Weg mit unnötigen Bauvorschriften!
Zu viel Bürokratie und überbordende Bauvorschriften machen das Bauen immer langsamer und teurer. Landesbauministerin Ina Scharrenbach will jetzt an das Thema ran – und setzt auf Unterstützung von Praktikern.
Zwölf bis 18 Monate: So lange dauert es häufig in Düsseldorf, bis eine Baugenehmigung erteilt ist. „Je weiter es vom Rheinland weg geht, Richtung Westfalen, desto schneller geht es“, berichtet Dr. Florian Hartmann, Hauptgeschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertags (WHKT) und ein Kenner der Bauvorschriften. „Dort dauert es vielerorts manchmal ,nur‘ sechs bis acht Monate bis zur Baugenehmigung“, verweist er auf seine Erfahrungen.
Landesbauministerin Ina Scharrenbach weiß um die bürokratischen und baurechtlichen Hemmnisse. „Wir wollen in NRW aus Regelungswut Regelungsmut machen“, bekräftigt sie. Sie sagt der Bürokratie am Bau den Kampf an und hat daher eine interaktive Landesinitiative zum Abbau von Bauvorschriften gestartet. „Bürokratie am Bau? Ciao!“heißt der griffige Slogan. Und die Initiative hat durchaus innovative Züge, denn die Ministerin will von Praktikern am Bau wissen, „wo und an welcher Stelle es aus ihrer Sicht überflüssige oder zumindest auf den Prüfstand gehörende Vorschriften gibt“.
Architekten, Ingenieure, Handwerker, Behörden und Bauherren sollen daher über die Ministerium-Internetseite www.mhkbd.nrw/buerokratie-am-bau-ciao klare Ansagen machen. „Im Vergleich zum europäischen Ausland bauen wir in Deutschland mit erhöhten Anforderungen. Wenn wir uns auf geringere Anforderungen – ohne Beeinträchtigung der Schutzgüter – verständigen, können Bauherrschaften Kosten und Material einsparen“, argumentiert Ina Scharrenbach. Sie hofft, dass die Praktiker so viele gute Vorschläge machen, dass nicht nur günstiger, sondern auch innovativer gebaut werden kann. Dazu gehört auch, dass die Bürokratie durch verbesserte Entscheidungsprozesse abgebaut wird: „Eine geringere Anzahl von Vorschriften kann den Bauprozess insgesamt beschleunigen, da weniger Papierkram zu weniger Aufwand führt.“
Zustimmung kommt unter anderem vom Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen: „Neue Wohnungen mit bezahlbaren Mieten sind nur dann möglich, wenn die Baukosten sinken“, betont Verbandsdirektor Alexander Rychter. „Deshalb kommt die Initiative des Ministeriums, alle Vorschläge zu sammeln, genau zur richtigen Zeit. Man sollte sich auch die Baustandards der europäischen Nachbarn ansehen, beispielsweise in den Niederlanden.“„Das Handwerk begrüßt jede Initiative, die einen Betrag leistet, um den Bürokratie-Dschungel zu lichten“, so WHKT-Chef Hartmann. Und schlägt unter anderem vor: „Die Bauprüfverordnung sollte entrümpelt werden. Heute müssen laut Verordnung alle erforderlichen Bauvorlagen eingereicht werden. Das ist unter anderem deshalb so aufwändig, weil jede Behörde das Wort erforderlich anders auslegt.“Begrüßenswert sei, dass das Land nach dem Vorbild von Bayern und Baden-Württemberg bereits eine Vollständigkeitsprüfung
eingeführt habe, die das Verfahren beschleunigen soll.
Lob gibt es von Florian Hartmann für die sogenannte „Kleine Bauvorlagenberechtigung“, die seit 1. Januar auch in NRW gilt. Damit können auch Handwerksmeister die Planung, Abwicklung und Ausführung eines Bauvorhabens aus einer Hand anbieten. Noch fehlen zwar die Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz, aber es unterstreicht den Willen der Ministerin, hier voranzukommen.
Positiv reagiert auch Dr. Werner Fliescher, Vorstand von Haus und Grund Düsseldorf: „Die Abschaffung von überflüssigen Vorschriften zur Erleichterung und Beschleunigung des Baus von neuen Wohnungen ist ein essenzielles und vordringliches Thema für die Zukunft.“Er hat gleich eine ganze Liste von Vorschriften, die „Wohnkomfort und Sicherheit nicht erhöhen, aber die Kosten“: von Sondernutzungsgebühren für Gerüste und Baustelleneinrichtungen über zu hohe Brandschutznormen, ständig verschärfte Normen im Erdbebenschutz bis hin zu übertriebenen energetischen Vorschriften.
Fliescher nennt ein Beispiel: „In der neuen Bauordnung werden Photovoltaikanlagen auf dem Dach eines Neubaus Pflicht, während keine einfache Abrechnung für den Verkauf von Mieterstrom an die Mieter existiert.“
Die Bauverbände NRW begrüßen ebenfalls die Ciao-Initiative – allerdings nur bei den Produktnormen, die sich auf Materialien und damit auf Aspekte wie Schallschutz, Statik oder Feuchtigkeit beziehen. „Gerade hier erleben wir in den letzten Jahrzehnten eine wahre Flut, die zu erheblichen Teuerungseffekten führt und sich negativ auf die ganze Baubranche auswirkt“, unterstreicht Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Baumann. Aber: Er warnt davor, bei den Anwendungsnormen
(die Standards für die Bauausführung schaffen) „einzelne Normen herauszulösen“: „Das darf nicht dazu führen, die Rechtssicherheit aufs Spiel zu setzen. Vereinfacht ausgedrückt: Wer nach DIN-Maßstäben baut, baut rechtssicher.“
„Der Dialog, den Ina Scharrenbach anstößt, ist wichtig und richtig, aber wer mit schnellen Ergebnissen rechnet, wird wohl recht bald Ernüchterung verspüren“, bekräftigt Baumann. „Wir verstehen die Initiative als Auftakt zu einer langfristigen Debatte darüber, wie wir Aspekte Bezahlbarkeit, Technik und Nachhaltigkeit wieder miteinander in Einklang bringen.“Handwerksrepräsentant Florian Hartmann ergänzt: „Die meiste Kritik gibt es zudem nicht an den Landesvorschriften, es sind in erster Linie Bundesvorschriften, die in der Praxis kritisiert werden.“
Nächste Schritte
Praktiker können ihre Vorschläge auf der Internetseite www.mhkbd.nrw/buerokratie-am-bau-ciao einreichen. Die Vorschläge werden in einem Innovationsausschuss im Ministerium geprüft und anschließend an die Baukostensenkungskommission des Landes NRW zur Weiterberatung übergeben.
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