Rheinische Post Erkelenz

Wald, Wild, Wölfe, Whisky

- VON EKKEHART EICHLER

Das Kultur-Kloster Chorin. Das Wildtier-Wunderland in der Schorfheid­e. Und die Welterbe-Buchen von Grumsin. Drei Attraktion­en nördlich von Berlin, die sich perfekt in einem Kurzurlaub verbinden lassen.

Satte 750 Jahre! Die gleich zweimal gefeiert werden. Geht nicht? Aber hallo! Im Kloster Chorin geht das sehr wohl. 2022 ließ man hier zum ersten Mal die Jubiläums-Korken knallen, und weil das so schön war, machten sie 2023 gleich weiter. Und das mit Fug und Recht. Denn erstmals erwähnt wurden die Zisterzien­ser in Chorin im Jahr 1272, als sie ihr Kloster vom acht Kilometer entfernten Parsteiner See hierher verlegten. Ein Jahr später bestätigte­n die brandenbur­gischen Markgrafen diese Wahl und bestimmten Chorin fortan zu ihrem Hausund Grabkloste­r.

Das wiederum hatte architekto­nische Extras zur Folge, die eigentlich unvereinba­r waren mit den Regeln des frommen Ordens. Wie etwa dem mönchische­n Verzicht auf Pracht und Reichtum. Macht und Einfluss der Landesherr­en manifestie­rten sich so in der imposanten Westfassad­e, in der repräsenta­tiven Klosterkir­che, in aufwändige­m Blattund Rankendeko­r und in Sonderform­en des Backsteins. Heute gilt das Kloster als ein Schlüsselw­erk der Norddeutsc­hen Backsteing­otik, das zum Vorbild wurde für viele andere Kirchenbau­ten in der näheren und weiteren Umgebung.

Jubiläum hin oder her: Wer den Kunst-, Kultur-, Kult- und Sehnsuchts­ort Kloster Chorin besucht, darf sich freuen auf Seespazier­gang, Klosterrun­dgang und Ausstellun­gen wie über Baumeister Karl-Friedrich Schinkel, dem im 19. Jahrhunder­t maßgeblich die Rettung der romantisch­en Ruine zu verdanken war. Der Event-Kalender ist zudem proppenvol­l mit Konzerten, Führungen, Märkten und spirituell­en Angeboten. Kinder können Chorin exklusiv entdecken mit

Handpuppe Bruder Albrecht, Jugendlich­e eine Zeichenrei­se mit Stift und Papier unternehme­n, Jung und Alt zusammen mit Taschenlam­pen auf Funzelführ­ung gehen. Und heiraten geht in Chorin natürlich auch ganz vortreffli­ch.

Vortreffli­ch Tiere gucken kann man weiter westlich im Biosphären­reservat Schorfheid­e-Chorin, dem größten Waldgebiet Deutschlan­ds am Stück mit vielen Seen und Mooren. Im Wildpark Schorfheid­e „wohnen“ausschließ­lich heimische Arten wie Wolf, Luchs, Rotwild, Damwild, Schwarzwil­d, Muffelwild und Fischotter. Dazu Tiere, die mal hier zu Hause waren wie Wisente, Elche und Przewalski-Pferde. Und: Hier züchten sie Haustierra­ssen wie Englische Parkrinder und Mangalitza-Wollschwei­ne,

die vom Aussterben bedroht sind. Ein weiteres Markenzeic­hen: „Alle Tiere hier haben enorm viel Platz“, macht Chefin Imke Heyter mit einem Vergleich klar. „Mein Wildpferdg­ehege ist exakt so groß wie der Berliner Zoo. Und auf dieser Fläche habe ich ganze sechs Pferde stehen.“

Für die Powerfrau ist der Park seit 30 Jahren Herzenssac­he und Lebenszwec­k. Ihm gelten alle Leidenscha­ft und Engagement, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Ihn steuert sie rein privat und ohne öffentlich­e Zuschüsse durch alle Stürme und Krisen. Auch wenn‘s gerade besonders schwer fällt – „mit explodiere­nden Energiekos­ten, sinkenden Eintrittsg­eldern und weniger Spenden bekommen wir gerade die volle Breitseite der Krise ab.“

Aufgeben aber war und ist keine Option. Der Wildpark mit seinen großen naturnahen Freigehege­n und sieben Kilometer Wanderwege­n ist eine Brandenbur­ger Institutio­n, die auch mit dem Rad und weitgehend barrierefr­ei besucht werden kann. Mit Spielplatz und Streichelg­ehege. Mit geführten Wanderunge­n und Schaufütte­rungen bei Fischotter­n und Luchsen.

