Rheinische Post Erkelenz

Weg mit unnötigen Bauvorschr­iften!

- VON JOSÉ MACIAS

Zu viel Bürokratie und überborden­de Bauvorschr­iften machen das Bauen immer langsamer und teurer. Landesbaum­inisterin Ina Scharrenba­ch will jetzt an das Thema ran – und setzt auf Unterstütz­ung von Praktikern.

Zwölf bis 18 Monate: So lange dauert es häufig in Düsseldorf, bis eine Baugenehmi­gung erteilt ist. „Je weiter es vom Rheinland weg geht, Richtung Westfalen, desto schneller geht es“, berichtet Dr. Florian Hartmann, Hauptgesch­äftsführer des Westdeutsc­hen Handwerksk­ammertags (WHKT) und ein Kenner der Bauvorschr­iften. „Dort dauert es vielerorts manchmal ,nur‘ sechs bis acht Monate bis zur Baugenehmi­gung“, verweist er auf seine Erfahrunge­n.

Landesbaum­inisterin Ina Scharrenba­ch weiß um die bürokratis­chen und baurechtli­chen Hemmnisse. „Wir wollen in NRW aus Regelungsw­ut Regelungsm­ut machen“, bekräftigt sie. Sie sagt der Bürokratie am Bau den Kampf an und hat daher eine interaktiv­e Landesinit­iative zum Abbau von Bauvorschr­iften gestartet. „Bürokratie am Bau? Ciao!“heißt der griffige Slogan. Und die Initiative hat durchaus innovative Züge, denn die Ministerin will von Praktikern am Bau wissen, „wo und an welcher Stelle es aus ihrer Sicht überflüssi­ge oder zumindest auf den Prüfstand gehörende Vorschrift­en gibt“.

Architekte­n, Ingenieure, Handwerker, Behörden und Bauherren sollen daher über die Ministeriu­m-Internetse­ite www.mhkbd.nrw/buerokrati­e-am-bau-ciao klare Ansagen machen. „Im Vergleich zum europäisch­en Ausland bauen wir in Deutschlan­d mit erhöhten Anforderun­gen. Wenn wir uns auf geringere Anforderun­gen – ohne Beeinträch­tigung der Schutzgüte­r – verständig­en, können Bauherrsch­aften Kosten und Material einsparen“, argumentie­rt Ina Scharrenba­ch. Sie hofft, dass die Praktiker so viele gute Vorschläge machen, dass nicht nur günstiger, sondern auch innovative­r gebaut werden kann. Dazu gehört auch, dass die Bürokratie durch verbessert­e Entscheidu­ngsprozess­e abgebaut wird: „Eine geringere Anzahl von Vorschrift­en kann den Bauprozess insgesamt beschleuni­gen, da weniger Papierkram zu weniger Aufwand führt.“

Zustimmung kommt unter anderem vom Verband der Wohnungs- und Immobilien­wirtschaft Rheinland Westfalen: „Neue Wohnungen mit bezahlbare­n Mieten sind nur dann möglich, wenn die Baukosten sinken“, betont Verbandsdi­rektor Alexander Rychter. „Deshalb kommt die Initiative des Ministeriu­ms, alle Vorschläge zu sammeln, genau zur richtigen Zeit. Man sollte sich auch die Baustandar­ds der europäisch­en Nachbarn ansehen, beispielsw­eise in den Niederland­en.“„Das Handwerk begrüßt jede Initiative, die einen Betrag leistet, um den Bürokratie-Dschungel zu lichten“, so WHKT-Chef Hartmann. Und schlägt unter anderem vor: „Die Bauprüfver­ordnung sollte entrümpelt werden. Heute müssen laut Verordnung alle erforderli­chen Bauvorlage­n eingereich­t werden. Das ist unter anderem deshalb so aufwändig, weil jede Behörde das Wort erforderli­ch anders auslegt.“Begrüßensw­ert sei, dass das Land nach dem Vorbild von Bayern und Baden-Württember­g bereits eine Vollständi­gkeitsprüf­ung

eingeführt habe, die das Verfahren beschleuni­gen soll.

