Schlagabtausch mit Pistorius im Rücken
Das Wortgefecht zwischen Kanzler und Union im Bundestag in der Taurus-Debatte wird teils heftig. An seinem Nein lässt Olaf Scholz keinen Zweifel aufkommen. Der Verteidigungsminister eilt zur Unterstützung.
Olaf Scholz (SPD) will nicht lang um den heißen Brei herumreden. Ihm ist klar, worum es bei dieser Kanzlerbefragung im Bundestag vor allem gehen wird: Die Union will ihn in der Debatte um die Lieferung deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine grillen. Sein Veto prüfen. Taurus, lateinisch für Stier, ist eine gewaltige Waffe mit 500 Kilometern Reichweite und enormer Sprengkraft, die nahezu jeden Bunker knackt.
Scholz, der ohne seine Aktentasche in den Plenarsaal gekommen ist, hat sich auf einem Zettel ein paar Punkte für die einleitenden Worte notiert. „Ich will auch gerne den Stier bei den Hörnern packen“, sagt er zu Beginn. Er wolle noch einmal ausdrücklich sagen, dass es aus seiner Sicht „dringend notwendig ist, dass wir bei allen Entscheidungen, gerade wenn wir so viel unternehmen und wenn wir so viele Dinge auch auf den Weg bringen, es zentral bleibt, dass wir jede einzelne Entscheidung sorgfältig abwägen“.
Scholz bekräftigt im Bundestag seine Argumentation. Weil mit dem Taurus russisches Territorium bis nach Moskau erreicht werden kann, will er die Kontrolle über diese Waffe nicht den Ukrainern überlassen. Um selbst die Kontrolle zu behalten, müssten sich aber deutsche Soldaten an der Zielsteuerung beteiligen – von Deutschland aus oder in der Ukraine. Beides kommt für Scholz nicht infrage, weil das aus seiner Sicht eine Verwicklung in den Krieg bedeuten könnte. Einem solchen Einsatz deutscher Soldaten müsste auch der Bundestag zustimmen, wenn man rechtlich auf der sicheren Seite sein will. In anderen Ländern wie Großbritannien und Frankreich ist das nicht der Fall.
Kurz nach den einleitenden Worten des Kanzlers betritt Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) den Plenarsaal, setzt sich direkt hinter Scholz. Es ist kein Muss, dass er dabei ist. Es ist vielmehr eine Geste, ein Zeichen der Unterstützung. Kanzler und Verteidigungsminister sind auf einer Linie beim Taurus. Pistorius verfolgt die Debatte aufmerksam. Er runzelt ab und zu die Stirn bei Fragen aus der Unionsfraktion. Etwa, als der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen Scholz vorwirft, „widersprüchlich“zu argumentieren. Er verweist darauf, dass Frankreich
und Großbritannien bereits eigene Marschflugkörper an die Ukraine geliefert hätten, Scholz sie aber nicht als Kriegsbeteiligte sehe. Im Falle Deutschlands lehne er aber die Lieferung wegen einer drohenden Kriegsbeteiligung ab. „Sie
spielen nicht mit klaren Karten“, beschuldigt Röttgen den Kanzler. Scholz ziele darauf ab, „die Öffentlichkeit in dieser Frage zu täuschen“.
Scholz ist jetzt aufgebracht. Täuschung will er sich nicht vorwerfen lassen. Niemand werde durch Waffenlieferungen
zur Kriegspartei, sagt Scholz. Ergänzt aber: „So, wie das in Frankreich und Großbritannien gemacht wird, geht das für uns nicht.“Und dann wird es persönlich: „Was mich ärgert ist, sehr geehrter Abgeordneter, lieber Norbert, dass du alles weißt und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist. Ich glaube, das sollte in einer Demokratie nicht der Fall sein“, sagt der Kanzler. Nun ist Röttgen aufgebracht, bekommt von Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ausnahmsweise eine weitere Gelegenheit zur Entgegnung und weist Scholz’ Unterstellung entschieden zurück. Scholz habe seine wahren Motive nicht erläutert, habe ein Dreivierteljahr geschwiegen dazu und an der vergangenen Parlamentsdebatte nicht teilgenommen. Kurz danach steht Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) auf, geht zwei Reihen nach hinten zu Röttgen. Spricht mit ihm, ebenfalls eine Geste der Unterstützung.
Röttgen wie auch weitere Fragesteller der Unionsfraktion versuchen, Scholz in die Enge zu treiben. Ihm nachzuweisen, dass er der Ukraine misstraue, wenn er zwingend die Taurus-Kontrolle bei deutschen Soldaten sieht. „Wir vertrauen der Ukraine“, sagt Scholz, bleibt eine klare Erklärung aber schuldig. Und auch die Frage, warum Scholz der Ukraine die Zielsteuerung nicht allein überlassen will, bleibt offen.
Am Donnerstag will die Union im Bundestag einen Antrag für eine Lieferung einbringen und hofft auf Stimmen auch von FDP und Grünen. In beiden Fraktionen kritisieren etliche Abgeordnete die Position des Kanzlers. Am Freitag wird Scholz in Berlin Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk empfangen. Scholz macht im Bundestag deutlich, dass die Zusammenarbeit mit Frankreich eng sei – auch wenn es zuletzt Meinungsverschiedenheiten etwa zum Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine gab.
Andere Themen rücken bei der Befragung in den Hintergrund. Angesprochen auf die vielen Streiks macht Scholz klar, dass er am Streikrecht nicht rütteln wolle. Als dann die Befragung nach gut einer Stunde endet, ist auch Pistorius schnell wieder aus dem Plenarsaal verschwunden. Die Geste der Unterstützung haben alle mitbekommen.