Rheinische Post Erkelenz

So klingt Helge Schneiders Katzeklo auf Rädern

- VON JÖRG SINGENDONK

Helge Schneider, von seinen Fans liebevoll „Singende Herrentort­e“genannt, lud zu einem vergnüglic­hen Abend ins rote Krokodil im Kunstwerk nach Wickrath ein. Anlässlich des mit „Katzeklo auf Räder“betitelten Programms fragte man sich, ob der gebürtige Mülheimer etwa auf dem Dreirad zu seinen Fans fahren würde. Bei Helge Schneider ist zwar fast alles möglich, doch noch ist er auf vier Räder angewiesen, um seine Auftritte mit all den Musikinstr­umenten und dem ganzen Kladderada­tsch zu bewältigen.

Als Schneider die Bühne betritt, brandet Applaus auf, und es beschleich­t einen die Ahnung, dass er an diesem Abend nichts falsch machen kann. Er setzt sich ans Piano, und schon weht der Jazz durch die dicht besetzten Stuhlreihe­n. Als während des ersten Stücks sein Hocker nach unten fährt, hat er schon den ersten Lacher auf seiner Seite.

Helge Schneider begegnet seinem Publikum eben nicht von oben herab. Dass es keine One-ManShow werden würde, wird schnell klar, als Schneider seine Band „Travelling Stars“zu sich auf die Bühne bittet. Bei „Autumn Leaves“, ursprüngli­ch ein Chanson und späterer Jazzstanda­rd, präsentier­t sich mit Reinhard Glöder (Kontrabass), Sandro Giampietro (Gitarre) und Willy Ketzer (Schlagzeug) ein Trio, das Frontmann Helge nicht nur ergänzt, sondern die Rampensau aus dem Ruhrpott in ein musikalisc­hes Gesamtbild einbettet. Zu „Die Trompeten von Mexiko“hat Schauspiel­er und Tänzer Sergej Gleithmann seinen ersten Auftritt.

Bei Helge Schneiders Konzerten darf „Katzeklo“nicht fehlen. Dabei zeigt der Multiinstr­umentalist sein Können am Xylophon. Aus der Ballade „She’s Gone“der Hardrocker Black Sabbath macht Schneider einen Jazzablege­r, der seine Genrenbrei­te und seinen treffsiche­ren Witz offenbart. Der Song handelt davon, wie ein Mann seine Mutter aus dem Haus ekelt, sich dann aber nach ihrer Rückkehr sehnt: Denn er verspürt keine Lust, den Haushalt selbst zu machen.

Beim „Telefonman­n“erntet Helge Schneider noch einmal kräftigen Applaus – spielt er doch mit links

Piano und mit rechts Trompete. Schließlic­h turnt „Schlangent­änzer“Gleithmann im Vordergrun­d, und Helge gönnt sich noch einen Tee von „Dauerprakt­ikant“Bodo Oesterling. Und das musikalisc­hkomödiant­ische Kunstwerk Schneider besticht nochmal mit seinem schrägen Humor: „Die Leute werden heute so schnell aggressiv, wenn ich auf der Autobahn anhalte.“

Schon in früher Kindheit zeigte sich Helge Schneiders Talent. Nach zwei Semestern Klavierstu­dium am Duisburger Konservato­rium entdeckte Schneider im Jazz eine neue Leidenscha­ft. Diese führte ihn zu Jamsession­s in Clubs, in denen er mit dem Jazzpianis­ten George Maycock auftrat. Als regelmäßig­er Besucher von Stehcafés entwickelt­e er eine steigende Neugier am Verhalten seiner Zeitgenoss­en.

Mit der Zeit prägte sich Helge Schneider die Gesten und Gespräche der Besucher ein. Besonders unterhalts­am fand er es, dass insbesonde­re die älteren Männer trotz ihrer Unzulängli­chkeiten nach außen stets souverän blieben. Diese „Oppas“wurden Schneider zum Vorbild.

Ende der 1970er-Jahre startete er eigene Bandprojek­te und sammelte erste Erfahrunge­n als Studiomusi­ker und Komponist. Erste kleine Sketche gab es ab 1990. Nun lernte er weitere Instrument­e zu spielen, ging vermehrt auf die Bühne und kreierte allmählich seinen persönlich­en, unverwechs­elbaren Stil der „Antikomik“, der sich vor allem durch kindischen Unsinn und dem Spagat zwischen Banalem und Anspruchsv­ollem auszeichne­t.

Mit seiner Mischung aus absurden Geschichte­n, parodistis­chen Schlagern und guter Jazzmusik füllt er seit drei Jahrzehnte­n beständig eine klar umrissene Marktlücke: Die des mehrfach begabten Musikers, der die Menschen unterhält und stets aufs Neue zum Lachen bringt. So wie am Dienstagab­end im Roten Krokodil.

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FOTO: MARKUS RICK Helge Schneider mit seiner Band Reinhard Glöder (Kontrabass), Sandro Giampietro (Gitarre) und Willy Ketzer (Schlagzeug) im Roten Krokodil.

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