Ärger bei TSB: „Große Ungerechtigkeit“
Während der vorläufige Insolvenzverwalter einen Investor für Tiefdruck Schwann-Bagel sucht und der Betrieb weiterläuft, ist der Frust bei Dutzenden Mitarbeitenden besonders groß. Sie hatten hohe Abfindungen im Gegenzug zur Kündigung ausverhandelt.
Nach dem Insolvenzantrag beim Mönchengladbacher Traditionsunternehmen Tiefdruck Schwann-Bagel ist der Frust in der Belegschaft groß. Die Produktion läuft zwar weiter mit Volldampf, einige der gut 180 Beschäftigte trifft dieser Schritt aber besonders hart: Denn sie hatten mit dem Unternehmen im Zuge eines Sozialplans zum Stellenabbau vor mehr als einem halben Jahr hohe fünfstellige und zum Teil sogar sechsstellige Abfindungen im Gegenzug zur Kündigung ausverhandelt. Zwölf von ihnen verließen das Unternehmen mit Beginn des Monats März, zwölf weitere folgen einen Monat später und fünf noch Ende April. Sie aber bekommen – zunächst jedenfalls – keine der ausverhandelten Abfindungen ausbezahlt, obwohl sie schon Jahrzehnte in dem Unternehmen tätig sind oder waren. Glück hatten in dem Fall die 18 Mitarbeitenden, die noch nicht so lange bei TSB gearbeitet haben und daher kürzere Kündigungsfristen hatten: Sie bekamen ihre Abfindungen gerade noch vor dem Insolvenzantrag Ende Februar im November, Dezember und Januar.
„Das ist eine große Ungerechtigkeit“, schimpft einer der Mitarbeitenden,
der eine hohe fünfstellige Summe zu erwarten gehabt hätte. „Über Jahrzehnte haben wir sehr gerne für das Unternehmen gearbeitet und hätten dies auch weiter getan. Jetzt aber bekommen wir keinen Cent.“Viele der Mitarbeitenden hätten Jahrzehnte Schichtarbeit hinter sich. „Man muss sich einmal überlegen, was das mit den Menschen macht.“
Der Sozialplan war im vergangenen Jahr im Zuge der Übernahme des Unternehmens durch den französischen Konzern Riccobono ausverhandelt worden. Die Düsseldorfer Eigner Bagel verkauften ihre Anteile an den neuen Gesellschafter, der mit der Bedingung einstieg, dass zwei der sechs Rotationsdruck-Maschinen
abgeschaltet und in Summe 52 Kündigungen ausgesprochen werden. Dafür gab es einen Tarif-Sozialplan, der laut Betriebsrat noch nicht abgeschlossen ist. 2,4 Millionen Euro standen Informationen unserer Redaktion zufolge in Summe für Abfindungen bereit. Die Mitarbeitenden, die nun noch basierend auf diese Vereinbarung gehen, befürchten, davon nicht viel zu sehen. Löhne und Gehälter werden zwar über das Insolvenzgeld von der Arbeitsagentur für drei Monate bezahlt. Aber keine Abfindungen – die sind nicht insolvenzgeschützt.
Sie sind nun Gläubiger. Sie müssen ihre Forderung anmelden und werden dann wie alle anderen Gläubiger nach einer Quote abgefunden.
Wie hoch die ausfallen wird, hängt davon ab, wie der Insolvenzverwalter Markus Kier das Unternehmen saniert und dafür Geld eintreibt – womöglich von einem Investor. Ein Betroffener flüchtet sich in Sarkasmus: „Am Ende bleibt vielleicht ein Abendessen übrig.“Und ein anderer: „Dann sind wir treuen und teuren Mitarbeiter bald raus ohne Abfindung, und der Laden läuft weiter. Da ist mein Rechtsempfinden stark gestört. Schlafen kann ich nicht mehr.“
Bei der Betriebsversammlung am 29. Februar, bei der der Geschäftsführer sowie der Insolvenzverwalter Kier die Belegschaft informierten, schlugen die Emotionen hoch, auch Tränen flossen. Viele aus der
Belegschaft taten ihren Unmut kund. Auch die mit den fehlenden Abfindungen. Die Gelder waren eingeplant: „Manche wollten ihr Haus damit abbezahlen kurz vor der Rente, andere haben ein neues Auto gekauft, andere wollten das als Startkapital nutzen und sich selbstständig machen“, sagt ein Mitarbeitender. Der Betriebsrat wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Bei TSB werden wöchentlich Millionen-Auflagen gedruckt. Allein die TV-Zeitschrift Prisma, die als Beilage auch in dieser Zeitung erscheint, hatte Anfang März eine Auflage von mehr als sieben Millionen Exemplaren. Kataloge und Werbeprodukte wie „Einkauf aktuell“gehören ebenso dazu.
Insolvenzverwalter Kier teilte auf Anfrage unserer Redaktion zum Stand des Verfahrens mit: „Der vorläufige Insolvenzverwalter hat sich in den vergangenen Tagen einen ersten Überblick verschafft und die Gespräche mit allen wesentlichen Beteiligten aufgenommen“, so ein Sprecher. „Wenn es die Umstände zulassen, ist die Sanierung eines Unternehmens immer das zentrale Ziel, da sich auf diese Weise in der Regel die Insolvenzgläubiger bestmöglich befriedigen lassen. Der Fokus liegt jetzt zunächst auf der Stabilisierung des Geschäftsbetriebs. Kurzfristig wird der vorläufige Insolvenzverwalter einen Investorenprozess anstoßen, um einen Käufer zu finden, der bereit ist, in das Unternehmen zu investieren und es weiterzuentwickeln.“Zum Sozialplan und den ausstehenden Abfindungen teilte der Sprecher mit: „Das ist auch ein Vorgang, den der vorläufige Insolvenzverwalter sich in den nächsten Wochen ansehen wird.“Dies werde dann mit den betroffenen Parteien besprochen.
Darauf hoffen die weiter Beschäftigten wie auch diejenigen, die das Unternehmen verlassen: „Es tut weh, so gehen zu müssen.“