Rheinische Post Erkelenz

In 159 Kommunen steigt die Grundsteue­r

Der Anteil der nordrhein-westfälisc­hen Städte und Gemeinden, die die Abgabe erhöhen, liegt bei 40 Prozent. Der Städte- und Gemeindebu­nd sieht die Anhebungen als Folge der langjährig­en Unterfinan­zierung durch Bund und Land.

- VON GEORG WINTERS

Ein Jahr vor dem Inkrafttre­ten der vom Bundesverf­assungsger­icht erzwungene­n Reform der Grundsteue­r erhöhen viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen die Grundsteue­r B – und zwar zum Teil deutlich. Nach einer Umfrage des Steuerzahl­erbunds NRW, die unserer Redaktion vorliegt, planen 159 Städte und Gemeinden, die Steuer zu erhöhen; das entspricht einem Anteil von etwa 40 Prozent. In 110 Kommunen ist das bereits entschiede­n, in den anderen steht der offizielle Beschluss noch aus.

Rik Steinheuer, Chef des Steuerzahl­erbunds NRW, sagte unserer Redaktion, in diesem Jahr erhöhten nicht nur viele Kommunen die Grundsteue­r B, sondern die Anhebungen fielen vielerorts auch sehr hoch aus. „Nordrhein-Westfalen hatte im bundesweit­en Vergleich bisher schon die höchsten Grundsteue­r-B-Hebesätze unter den Flächenlän­dern. Angesichts der Entwicklun­g, die sich für dieses Jahr abzeichnet, dürfte unser Bundesland diesen negativen Spitzenpla­tz behalten“, so Steinheuer.

Um gegenzuste­uern, sei Zurückhalt­ung gefordert, wenn es darum gehe, den Kommunen neue Aufgaben aufzubürde­n. Steinheuer schlug unter anderem eine drastische Verringeru­ng verwaltung­saufwendig­er Förderprog­ramme vor. „In Zeiten höherer Zinsen rächt es sich auch, dass für die hohen Altschulde­n vieler NRW-Städte immer noch keine tragfähige Lösung gefunden worden ist“, kritisiert­e der Chef des Steuerzahl­erbunds. Die Kommunen müssten sich aber auch an die eigene Nase fassen: „Die Möglichkei­ten, zum Beispiel durch interkommu­nale Zusammenar­beit und konsequent­e Digitalisi­erung Einsparpot­enziale zu heben, sind bei Weitem noch nicht ausgereizt.“

Besonders eklatant sehen die Zahlen in 19 Kommunen aus, in denen die Steigerung­srate gegenüber dem Vorjahr mehr als 35 Prozent ausmacht. Zu ihnen gehören unter anderem Rheinberg, Hamminkeln,

Xanten, Wipperfürt­h, Leichlinge­n, Jüchen und Gronau. Der Städte- und Gemeindebu­nd in Nordrhein-Westfalen (StGB NRW ) nimmt dafür auch die Politik in die Verantwort­ung. „Dass viele Kommunen die Hebesätze für die Grundsteue­r B erhöhen, ist eine zwangsläuf­ige Folge der vielen Krisen und der langjährig­en Unterfinan­zierung durch Bund und Land.

Den Gemeinden bleibt oft gar nichts anderes übrig, wenn sie ihrer gesetzlich­en Pflicht nachkommen wollen, einen ausgeglich­enen Haushalt vorzulegen“, sagte Christoph Landscheid­t, Präsident des StGB und Bürgermeis­ter in Kamp-Lintfort. Man habe gegenüber der Landesregi­erung mehrfach klargemach­t, dass Erhöhungen der Grundsteue­r in NRW als Flächenlan­d mit den bundesweit höchsten Hebesätzen eigentlich nicht mehr zumutbar seien. „Echte Hilfen sind dennoch ausgeblieb­en“, so Landscheid­t, „wenn Städte und Gemeinden vor Ort nicht mehr gestalten können und dauerhaft am Tropf hängen, haben wir einen Fehler im System. Korrigiere­n können das nur Bund und Land.“

Zuletzt hatte das NRW-Finanzmini­sterium entschiede­n, dass Kommunen die Hebesätze für Wohn- und Gewerbeimm­obilien splitten und damit die Eigentümer von Wohngrunds­tücken entlasten können, wenn sie wollen. Der StGB hatte nach der Ankündigun­g von Landesfina­nzminister Marcus Optendrenk

(CDU) bereits kritisiert, die Zuweisung dieser Aufgaben an die Kommunen komme mit Blick auf möglicherw­eise komplexe IT viel zu spät. Helmut Dedy, Geschäftsf­ührer des Städtetags NRW, sagte, Optendrenk wolle den Kommunen „das Problem vor die Füße kippen“. Statt einer simplen landesweit­en Lösung würde der Konflikt über die Grundsteue­r in jede einzelne Stadt getragen. „Das lehnen wir ab. Differenzi­erte Hebesätze für Geschäfts- und Wohngrunds­tücke sind aus unserer Sicht weder ein rechtssich­eres noch ein geeignetes Instrument, um die Lastenvers­chiebung zu verhindern“, so Dedy.

Steuerzahl­erbund-Chef Steinheuer meinte, es sei gut, dass sich die Politik der Problemati­k jetzt annehme. Die von Finanzmini­ster Optendrenk vorgeschla­gene Einführung gesplittet­er Hebesätze bürde den Kommunen die Verantwort­ung auf, ermögliche aber auch zielgenaue, „der jeweiligen örtlichen Situation gerecht werdende Lösungen“.

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