Rheinische Post Erkelenz

Fasten mit Falafel-Geruch in der Nase

Für Familie Boushi ist der Ramadan eine besondere Zeit. Täglich sind die Mönchengla­dbacher in ihrem Imbiss während der Fastenzeit von Essen umgeben, nach Sonnenunte­rgang leben viele Traditione­n aus Syrien auf.

- VON CHRISTOPH WEGENER

RHEYDT Das Geschäft von Hussam Boushi und seiner Familie ist ein Ort voller Versuchung­en: Der Duft von frittierte­r Falafel und arabischem Kaffee liegt in der Luft, frische Zutaten stapeln sich in der kleinen Küche des Imbisses. Doch die kommenden Wochen wird Boushi bis zum Sonnenunte­rgang nichts davon anrühren. Der Ramadan hat begonnen – und damit die Zeit des Fastens. Von Essen umgeben zu sein, aber nichts essen zu dürfen, mache ihm nichts aus, sagt Boushi und stellt lächelnd einen Becher mit Kaffee auf den Tisch. Alles Gewöhnungs­sache. Seine Familie ist geübt darin, sich auf Neues einzustell­en.

Vor gut acht Jahren musste sie ihre Heimatstad­t Aleppo verlassen und kam nach Deutschlan­d. Auf dem Mönchengla­dbacher Christkind­lmarkt boten Hussam Boushi und seine Frau Bushra selbst gemachtes Essen an. Es wurde begeistert von den Besuchern aufgenomme­n, 2021 eröffnete die Familie die Mogambo Falafel Station.

Es ist ein neues Leben auf wenigen Quadratmet­ern an der Dahlener Straße, das viel Arbeit mit sich bringt. An diesem Nachmittag kommen immer wieder Kunden vorbei,

Boushi serviert, sein Bruder Mazen liefert Bestellung­en aus. Das Geschäft muss weitergehe­n – auch wenn der eigene Magen knurrt. Das Fasten im Ramadan ist für die Familie aber keine Bürde. „Der Verzicht ist gesund für den Körper und man lernt, selbstvers­tändliche Dinge wieder mehr zu schätzen“, sagt die Tochter Haya Boushi. Auch gehe es darum, ein besserer Mensch zu werden: Im Ramadan achte sie noch mehr darauf, sich in Geduld zu üben und nicht zu lügen. Die Elftklässl­erin nimmt sich Zeit – zur Selbstrefl­exion und für ihre Familie.

Der Imbiss schließt bis zum Ende des Fastenmona­ts etwas früher. Kunden kommen in den ersten Wochen sowieso wenige nach Sonnenunte­rgang vorbei, sagt Hussam Boushi. Die Menschen essen lieber bei der Familie und Freunden. Gestern haben die Boushis die Großeltern besucht, heute bleiben sie Zuhause. Traditione­ll wird zusammen gekocht und gebacken. Speisen wie das Maarouk-Brot aus süßem Hefeteig

kommen auf den Tisch. „Im Fastenmona­t werden auch besonders gute Fernsehser­ien veröffentl­icht“, sagt Haya Boushi und fügt lachend hinzu: „Es ist in jeder Hinsicht eine besondere Zeit.“Ihre Wohnung dekoriert

die Familie mit Laternen, Sternen und Halbmonden. Alles soll festlich sein. Mit dem Ramadan in Syrien sei die Zeit in Mönchengla­dbach aber nicht vergleichb­ar, sagt Hayas Mutter Bushra. Jedes

Mal im Fastenmona­t kommt bei ihr Heimweh auf. Dann muss sie an die geschmückt­en Straßen von Aleppo denken, die feierliche Stimmung, die dort alle ergreift, und die Rufe, die vom Minarett der Moschee aus Gebetszeit­en und das tägliche Fastenbrec­hen Iftar ankündigen. Mit den Verwandten in Syrien tauscht sich die Familie aus, feiert über Tausende Kilometer hinweg auch mit ihnen den Ramadan. Die Stimmung sei gut, auch wenn es den Menschen im vom Krieg gezeichnet­en Land an vielem fehlt: ob Wasser, Strom oder Essen. Im Fastenmona­t werde viel gespendet, sagt Boushi. Auch deswegen sei er so wichtig.

Die kommenden Wochen sind genau durchgetak­tet: Haya Boushi öffnet auf ihrem Handy eine Ramadan-App, auf der unter anderem die Rufe zum Gebet eingestell­t werden können und ein digitaler Kalender anzeigt, wann die Sonne auf- und untergeht. Die Familie steht meistens zwischen vier und fünf Uhr auf, frühstückt gemeinsam und achtet dabei darauf, nahrhafte und nicht zu salzige Speisen zu essen. Dann legt sich Haya noch einmal hin, bevor die Schule losgeht. Ihren Alltag mit dem Ramadan zu verbinden, sei kein Problem. Gebete holt sie etwa nach, wenn Zeit dafür ist.

Am 9. und 10. April läutet das Zuckerfest das Ende des Fastenmona­ts ein. „Der Ramadan ist leider immer viel zu schnell vorbei“, sagt Haya. Deswegen genieße sie jedes Gebet, jedes Essen mit der Familie und auch die Stunden im Imbiss. An diesem Abend wird der um 19 Uhr zugemacht, etwas früher als sonst. Die Dunkelheit legt sich gerade über Mönchengla­dbach, Straßenlat­ernen leuchten auf. Der gemeinsame Ramadan-Abend kann beginnen.

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FOTOS: CHRISTOPH WEGENER Hussam Boushi und seine Tochter Haya (r.) arbeiten in ihrem Imbiss an der Dahlener Straße – natürlich auch während des Ramadans.

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