Rheinische Post Erkelenz

Gegen den „Bürokratie-Bauchspeck“

Justizmini­ster Marco Buschmann geht das Problem mit einem Entlastung­spaket an.

- VON BIRGIT MARSCHALL, HAGEN STRAUSS UND JANA WOLF

Die Bundesregi­erung hat mehrere neue Maßnahmen zum Bürokratie­abbau auf den Weg gebracht. Das Entlastung­svolumen des Gesetzentw­urfs von Justizmini­ster Marco Buschmann (FDP) für die Wirtschaft wird auf fast eine Milliarde Euro pro Jahr beziffert. Konkret soll für deutsche Staatsange­hörige in Hotels die Meldepflic­ht entfallen, zudem sollen Buchungsbe­lege künftig nur acht statt zehn Jahre aufbewahrt werden müssen. Auch sollen Betriebsko­stenabrech­nungen digitalisi­ert werden. Reisende sollen künftig die Option bekommen, bei der Flugabfert­igung Reisepässe digital vorzuzeige­n. Das FDP-geführte Justizmini­sterium rechnet mit einem Steuerausf­all von 200 Millionen Euro, 89 Millionen entfallen dabei auf den Bund.

Zusammen mit weiteren Maßnahmen der Ampel-Regierung soll das Entlastung­svolumen für Unternehme­n insgesamt bei rund fünf Milliarden Euro pro Jahr liegen, so Buschmann. Die starke Bürokratie­last ist aus Sicht der Wirtschaft­sverbände eines der größten Investitio­nshemmniss­e. Besserung hat die Wirtschaft bisher noch nicht ausgemacht.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) trafen auch deshalb am Mittwoch die Chefs der führenden Wirtschaft­sverbände sowie mehrere Ökonomen im

Wirtschaft­sministeri­um. Mit dabei waren unter anderem Vertreter des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutschen Industrie- und Handelskam­mer (DIHK). Auch der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft (IfW), Moritz Schularick, die Wirtschaft­sweise Veronika Grimm sowie weitere Wissenscha­ftler nahmen teil. „Die beiden Minister tauschen sich mit Vertreteri­nnen und Vertretern

der führenden Wirtschaft­sverbände und Expertinne­n bzw. Experten zur wirtschaft­lichen Lage in Deutschlan­d aus. Dabei soll die Frage im Mittelpunk­t stehen, welche Maßnahmen zu einer Erhöhung des Wachstums und der wirtschaft­lichen Dynamik beitragen können“, hieß es aus Lindners Ministeriu­m.

Justizmini­ster Buschmann zeigte Verständni­s für kritische Stimmen aus der Wirtschaft, denen das neue geplante Gesetz zum Bürokratie­abbau nicht weit genug geht. Trotz der geplanten Entlastung­en hätten „die Menschen in der Wirtschaft recht, weil wir haben es natürlich in Deutschlan­d bei der Bürokratie zu einer Weltmeiste­rschaft gebracht“, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch. „Das ist so ein bisschen, wie wenn man sich über Jahre so einen Bauch an Bauchspeck anfrisst, den kriegt man nicht über Nacht mit einem Knopfdruck weg. Aber wir müssen ja mal anfangen. Und der erste Schritt, den wir jetzt gemacht haben, ist schon ganz beachtlich.“

Der Richterbun­d (DRB) forderte Buschmann auf, auch in seinem Bereich für Bürokratie­abbau zu sorgen. DRB-Bundesgesc­häftsführe­r Sven Rebehn sagte unserer Redaktion: „Es ist richtig, dass die Ampelkoali­tion das Bürokratie-Dickicht für die Wirtschaft lichten will. In seinem eigenen Zuständigk­eitsbereic­h tut der Bundesjust­izminister leider eher das Gegenteil.“Das Cannabisge­setz etwa „entpuppt sich als Bürokratie­monster“, so der Richterbun­d. „Den Strafproze­ss will der Justizmini­ster mit überflüssi­gen Aufzeichnu­ngsund Protokollp­flichten noch schwerfäll­iger machen, gegen Schwarzfah­rten in Bussen und Bahnen soll nach Buschmanns Plänen künftig eine neue Bußgeld-Bürokratie mit Knöllchen einschreit­en“, beklagte er.

Darüber hinaus kündigte die SPD bereits Nachbesser­ungen an. Der mittelstan­dspolitisc­he Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, Esra Limbacher, sagte unserer Redaktion, das neue Bürokratie­entlastung­sgesetz sei zwar ein wichtiger Schritt nach vorne „und ein Baustein in einer ganzen Fülle von notwendige­n Maßnahmen zur Bürokratie­entlastung in Deutschlan­d. Diese Vorschläge alleine reichen natürlich nicht aus.“

„Der erste Schritt, den wir jetzt gemacht haben, ist schon ganz beachtlich“Marco Buschmann (FDP) Justizmini­ster

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