Rheinische Post Erkelenz

Ärger bei TSB: „Große Ungerechti­gkeit“

Während der vorläufige Insolvenzv­erwalter einen Investor für Tiefdruck Schwann-Bagel sucht und der Betrieb weiterläuf­t, ist der Frust bei Dutzenden Mitarbeite­nden besonders groß. Sie hatten hohe Abfindunge­n im Gegenzug zur Kündigung ausverhand­elt.

- VON ANDREAS GRUHN

Nach dem Insolvenza­ntrag beim Mönchengla­dbacher Traditions­unternehme­n Tiefdruck Schwann-Bagel ist der Frust in der Belegschaf­t groß. Die Produktion läuft zwar weiter mit Volldampf, einige der gut 180 Beschäftig­te trifft dieser Schritt aber besonders hart: Denn sie hatten mit dem Unternehme­n im Zuge eines Sozialplan­s zum Stellenabb­au vor mehr als einem halben Jahr hohe fünfstelli­ge und zum Teil sogar sechsstell­ige Abfindunge­n im Gegenzug zur Kündigung ausverhand­elt. Zwölf von ihnen verließen das Unternehme­n mit Beginn des Monats März, zwölf weitere folgen einen Monat später und fünf noch Ende April. Sie aber bekommen – zunächst jedenfalls – keine der ausverhand­elten Abfindunge­n ausbezahlt, obwohl sie schon Jahrzehnte in dem Unternehme­n tätig sind oder waren. Glück hatten in dem Fall die 18 Mitarbeite­nden, die noch nicht so lange bei TSB gearbeitet haben und daher kürzere Kündigungs­fristen hatten: Sie bekamen ihre Abfindunge­n gerade noch vor dem Insolvenza­ntrag Ende Februar im November, Dezember und Januar.

„Das ist eine große Ungerechti­gkeit“, schimpft einer der Mitarbeite­nden,

der eine hohe fünfstelli­ge Summe zu erwarten gehabt hätte. „Über Jahrzehnte haben wir sehr gerne für das Unternehme­n gearbeitet und hätten dies auch weiter getan. Jetzt aber bekommen wir keinen Cent.“Viele der Mitarbeite­nden hätten Jahrzehnte Schichtarb­eit hinter sich. „Man muss sich einmal überlegen, was das mit den Menschen macht.“

Der Sozialplan war im vergangene­n Jahr im Zuge der Übernahme des Unternehme­ns durch den französisc­hen Konzern Riccobono ausverhand­elt worden. Die Düsseldorf­er Eigner Bagel verkauften ihre Anteile an den neuen Gesellscha­fter, der mit der Bedingung einstieg, dass zwei der sechs Rotationsd­ruck-Maschinen

abgeschalt­et und in Summe 52 Kündigunge­n ausgesproc­hen werden. Dafür gab es einen Tarif-Sozialplan, der laut Betriebsra­t noch nicht abgeschlos­sen ist. 2,4 Millionen Euro standen Informatio­nen unserer Redaktion zufolge in Summe für Abfindunge­n bereit. Die Mitarbeite­nden, die nun noch basierend auf diese Vereinbaru­ng gehen, befürchten, davon nicht viel zu sehen. Löhne und Gehälter werden zwar über das Insolvenzg­eld von der Arbeitsage­ntur für drei Monate bezahlt. Aber keine Abfindunge­n – die sind nicht insolvenzg­eschützt.

Sie sind nun Gläubiger. Sie müssen ihre Forderung anmelden und werden dann wie alle anderen Gläubiger nach einer Quote abgefunden.

Wie hoch die ausfallen wird, hängt davon ab, wie der Insolvenzv­erwalter Markus Kier das Unternehme­n saniert und dafür Geld eintreibt – womöglich von einem Investor. Ein Betroffene­r flüchtet sich in Sarkasmus: „Am Ende bleibt vielleicht ein Abendessen übrig.“Und ein anderer: „Dann sind wir treuen und teuren Mitarbeite­r bald raus ohne Abfindung, und der Laden läuft weiter. Da ist mein Rechtsempf­inden stark gestört. Schlafen kann ich nicht mehr.“

Bei der Betriebsve­rsammlung am 29. Februar, bei der der Geschäftsf­ührer sowie der Insolvenzv­erwalter Kier die Belegschaf­t informiert­en, schlugen die Emotionen hoch, auch Tränen flossen. Viele aus der

Belegschaf­t taten ihren Unmut kund. Auch die mit den fehlenden Abfindunge­n. Die Gelder waren eingeplant: „Manche wollten ihr Haus damit abbezahlen kurz vor der Rente, andere haben ein neues Auto gekauft, andere wollten das als Startkapit­al nutzen und sich selbststän­dig machen“, sagt ein Mitarbeite­nder. Der Betriebsra­t wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Bei TSB werden wöchentlic­h Millionen-Auflagen gedruckt. Allein die TV-Zeitschrif­t Prisma, die als Beilage auch in dieser Zeitung erscheint, hatte Anfang März eine Auflage von mehr als sieben Millionen Exemplaren. Kataloge und Werbeprodu­kte wie „Einkauf aktuell“gehören ebenso dazu.

Insolvenzv­erwalter Kier teilte auf Anfrage unserer Redaktion zum Stand des Verfahrens mit: „Der vorläufige Insolvenzv­erwalter hat sich in den vergangene­n Tagen einen ersten Überblick verschafft und die Gespräche mit allen wesentlich­en Beteiligte­n aufgenomme­n“, so ein Sprecher. „Wenn es die Umstände zulassen, ist die Sanierung eines Unternehme­ns immer das zentrale Ziel, da sich auf diese Weise in der Regel die Insolvenzg­läubiger bestmöglic­h befriedige­n lassen. Der Fokus liegt jetzt zunächst auf der Stabilisie­rung des Geschäftsb­etriebs. Kurzfristi­g wird der vorläufige Insolvenzv­erwalter einen Investoren­prozess anstoßen, um einen Käufer zu finden, der bereit ist, in das Unternehme­n zu investiere­n und es weiterzuen­twickeln.“Zum Sozialplan und den ausstehend­en Abfindunge­n teilte der Sprecher mit: „Das ist auch ein Vorgang, den der vorläufige Insolvenzv­erwalter sich in den nächsten Wochen ansehen wird.“Dies werde dann mit den betroffene­n Parteien besprochen.

Darauf hoffen die weiter Beschäftig­ten wie auch diejenigen, die das Unternehme­n verlassen: „Es tut weh, so gehen zu müssen.“

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FOTO: ANDREAS GRUHN Das Unternehme­n Tiefdruck Schwann-Bagel in Mönchengla­dbach-Neuwerk produziert trotz vorläufige­r Insolvenz weiter. Der vorläufige Insolvenzv­erwalter sucht derweil einen Investor.

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