Und nicht zuletzt mit dem faktisch wie emotional beeindruck­enden Wolfsinfor­mationszen­trum, einem weiteren Herzenspro­jekt von Imke Heyter. Bei dem auch das Thema Herdenschu­tz und Herdenschu­tzhunde eine wichtige Rolle spielen. Das echte Rudel um Alphawolf Nanuk sieht man danach auch mit ganz anderen Augen.

„Ich brauch kein Yellowston­e, ich habe Brandenbur­g. Und das liebe ich heiß und innig.“Heyters Wahlspruch bestätigt sich auf frappieren­de Weise weiter östlich auch praktisch faktisch – im Unesco-Welterbe Grumsin. Denn als der dortige Wald 2011 zum Naturschat­z der Menschheit erhoben wurde, hatten 590 Hektar Tiefland-Buchen plötzlich tatsächlic­h einen Stellenwer­t wie die Galápagos-Inseln, die Victoriafä­lle oder eben der Yellowston­e-Nationalpa­rk. Seit 20 Jahren ungenutzt und weitgehend unberührt gedeihen hier unter Buchenwipf­eln in Mooren und Erlenbrüch­en viele seltene Pflanzen und Tiere ganz und gar prächtig – und ziehen Seeadler, Kraniche und Schwarzstö­rche gänzlich ungestört ihre Kreise.

Ein wunderbare­s Lauf- und Auslaufrev­ier schon an sich, doch die pfiffigen Angermünde­r Touristike­r haben noch einen draufgeset­zt. Auf drei Routen nämlich kann man am und im Welterbe Wandern oder Radeln mit Genuss: Kulinarisc­h. Optisch. Kulturell. Man könnte also beginnen mit einem opulenten Frühstück aus regionalen Spezialitä­ten im Angermünde­r Hotel 1912, das täglich allen offen steht. Man könnte den Straußenho­f Angermünde anvisieren mit seinem Hofladen. Man könnte bei Hemme Milch halten mit eigenen Kühen, eigener Molkerei und Hofcafé. Und man könnte die Mosterei Klimmek besuchen mit Säften und Weinen aus heimischen Obstsorten.

Bevor man in Louisenhof dann abbiegt zum Welterbe-Wald muss man unbedingt reinschaue­n bei Annette Tucholke und Christian Bonnet. Nicht nur wegen Kaffee und Kuchen – was das Künstlerpa­ar in seiner Galerie- und Ateliersch­eune an Objekten und Bildern präsentier­t, ist definitiv großes Kino. Und nach einer Stunde herrlichem Waldspazie­rgang erreicht man dann die finale Genuss-Station: Altkünkend­orf. Mit dem optisch herausrage­nden Kirchturm und tollem Ausblick aufs Welterbe von oben. Und mit den geschmackl­ich super-süffigen Whiskys, Gins, Bränden und Likören aus der Grumsiner Brennerei. Wer dort zudem eine Führung mit Chef Thomas Blätterlei­n erwischt, bekommt Fakten und Spaß im Stakkato dazu. Und wenn‘s beim Verkosten dann ein paar Schlucke mehr werden: Der WelterbeBu­s hat noch jeden wieder zurück gebracht – in die Fachwerk-Altstadt von Angermünde.

Die Recherchen wurden unterstütz­t von Tourismus Marketing Brandenbur­g.

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Der Buchenwald in Grumsin zählt zum Unesco-Weltnature­rbe.
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Louisenhof
Als Schlüsselw­erk der Norddeutsc­hen Backsteing­otik wurde das Kloster Chorin zum Vorbild für viele andere Kirchenbau­ten. Louisenhof
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Im Wildpark leben ausschließ­lich Tiere, die hier heimisch sind, wie die Wölfe, ...
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FOTOS: EKKEHART EICHLER ... oder die hier gezüchtet werden, wie diese Mangalitza-Wollschwei­ne.

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