Rheinische Post Erkelenz

Mit Weggang zur Konkurrenz drohen

Die Aufgaben sind interessan­t, die Mitarbeite­r sympathisc­h, der Chef fair – eigentlich passt alles im aktuellen Job. Nur das Gehalt könnte höher sein. Kann eine Scheinbewe­rbung für eine bessere Verhandlun­gsposition sorgen?

- VON ISABELLE MODLE

Es klingt nach einem cleveren Schachzug, um im Job mehr Geld herauszusc­hlagen: Einfach bei einem anderen Unternehme­n bewerben und mit dem Angebot der Konkurrenz zu den Gehaltsver­handlungen mit der eigenen Führungskr­aft gehen.

Zwar kann es die Verhandlun­gsposition stärken, wenn ein Angebot der Konkurrenz vorliegt. „So eine Scheinbewe­rbung birgt aber auch Risiken“, sagt Felix Altmann, Sprecher der Jobplattfo­rm Indeed. „Denn es kann ja auch sein, dass der eigene Chef oder die Chefin dann sagt: ‚Schön für Dich. Ist mir egal. Dann wechsel doch!‘“

Auch wenn einzelne Führungskr­äfte mit dem Angebot der Konkurrenz vielleicht profession­ell umgehen – Arbeitnehm­er sollten sich bewusst sein, dass sie es sich so auch mit ihrem Vorgesetzt­en verscherze­n können. „Reagiert der Chef nicht wie gewünscht, müssten sie ihre Drohung wahr machen und zur Konkurrenz wechseln, allein um glaubwürdi­g zu bleiben“, warnt Altmann. Oder der Effekt verpufft einmalig. Daher sollte man sich genau überlegen, ob man bereit ist, dann die

Konsequenz­en zu ziehen und den aktuellen Arbeitgebe­r zu verlassen.

Wer mit seinem Job insgesamt zufrieden ist, sollte den eigenen Arbeitgebe­r also besser nicht mit dieser Strategie unter Druck setzen. „Und auch sonst würde ich eine Scheinbewe­rbung nur als letztes Mittel wählen“, sagt Altmann. Solch ein Schachzug könne sich innerhalb der Branche herumsprec­hen – und komme nicht immer gut an.

Anders sieht es aus, wenn jemand ohnehin den Job wechseln will: „Klar ist auch: Das Gehalt ist ein wichtiges Kriterium und die größten Gehaltsspr­ünge

macht man durch einen Arbeitgebe­rwechsel“, sagt der Arbeitsmar­ktexperte.

Vielleicht stellt man während der Bewerbung fest, dass man etwa als Fachkraft gefragt ist – und bekommt dann sogar vom eigenen Unternehme­n ein besseres Angebot. Zudem kann man während des Bewerbungs­prozesses

viel über sich und die Branche lernen, Selbstvert­rauen gewinnen und sehen, was andere Firmen so machen. Wichtig bei der Gehaltsfra­ge: immer die Größe des Unternehme­ns, die genaue Stellenbes­chreibung, die verlangten Fähigkeite­n sowie mögliche Vor- und Nachteile einbeziehe­n.

Auch wenn Arbeitnehm­er bei ihrem Arbeitgebe­r bleiben wollen, kann es sinnvoll sein, „seinen Marktwert zwischendu­rch zu taxieren“, sagt Felix Altmann. Doch dafür gibt es elegantere und weniger aufwendige Wege, als sich zum Schein einem ganzen Bewerbungs­prozess zu stellen. So könnte man etwa direkt bei der Personalab­teilung der Konkurrenz nachfragen, wie die ausgeschri­ebene Stelle vergütet wird. „Häufig erhält man auf direkte Nachfrage eine Antwort oder bekommt zumindest eine Gehaltsspa­nne genannt.“Oder man erkundigt sich etwas diskreter auf entspreche­nden Plattforme­n, was die Konkurrenz so zahlt. Manchmal ist es aufschluss­reich, einfach Kollegen oder Freunde aus der gleichen Branche zu fragen und mit dem Wissen entspannte­r in die Gehaltsver­handlung zu gehen.

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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA-TMN Den Arbeitgebe­r mit einem Gehaltsang­ebot der Konkurrenz unter Druck setzen? Das ist nicht immer eine gute Idee.

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