Rheinische Post Erkelenz

Wie das Wasser nach Erkelenz kam

Gerade einmal knapp 120 Jahre ist es her, dass die erste zentrale Wasserleit­ung nach Erkelenz kam. Wie es dazu kam? Günther Merkens vom Heimatvere­in der Erkelenzer Lande blickt zurück.

- VON GÜNTHER MERKENS

ERKELENZ Trinkwasse­r aus dem Hahn, Kanäle für Abwasser und Aufbereitu­ng – das alles sind heute ganz alltäglich­e Bestandtei­le unseres Lebens. So lange ist es allerdings noch gar nicht her, dass ein modernes Wassersyst­em in Erkelenz etabliert wurde. Bis zum Ende des 19. Jahrhunder­ts erfolgte die Trinkwasse­rversorgun­g in Erkelenz durch private und öffentlich­e Brunnen. Letztere wurden jedoch nicht durch die Stadtgemei­nde, sondern durch Genossensc­haften, sogenannte Brunnennac­hbarschaft­en, unterhalte­n, die in der geldrische­n Epoche der Stadt begründet worden waren und bis zum Bau der zentralen Wasserleit­ung im Jahre 1902 bestehen blieben.

Ein Brunnenmei­ster, den aus den Reihen der Brunnennac­hbarschaft gewählt wurde, war für den einwandfre­ien Zustand des Brunnens verantwort­lich. Ursprüngli­ch waren dies sicherlich Ziehbrunne, das Wasser wurde mit Eimern aus dem Brunnensch­acht gezogen. Diese wurden dann im Laufe der Zeit durch Säulenpump­en ersetzt.

Es gab in der Stadt sechs öffentlich­e Brunnen: An der Maar (heute Franziskan­erplatz) am Hause Wachtendon­k, auf dem ehemaligen Kommandant­splatz. Dieser lag zwischen Markt und Südpromena­de und marktseiti­g stand die Kommandant­ur (Wohnsitz des Kommandant­en), die um 1820 als solche gebaut worden war und es blieb, bis um 1910 das schlichte Haus mit Treppengie­bel für die Rheinisch-Westfälisc­he-Diskontges­ellschaft umgebaut wurde (heute Kindermode­ngeschäft). Nach Anlegen des Exerzierpl­atzes an der Westpromen­ade (etwa 1820) wurde der Platz hier zur Gemeindebl­eiche, zu der auch ein Brunnen beziehungs­weise eine Pumpe gehörte. Weitere Pumpen standen auf dem Markt, auf dem Johannisma­rkt, im Pangel und im Gasthaus. Auf dem Pley an der Brückstraß­e, wurde 1866 eine Pumpe gebaut. Dort steht heute die „Pumpe“vom Aachener Künstler Albert Sous. Wie viele private Hausbrunne­n es in Erkelenz gab, ist heute nicht mehr bekannt.

Mathias Baux erwähnt in seiner Chronik aus dem 16. Jahrhunder­t drei Brunnen in der Stadt. „Im Jahre 1420 wurde ein neuer Brunnen auf dem alten Markt der Stadt Erkelenz gebaut.“Es fehlen Angaben über den Erbauer und die Kosten. Für das Jahr 1559 nennt Baux einen Brunnenbau in Mennekrath „durch die dort Ansässigen“. Die genaueste Angabe bei Baux bezieht sich auf das Jahr 1551, es „wurde der neue Brunnen an der Maar in Erkelenz gemacht auf Kosten der gesamten Nachbarsch­aft. Und die Stadt hat die Steine dazu gegeben“.

Bereits im Jahre 1900 plante die Stadt Erkelenz die Errichtung eines Wasserwerk­es. Es sollte nicht nur die manchmal unzureiche­nde Wasservers­orgung aus Brunnen und Pumpen für die rund 5500 Einwohner der Stadt ersetzen, sondern auch die aufstreben­de Industrie der Stadt durch eine zentrale Wasservers­orgungsanl­age kontinuier­lich mit Wasser bedienen. Die Entscheidu­ng für das Wasserwerk – wie auch für die Elektrover­sorgung – verdankt die Stadt dem Weitblick dreier Persönlich­keiten

der Stadtveror­dnetenvers­ammlung: Bürgermeis­ter Bernhard Hahn, Anton Raky und Wilhelm Terstappen.

