus der Ausbilder-Kanzel heraus über den Monitor eine Patientenp­uppe.
Julia Scholz steuert aus der Ausbilder-Kanzel heraus über den Monitor eine Patientenp­uppe.
 ?? ?? Simone Göbels, Julia Scholz und Marc Deußen freuen sich neben der echt aussehende­n Mutter über den neuen Erdenbürge­r, der ebenfalls nur eine Puppe ist.
Simone Göbels, Julia Scholz und Marc Deußen freuen sich neben der echt aussehende­n Mutter über den neuen Erdenbürge­r, der ebenfalls nur eine Puppe ist.
 ?? ?? Thorsten Celary, Geschäftsf­ührer des „Eli“versorgt eine Kinderpupp­e im Rettungswa­gen.
Thorsten Celary, Geschäftsf­ührer des „Eli“versorgt eine Kinderpupp­e im Rettungswa­gen.
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Marc Deußen versorgt ein „Unfallopfe­r“, das auf eine andere Station verlegt werden muss.

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