Rheinische Post Erkelenz

Publikum in einer rechtsextr­emen Runde

Beim „Potsdamer Treffen“planten Politiker, Neonazis und finanzstar­ke Unternehme­r die Vertreibun­g von Millionen Menschen. Mitglieder des Theater-Ensembles gestaltete­n zum Thema eine szenische Lesung.

- VON ANGELA WILMS-ADRIANS

MÖNCHENGLA­DBACH Die Bühne im Wandelsaal ist vorbereite­t wie zu einer Podiumsdis­kussion. Fünf Stühle stehen neben ebenso vielen kleinen Tischen in Richtung des mit Besuchern knapp halb gefüllten Raums in der Zentralbib­liothek. So schlicht die Bühnengest­altung ist, so aufwühlend ist das Thema: der durch die Corrective-Recherche aufgedeckt­e rechtsextr­eme Geheimplan. Darüber wurde bekannt, dass beim Potsdamer Treffen hochrangig­e AfD-Politiker, Neonazis und finanzstar­ke Unternehme­r die Remigratio­n, also Vertreibun­g von Millionen Menschen mit deutschem Pass planten.

Esther Keil, Paula Emmrich, Bruno Wintzen, Cornelius Gebert und Matthias Oehlrich greifen das Thema in einer szenischen Lesung auf. Die Mitglieder des Ensembles am Theater Krefeld/Mönchengla­dbach lesen Texte ab und lassen doch unversehen­s schauspiel­erische Elemente einfließen. Diese werden zugleich über Hinweise, eine Bühnenfigu­r zu sein, als Illusion des Rollenspie­ls bewusst gemacht.

Die Veranstalt­ung verbindet drei

Teile: die vom Berliner Ensemble konzipiert­e Corrective-Lesung, eine Zusammenfa­ssung der von Thomas Blockhaus, Esther Wissen und Martin Schröder recherchie­rten Folgen aufgrund der Veröffentl­ichung und schließlic­h die Diskussion mit dem Publikum. Moderiert wird der Abend von Lars Meyer von der Demokratie­werkstatt Krefeld und Ensemblemi­tglied Esther Wissen.

Zur Lesung sind die Ensemblemi­tglieder Protokolla­nten der recherchie­rten Ergebnisse. Dabei halten sie sich an ihre Manuskript­e in der Hand. Doch über schauspiel­erische Mittel scheinen sie das Publikum in die rechtsextr­eme Runde des Potsdamer Treffens zu versetzen. Vorgeblich­e Korrekture­n an sprachlich­en Mitteln wie auch die Mahnung „Wir müssen korrekt sein“assoziiere­n wiederum Redaktions­besprechun­gen der mit der

Recherche befassten Journalist­en. Die Übergänge zu darsteller­ischen Mitteln sind fließend, während zugleich das Rollenspie­l betont ist. Als Ältester der Runde trägt Oehlrich die Pläne des jungen Identitäre­n Martin Sellner vor. Ein hochgehalt­enes Foto zeigt Sellners reales Gesicht. Ähnlich wird bei anderen Passagen verfahren, so auch zu Wintzens Einlage als rechtsextr­emistische­r Aktivist Gernot Mörig, der wiederholt die Geheimhalt­ung des Treffens und die Notwendigk­eit großer Spenden betont.

Die Aktualisie­rung zum Thema ist kurz und pragmatisc­h gestaltet. Angesproch­en werden zum Beispiel die zahlreiche­n Demonstrat­ionen gegen rechts und für Demokratie. Am Ende steht die Diskussion, die rasch an Fahrt gewinnt. Ein junger Mann fühlt sich beim rechtsextr­emen Geheimplan erinnert an die politische Situation in Deutschlan­d vor 100 Jahren. Er fragt: „Was hat die Zivilgesel­lschaft falsch gemacht, das dies alles wieder hochkommen konnte?“. Eine Frau vermutet eine mangelnde Aufarbeitu­ng des Nationalso­zialismus. Als Ursache genannt wird auch eine mögliche Arroganz in der Politik. Peter Brollik, Vorsitzend­er des Vereins „Lust am lesen“, hält nichts von einem allgemeine­n „Bashing“gegen Politiker. Doch er bekennt, eine andere Form der Wertschätz­ung in der Politik zu beobachten. Brollik bezeichnet eine Ausgrenzun­g innerhalb politische­r Lager als gefährlich. „Die demokratis­chen Parteien müssen bei aller Unterschie­dlichkeit eine Gemeinsamk­eit in der Meinungsve­rschiedenh­eit finden“, so sein Appell. Thema ist auch die Bedeutung sozialer Medien, vor allem das von der AfD ausgiebig genutzte Tic Toc-Format. Die Rechten von 1933 hätten auch schon gezielt die Medien genutzt, warnt Oehlrich. Hausherrin Brigitte Behrendt wirbt daher für Möglichkei­ten der freien und neutralen Informatio­n als Bausteine für demokratis­ches Bewusstsei­n.

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FOTO: MARKUS RICK Mitglieder des Schauspiel­ensembles stellten die Recherche der Initiative Corrective und ihre Folgen in einer szenischer Lesung dar. (v.l.) Paula Emmrich, Esther Keil, Cornelius Gebert, Matthais Oelrich und Bruno Wintzen.

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