Rheinische Post Erkelenz

Itakura auf die Sechs – warum nicht?

Auch im aktuellen Gladbacher Kader steckt Polyvalenz, stellenwei­se nutzt Trainer Gerardo Seoane sie schon aus. Doch es gibt noch mehr Optionen für Borussia, die eine Überlegung wert sein könnten – um Reize zu setzen und Probleme zu lösen.

- VON JANNIK SORGATZ

Der Sechser Christoph Kramer, der mehr ein Achter ist, hat vom Innenverte­idiger bis zum Zehner alles gespielt bei Borussia, teilweise innerhalb einer Partie. Und auch wenn manch eine Idee bei Ex-Trainer Daniel Farke am Ende überreizt wurde, ist der Ansatz, das Profil eines Profis auszuweite­n, oft lohnenswer­t. Lucien Favre hat den Begriff „Polyvalenz“so sehr geprägt, dass es einen nicht gewundert hätte, wenn der Trainer in einem gleichnami­gen Ort in der französisc­hen Schweiz geboren worden wäre.

Sein Nach-Nach-Nach-NachNach-Nachfolger Gerardo Seoane lebt die Flexibilit­ät bislang eher über System- als über positionsf­remde Personalwe­chsel. Doch ein paar Versuche hat es auch bei Favres Landsmann gegeben: Joe Scally durfte nach Stefan Lainers Rückkehr zuletzt wieder häufiger als Rechtsfuß auf links verteidige­n, so feierte er 2021 sein Bundesliga-Debüt. Und der Mittelstür­mer Nathan Ngoumou mag Ende des vergangene­n Jahres aus der Not geboren gewesen sein, aber es ging auf mit dem Siegtreffe­r gegen Hoffenheim. Nur die Variante mit Innenverte­idiger Max Wöber auf links erwies sich in der schwachen ersten Halbzeit in Mainz als Fehlbesetz­ung.

Wir haben weitere Ideen zusammenge­tragen, mit denen Seoane nach dem blamablen Pokal-Aus Reize für die letzten neun Ligaspiele setzen und den Konkurrenz­kampf noch mal anders entfachen könnte.

Ko Itakura auf der Sechs Der Japaner hat die meiste Zeit seiner Karriere dort verbracht, wo er seit seinem Wechsel zu Borussia im Sommer 2022 spielt: in der Innenverte­idigung. Doch gekommen war er, als Roland Virkus „einen polyvalent­en Spieler, der seine Kernpositi­on auf der Sechs haben soll“, suchte. In Itakura schien Borussia ihn gefunden zu haben. „Wir brauchen Stabilität. Was Ko so gut macht, ist, dass er sehr disziplini­ert und einfach spielt, damit gibt er einer Mannschaft Struktur“, sagte Virkus nach der Verpflicht­ung.

Stabilität und Struktur – nichts lieber als das hätte Borussia in dieser komplizier­ten Phase gerne. Kapitän Julian Weigl bemüht sich redlich, den Anforderun­gen Seoanes in Sachen Intensität und Aggressivi­tät zu genügen. Doch beim Versuch, seine Schwächen zu überwinden, geraten zunehmend Weigls Stärken in Vergessenh­eit. Im Vergleich dazu wäre Itakura wirklich der klarste Sechser im Kader, kein Achter, der den Sechserrau­m abdeckt. Erlauben könnte sich Seoane den Move angesichts von sechs ausgebilde­ten Innenverte­idigern im Kader.

Nico Elvedi auf rechts Der Sprint, mit dem sich der Schweizer 2017 in Position brachte, um sein erstes Tor für Borussia zu erzielen und das Derby gegen Köln zu entscheide­n, wurde jüngst noch einmal in Erinnerung gerufen. Laut „transferma­rkt. de“hat Elvedi 45 seiner fast 300 Spiele für Gladbach als Rechtsvert­eidiger gemacht. Ob Andreas Christense­n und Jannik Vestergaar­d oder Vestergaar­d und Matthias Ginter – bis 2018 hatten im Zentrum andere die Nase vorn.

Danach lief Elvedi noch genau einmal rechts hinten auf: Das war im vergangene­n Jahr, als er unter Seoane sein Comeback gegen die Bayern feierte, nachdem er aufgrund seiner ungeklärte­n Zukunft in den Standby-Modus versetzt worden war. Im Gesamtpake­t bringt Elvedi alles mit für die Rolle, weder Scally noch Lainer haben einen offensiven Output, der dagegenspr­äche, außen einen Innenverte­idiger einzusetze­n – so sind schon Weltmeiste­r aufgetrete­n.

Florian Neuhaus als hängende Spitze Über den Einfluss, den verletzung­sbedingte Ausfälle auf eine Mannschaft haben, lässt sich oftmals streiten. Dass Alassane Pleas Fehlen ein herber Verlust ist für Borussia, bedarf allerdings keiner Debatte. Von den vergangene­n acht Pflichtspi­elen hat er sieben verpasst aufgrund seiner Mittelfußp­rellung, der 45-Minuten-Einsatz zwischendu­rch gegen Darmstadt hat es eher verschlimm­ert.

Seit dem 5:2-Erfolg gegen Bochum versucht Neuhaus mit sehr vorzeigbar­em Engagement, die Kreativlüc­ke zu schließen. Womöglich würde ihn mehr Fokus auf die Offensive weiter befreien, und damit auch Borussia. Selbst als Achter kommt Neuhaus diese Saison auf 0,43 Expected Goals und Assists pro Spiel, Plea auf 0,55. Die 0,63 von Jordan und die 0,51 von Cvancara können sich genauso sehen lassen. Eine Kombinatio­n beider Typen in einem 3-5-2 war in der Regel ein Gewinn in dieser Saison.

Franck Honorat auf links Auf dem gegenüberl­iegenden Flügel treibt sich der Franzose bei Borussia nur herum, um Standards auszuführe­n. Honorats Heatmap dieser Saison ist auf rechts von hinten bis vorne rot, auf links gibt es rote Pünktchen nur an der Eckfahne und im Halbfeld. Dabei hat er bei Stade Brest in 30 seiner 109 Einsätze diese inverse Rolle bekleidet, dort wechselte sich Honorat mit Romain Del Castillo ab, der ebenfalls beide Seiten abdecken kann und in dieser Saison einer der besten Spieler in der Ligue 1 ist bei Überraschu­ngsteam Brest.

In Gladbach gibt es die Unwucht im Kader, dass der Klub in kurzer Zeit 16 Millionen Euro für Rechtsauße­n ausgegeben hat, die nur zusammen auflaufen können, wenn einer ausweicht. Bislang ist das in der Regel Nathan Ngoumou, was spricht gegen einen Tausch? Honorat könnte sich vor allem gegen tiefstehen­de Gegner, wenn er sein Tempo nicht ausspielen kann, in einer Rolle wie Vincenzo Grifo in Freiburg beweisen. Das würde ihn in den passenden Situatione­n wohl nicht schwächen und Ngoumou gleichzeit­ig stärken, zum Beispiel in Phasen wie zum Schluss in Saarbrücke­n.

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FOTO: DPA Fast schon vergessen: Ko Itakura wurde für die Sechserpos­ition nach Gladbach geholt.

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