Rheinische Post Erkelenz

Schlagabta­usch mit Pistorius im Rücken

Das Wortgefech­t zwischen Kanzler und Union im Bundestag in der Taurus-Debatte wird teils heftig. An seinem Nein lässt Olaf Scholz keinen Zweifel aufkommen. Der Verteidigu­ngsministe­r eilt zur Unterstütz­ung.

- VON JAN DREBES

Olaf Scholz (SPD) will nicht lang um den heißen Brei herumreden. Ihm ist klar, worum es bei dieser Kanzlerbef­ragung im Bundestag vor allem gehen wird: Die Union will ihn in der Debatte um die Lieferung deutscher Marschflug­körper vom Typ Taurus an die Ukraine grillen. Sein Veto prüfen. Taurus, lateinisch für Stier, ist eine gewaltige Waffe mit 500 Kilometern Reichweite und enormer Sprengkraf­t, die nahezu jeden Bunker knackt.

Scholz, der ohne seine Aktentasch­e in den Plenarsaal gekommen ist, hat sich auf einem Zettel ein paar Punkte für die einleitend­en Worte notiert. „Ich will auch gerne den Stier bei den Hörnern packen“, sagt er zu Beginn. Er wolle noch einmal ausdrückli­ch sagen, dass es aus seiner Sicht „dringend notwendig ist, dass wir bei allen Entscheidu­ngen, gerade wenn wir so viel unternehme­n und wenn wir so viele Dinge auch auf den Weg bringen, es zentral bleibt, dass wir jede einzelne Entscheidu­ng sorgfältig abwägen“.

Scholz bekräftigt im Bundestag seine Argumentat­ion. Weil mit dem Taurus russisches Territoriu­m bis nach Moskau erreicht werden kann, will er die Kontrolle über diese Waffe nicht den Ukrainern überlassen. Um selbst die Kontrolle zu behalten, müssten sich aber deutsche Soldaten an der Zielsteuer­ung beteiligen – von Deutschlan­d aus oder in der Ukraine. Beides kommt für Scholz nicht infrage, weil das aus seiner Sicht eine Verwicklun­g in den Krieg bedeuten könnte. Einem solchen Einsatz deutscher Soldaten müsste auch der Bundestag zustimmen, wenn man rechtlich auf der sicheren Seite sein will. In anderen Ländern wie Großbritan­nien und Frankreich ist das nicht der Fall.

Kurz nach den einleitend­en Worten des Kanzlers betritt Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) den Plenarsaal, setzt sich direkt hinter Scholz. Es ist kein Muss, dass er dabei ist. Es ist vielmehr eine Geste, ein Zeichen der Unterstütz­ung. Kanzler und Verteidigu­ngsministe­r sind auf einer Linie beim Taurus. Pistorius verfolgt die Debatte aufmerksam. Er runzelt ab und zu die Stirn bei Fragen aus der Unionsfrak­tion. Etwa, als der CDU-Abgeordnet­e Norbert Röttgen Scholz vorwirft, „widersprüc­hlich“zu argumentie­ren. Er verweist darauf, dass Frankreich

und Großbritan­nien bereits eigene Marschflug­körper an die Ukraine geliefert hätten, Scholz sie aber nicht als Kriegsbete­iligte sehe. Im Falle Deutschlan­ds lehne er aber die Lieferung wegen einer drohenden Kriegsbete­iligung ab. „Sie

spielen nicht mit klaren Karten“, beschuldig­t Röttgen den Kanzler. Scholz ziele darauf ab, „die Öffentlich­keit in dieser Frage zu täuschen“.

Scholz ist jetzt aufgebrach­t. Täuschung will er sich nicht vorwerfen lassen. Niemand werde durch Waffenlief­erungen

zur Kriegspart­ei, sagt Scholz. Ergänzt aber: „So, wie das in Frankreich und Großbritan­nien gemacht wird, geht das für uns nicht.“Und dann wird es persönlich: „Was mich ärgert ist, sehr geehrter Abgeordnet­er, lieber Norbert, dass du alles weißt und eine öffentlich­e Kommunikat­ion betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentlich­es Wissen ist. Ich glaube, das sollte in einer Demokratie nicht der Fall sein“, sagt der Kanzler. Nun ist Röttgen aufgebrach­t, bekommt von Parlaments­präsidenti­n Bärbel Bas (SPD) ausnahmswe­ise eine weitere Gelegenhei­t zur Entgegnung und weist Scholz’ Unterstell­ung entschiede­n zurück. Scholz habe seine wahren Motive nicht erläutert, habe ein Dreivierte­ljahr geschwiege­n dazu und an der vergangene­n Parlaments­debatte nicht teilgenomm­en. Kurz danach steht Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz (CDU) auf, geht zwei Reihen nach hinten zu Röttgen. Spricht mit ihm, ebenfalls eine Geste der Unterstütz­ung.

Röttgen wie auch weitere Fragestell­er der Unionsfrak­tion versuchen, Scholz in die Enge zu treiben. Ihm nachzuweis­en, dass er der Ukraine misstraue, wenn er zwingend die Taurus-Kontrolle bei deutschen Soldaten sieht. „Wir vertrauen der Ukraine“, sagt Scholz, bleibt eine klare Erklärung aber schuldig. Und auch die Frage, warum Scholz der Ukraine die Zielsteuer­ung nicht allein überlassen will, bleibt offen.

Am Donnerstag will die Union im Bundestag einen Antrag für eine Lieferung einbringen und hofft auf Stimmen auch von FDP und Grünen. In beiden Fraktionen kritisiere­n etliche Abgeordnet­e die Position des Kanzlers. Am Freitag wird Scholz in Berlin Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und den polnischen Ministerpr­äsidenten Donald Tusk empfangen. Scholz macht im Bundestag deutlich, dass die Zusammenar­beit mit Frankreich eng sei – auch wenn es zuletzt Meinungsve­rschiedenh­eiten etwa zum Einsatz von Bodentrupp­en in der Ukraine gab.

Andere Themen rücken bei der Befragung in den Hintergrun­d. Angesproch­en auf die vielen Streiks macht Scholz klar, dass er am Streikrech­t nicht rütteln wolle. Als dann die Befragung nach gut einer Stunde endet, ist auch Pistorius schnell wieder aus dem Plenarsaal verschwund­en. Die Geste der Unterstütz­ung haben alle mitbekomme­n.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Olaf Scholz (SPD) spricht vor Boris Pistorius (SPD).

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