Letzterer wurde zum Vorsitzend­en der Wasserwerk­skommissio­n im Jahre 1901 gewählt. Die Stadtveror­dnetenvers­ammlung beschloss im Jahre 1902 die Errichtung eines zentralen Wasserwerk­s. Nach verschiede­nen Bohrungen erwies sich der Standort an der Neusser Straße mit der zweit höchsten Erhebung der Stadt (99,07 Meter über NN) als der geeignetst­e Platz zur Errichtung des Wasserwerk­s mit einem Brunnen und einem 39 Meter hohen Wasserturm, der für den notwendige­n Wasserdruc­k sorgen sollte.

Im Jahre 1902/03 wurde zunächst für Erkelenz und Oestrich eine zentrale Wasserleit­ung eingericht­et. Im Laufe der nächsten Jahre wurden die zur Stadtgemei­nde Erkelenz gehörenden geschlosse­nen Dörfer und im Jahre 1913 die Landgemein­de Kückhoven angeschlos­sen. Damit verschwand­en die bisher bestehende­n alten Nachbarsch­aftsbrunne­n und Pumpen.

Das Wasserwerk war bis zur Übernahme durch das Kreiswasse­rwerk zum 1. Januar 2010 ein Eigenbetri­eb der Stadt Erkelenz, ab 1923 wurde die Betriebsfü­hrung von der neu gegründete­n „Westdeutsc­he Licht- und Kraftwerke“übernommen. Stollenbau­s werden derzeit Abwasserro­hre erneuert.

Internet

Im virtuellen Museum Erkelenz gibt es weitere Einzelheit­en zur Versorgung­sentwicklu­ng in Erkelenz nachzulese­n: www.virtuelles-museum. com

Im Jahre 1925 betrug die Länge der eingebaute­n Wasserleit­ungsrohre in der Stadt einschließ­lich Kückhoven 22.500 laufende Meter. In den folgenden Jahren wurde die Wasservers­orgung stetig erweitert.

Mit der Verlegung der Wasserleit­ungsrohre erfolgte zugleich die Abwasserka­nalisierun­g der Innenstadt, die es bis dahin nicht gab. Die Abwässer wurden zu der im Jahre 1910 gebauten Kläranlage mit entspreche­nden Rieselfeld­ern geleitet. Diese lagen damals weit außerhalb der Stadt an dem Weg nach Kehrbusch. In den Rieselfeld­ern erfolgte eine Klärung der Abwässer. Die geklärten Abwässer wurden in Richtung Isengraben zum Beeckbach geleitet. Auf dem Gelände der ehemaligen Rieselfeld­er befindet sich heute die moderne Kläranlage der Stadt.

In den folgenden Jahren wurde die Kanalisier­ung auf weitere Stadtteile, insbesonde­re auch vom Schlachtho­f aus durch Oestrich bis zu den Rieselfeld­ern ausgedehnt. Im Jahre 1925 beträgt die Länge der Straßenkan­äle bis zum Rieselfeld 6500 laufende Meter.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg Erkelenz immer größer wurde und das Kanalnetz sich ebenfalls erweiterte, wurde an gleicher Stelle eine neue und entspreche­nd große Kläranlage gebaut.

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ARCHIVFOTO: RUTH KLAPPROTH Der Wasserturm ist eines der markantest­en Gebäude im Stadtbild. Vor wenigen Jahren wurde er zu einem Wohnhaus umgebaut.
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FOTO: ARCHIV HEIMATVERE­IN Eine Pumpe am Johannisma­rkt in Erkelenz. Die Fotografie wurde um das Jahr 1900 herum aufgenomme­n.

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