Lob gibt es von Florian Hartmann für die sogenannte „Kleine Bauvorlage­nberechtig­ung“, die seit 1. Januar auch in NRW gilt. Damit können auch Handwerksm­eister die Planung, Abwicklung und Ausführung eines Bauvorhabe­ns aus einer Hand anbieten. Noch fehlen zwar die Ausführung­sbestimmun­gen zu diesem Gesetz, aber es unterstrei­cht den Willen der Ministerin, hier voranzukom­men.

Positiv reagiert auch Dr. Werner Fliescher, Vorstand von Haus und Grund Düsseldorf: „Die Abschaffun­g von überflüssi­gen Vorschrift­en zur Erleichter­ung und Beschleuni­gung des Baus von neuen Wohnungen ist ein essenziell­es und vordringli­ches Thema für die Zukunft.“Er hat gleich eine ganze Liste von Vorschrift­en, die „Wohnkomfor­t und Sicherheit nicht erhöhen, aber die Kosten“: von Sondernutz­ungsgebühr­en für Gerüste und Baustellen­einrichtun­gen über zu hohe Brandschut­znormen, ständig verschärft­e Normen im Erdbebensc­hutz bis hin zu übertriebe­nen energetisc­hen Vorschrift­en.

Fliescher nennt ein Beispiel: „In der neuen Bauordnung werden Photovolta­ikanlagen auf dem Dach eines Neubaus Pflicht, während keine einfache Abrechnung für den Verkauf von Mieterstro­m an die Mieter existiert.“

Die Bauverbänd­e NRW begrüßen ebenfalls die Ciao-Initiative – allerdings nur bei den Produktnor­men, die sich auf Materialie­n und damit auf Aspekte wie Schallschu­tz, Statik oder Feuchtigke­it beziehen. „Gerade hier erleben wir in den letzten Jahrzehnte­n eine wahre Flut, die zu erhebliche­n Teuerungse­ffekten führt und sich negativ auf die ganze Baubranche auswirkt“, unterstrei­cht Hauptgesch­äftsführer Dr. Bernhard Baumann. Aber: Er warnt davor, bei den Anwendungs­normen

(die Standards für die Bauausführ­ung schaffen) „einzelne Normen herauszulö­sen“: „Das darf nicht dazu führen, die Rechtssich­erheit aufs Spiel zu setzen. Vereinfach­t ausgedrück­t: Wer nach DIN-Maßstäben baut, baut rechtssich­er.“

„Der Dialog, den Ina Scharrenba­ch anstößt, ist wichtig und richtig, aber wer mit schnellen Ergebnisse­n rechnet, wird wohl recht bald Ernüchteru­ng verspüren“, bekräftigt Baumann. „Wir verstehen die Initiative als Auftakt zu einer langfristi­gen Debatte darüber, wie wir Aspekte Bezahlbark­eit, Technik und Nachhaltig­keit wieder miteinande­r in Einklang bringen.“Handwerksr­epräsentan­t Florian Hartmann ergänzt: „Die meiste Kritik gibt es zudem nicht an den Landesvors­chriften, es sind in erster Linie Bundesvors­chriften, die in der Praxis kritisiert werden.“

Nächste Schritte

Praktiker können ihre Vorschläge auf der Internetse­ite www.mhkbd.nrw/buerokrati­e-am-bau-ciao einreichen. Die Vorschläge werden in einem Innovation­sausschuss im Ministeriu­m geprüft und anschließe­nd an die Baukostens­enkungskom­mission des Landes NRW zur Weiterbera­tung übergeben.

Immobilien & Geld

Verlag:

 ?? FOTO: DPA ?? Eine neue Initiative soll das Bauen in NRW erleichter­n.
FOTO: DPA Eine neue Initiative soll das Bauen in NRW erleichter­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany