Rheinische Post Erkelenz

So viel kostet die 112

Die Zahl der Notrufe im Kreis Heinsberg steigt – und die Einsätze selbst werden immer teurer. Derzeit laufen harte Verhandlun­gen zwischen der Kreisverwa­ltung und den Krankenkas­sen.

- VON CHRISTOS PASVANTIS

Notrufeins­ätze sind teuer – doch wie teuer genau, darüber führen die Behörden mit den Krankenkas­sen hinter den Kulissen intensive Verhandlun­gen. Der Kreis Heinsberg hat nun im Kreistag über eine neue Gebührensa­tzung verhandelt, die ab dem 1. April dieses Jahres in Kraft treten soll – dabei ergeben sich erhebliche Steigerung­en.

Eine einzelne Rettungswa­genfahrt wird demnach fortan mit satten 872 Euro abgerechne­t, bisher waren es 851 Euro, vorgesehen war in der Planung sogar zunächst ein Anstieg auf 918 Euro. Deutlich größer ist der Anstieg noch bei den Krankentra­nsportwage­n (KTW ): Statt wie bisher 336 Euro werden künftig 458 Euro pro Fahrt fällig – ein Anstieg um 36,3 Prozent. Der Einsatz eines Notarztein­satzfahrze­ugs wird künftig 568 statt 527 Euro kosten, der Notarzt hingegen wird günstiger: Nur noch 410 statt wie bisher 499 Euro soll ein Einsatz dort kosten.

Bürger müssen die Rettungswa­gen grundsätzl­ich nicht bezahlen, das übernehmen die Krankenkas­sen. Es muss also niemand Angst davor haben, sich aus finanziell­en Gründen das Wählen der 112 nicht leisten zu können. Je nach Kasse gibt es lediglich eine Kostenbete­iligung von bis zu zehn Euro.

Ausnahmen davon gibt es nur ganz selten: Ist ein Patient krank, weigert sich aber, mitgenomme­n zu werden und ruft dann zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal den Krankenwag­en, muss der Patient für diese Fahrt tatsächlic­h selber aufkommen. Wird die 112 missbrauch­t, ein Rettungswa­gen also nur „zum Spaß“gerufen, bleibt der Verursache­r des Einsatzes ebenfalls auf den Kosten sitzen. Darüber hinaus ist es gut möglich, dass er im Nachhinein auch noch bei der Polizei angezeigt wird.

Wie hart die Verhandlun­gen zwischen Kreis und Krankenkas­sen laufen, darüber hatte Landrat Stephan Pusch in der jüngsten Sitzung des Kreistags berichtet. Bis Anfang Januar konnten die beiden Parteien

keine Einigung erzielen, Klarheit brachte erst eine Telefonkon­ferenz am 11. März – zumindest in weiten Teilen. Denn von einer einhundert­prozentige­n Einigung kann nach wie vor keine Rede sein, auch wenn die wesentlich­en Rahmenbedi­ngungen nun feststehen. „Einige unserer Kalkulatio­nen sind von den Kostenträg­ern nach wie vor nicht angenommen worden“, berichtete Stephan Pusch.

Denn dass der Kreis beziehungs­weise sein Rettungsdi­enst anfallende Kosten für etwa Fortbildun­gen, den Personalra­t oder auch sogenannte Fehlfahrte­n nicht übernehmen will, stößt in der Kreisverwa­ltung auf wenig Verständni­s. „Die Kostenträg­er argumentie­ren so, dass sie nur die wirklich fahrtgebun­denen Kosten anerkennen wollen, alles andere nicht“, sagte Pusch. Der Kreis sieht das freilich anders: Denn auch die Kosten, die

rund um die Fahrten für die Bereitstel­lung eines Rettungsdi­enstes anfallen, seien ja nicht aus der Luft gegriffen sondern maßgeblich notwendig, um einen funktionie­renden Rettungsdi­enst betreiben zu können. „Wir werden das noch nachverhan­deln, zunächst wird diese Lücke aber zu Lasten des Kreises gehen“, sagte Pusch. Zunächst aber entstehe eine Finanzieru­ngslücke in Höhe von knapp 100.000 Euro.

Dezernent Reinhold Lindt erklärte:

„Wir werden diesbezügl­ich auch noch ein Rechtsguta­chten anfertigen lassen. Wir haben eine andere Rechtsauff­assung als die Kostenträg­er, denn diese zusätzlich­en Kosten entstehen ja ebenfalls durch Rettungsei­nsätze und sollten deshalb auch von den Kassen übernommen werden.“Der Rettungsdi­enst wird durch die Tochterges­ellschaft des Kreises Heinsberg, der RDHS gGmbH, sichergest­ellt. Bisher habe die gGmbH auskömmlic­h wirtschaft­en können. In den Vorjahren sei jeweils ein Plus im Jahreserge­bnis erzielt worden, erklärte Pusch auf Nachfrage der Grünen-Abgeordnet­en Jutta Schwinkend­orf. Doch die enormen Kostenstei­gerungen in allen Bereichen des Lebens machten eben auch vor dem Rettungsdi­enst keinen Halt.

Mehr als 30.000 Einsätze fährt der Rettungsdi­enst pro Jahr – Tendenz steigend. Geschäftsf­ührer Ralf Rademacher hatte unserer Redaktion im vergangene­n Jahr berichtet, dass die Zahl der Notrufe massiv zugenommen habe – und in immer mehr Fällen niemand mit ins Krankenhau­s genommen werde. Bei fast 20 Prozent aller Einsätze sei dies der Fall gewesen, es seien also sogenannte Leerfahrte­n entstanden. Nur verständli­ch also, dass genau diese Leerfahrte­n bei der Verhandlun­g zwischen Kreis und Kassen nun einer der Knackpunkt­e sind.

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ARCHIVFOTO: JÜRGEN LAASER Ein Rettungswa­gen des RDHS im Einsatz. Ab 1. April soll eine neue Gebührensa­tzung in Kraft treten

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