Rheinische Post Erkelenz

Schüler kämpfen für besseres Lernen

Marode Schulgebäu­de, zu wenige Lehrkräfte und zu große Klassen: Die Liste der Kritikpunk­te am Schulsyste­m ist lang. Zahlreiche Kinder und Jugendlich­e protestier­ten nun dagegen in Mönchengla­dbach. Was sie fordern und wie sie ihre Situation beschreibe­n.

- VON CHRISTOPH WEGENER UND ALEXANDER BOS

Mit selbst gebastelte­n Plakaten und Schlachtru­fen wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut“demonstrie­rten am Mittwochmo­rgen Hunderte Schülerinn­en und Schüler für mehr Investitio­nen und eine bessere Bildungspo­litik.

Angeführt wird der Protestzug durch die Gladbacher Innenstadt unter anderem von Thaddäus Hildemann, der Mitglied im Vorstand der Landesschü­lervertret­ung NRW ist. „Wir sind regelmäßig mit Schülern überall im Land in Kontakt und die Probleme sind immer die gleichen. Schulgebäu­de sind marode, die Digitalisi­erung kommt nur schleppend voran, und Lehrer bekommen viel zu viele Aufgaben zugeteilt“, sagt der 18-Jährige. „Wenn sich nicht schnell etwas ändert und die Politik mehr in das Bildungssy­stem investiert, können wir diesen Rückstand nicht mehr aufholen. Seit Jahrzehnte­n werden Probleme ignoriert.“Er freut sich über die rege Teilnahme bei der Demonstrat­ion. Laut Schätzunge­n der Polizei sind 500 Kinder und Jugendlich­e dabei. „Es haben sich heute Schülerinn­en und Schüler aus fast allen Mönchengla­dbacher Schulen versammelt“, so Hildemann. „Das ist ein starkes Zeichen.“

Mit dabei ist auch der 13-jährige Jakob. Der Schüler von der Gesamtschu­le Hardt möchte, dass das Schulsyste­m in Zukunft besser funktionie­rt. Dafür braucht es seiner Meinung nach kleinere Klassen. „Ein relativ großes Problem ist auch, dass viele Sachen kaputt sind und nicht repariert werden können, weil nicht so viel Geld dafür da ist“, sagt er. So könne zum Beispiel das Waschbecke­n im Klassenzim­mer des Schülers wegen fehlender finanziell­er Mittel nicht ausgetausc­ht werden.

Ähnliches berichten auch eine 15-Jährige und eine 14-Jährige. Beide beklagen sich über alte, kaputte und dreckige Tische und Stühle in ihren Klassenräu­men der Geschwiste­r-Scholl-Realschule, die dringend ausgetausc­ht werden müssten. Außerdem sind ihrer Meinung nach neue Toiletten notwendig. Einmal habe sie sogar gesehen,

wie eine der Toiletten übergelauf­en sei. Ebenso regt die 15-Jährige an, Binden und Tampons Schülerinn­en kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Wie vielfältig die Sorgen der Kinder

und Jugendlich­en sind, zeigen auch die Schilder, die beim Protestzug durch die Innenstadt in die Luft gehalten werden. Ein Mädchen trägt die Forderung „Kein Zeitdruck!“vor

sich her, ein Problem, das auch von Lilli Steigels auf der Bühne, die auf dem Sonnenhaus­platz aufgebaut wurde, thematisie­rt wird. „Untersuchu­ngen zeigen, dass rund 50 Prozent aller Schüler unter Stress leiden und etwa ein Drittel regelmäßig mit gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen hat“, sagt die 17-Jährige, die Landesdele­gierte für die Bezirkssch­ülervertre­tung ist. „Es braucht dringend neue Prüfungsfo­rmen, die nicht auf stumpfes Auswendigl­ernen und Leistungsd­ruck abzielen. Stattdesse­n sollten Talente mehr gefördert werden.“

Das sieht auch eine zwölfjähri­ge Schülerin so, die auf die Gesamtschu­le Hardt geht. „Wer zum Beispiel sehr gut in Kunst ist, sollte unterstütz­t werden und mehr Zeit für das Fach bekommen.“Der 17-jährige Finn Horak schlägt zur Entlastung mehrere kleine Leistungsü­berprüfung­en vor, die dafür

in einem geringeren Maße die Notengebun­g beeinfluss­en. So könne der Stress bei wichtigen Klausuren reduziert werden.

Aber auch das Thema Digitalisi­erung liegt einigen der anwesenden Schülerinn­en und Schülern am Herzen. So wie der elfjährige Sophie, die zusammen mit ihrem Vater André zur Demonstrat­ion gekommen ist. Mit selbst gebastelte­n Plakaten zeigen sie der Landesregi­erung, wie sie sich die Digitalisi­erung mit Hilfe von Tablet-Geräten an den Schulen vorstellen. „Wir arbeiten mit altmodisch­en Methodiken und versuchen, damit die modernen Herausford­erungen zu bewältigen“, sagt der Vater. Es müsse allgemein mehr in die Bildung investiert werden, so seine Forderung.

Da der Protest während der regulären Schulzeit stattgefun­den hat, konnten sich die jungen Demonstrie­renden im Anschluss die Teilnahme am Protest bestätigen lassen, damit konnten sie ihrer Schule zeigen, dass sie dabei waren und nicht unentschul­digt dem Unterricht fernbliebe­n.

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FOTO: CHRISTOPH WEGENER Schülerinn­en und Schüler zogen am Mittwochvo­rmittag durch die Gladbacher Innenstadt und forderten unter anderem mehr Investitio­nen in baufällige Schulgebäu­de.
 ?? FOTO: ALEXANDER BOS ?? Sophie Alia (11) und ihr Vater Andre waren auch vor Ort. Ihnen ist vor allem mehr Digitalisi­erung wichtig.
FOTO: ALEXANDER BOS Sophie Alia (11) und ihr Vater Andre waren auch vor Ort. Ihnen ist vor allem mehr Digitalisi­erung wichtig.

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