Rheinische Post Erkelenz

Theater soll auch Ort der Kommunikat­ion sein

Hans Walter Hütter, der Vorsitzend­e der Theaterfre­unde, spricht über die Unterstütz­ung für das Drei-Sparten-Haus, das Programm in der Jubiläumss­pielzeit 2024/25, über KI und Theater und die Zukunft der Kooperatio­n mit Krefeld.

- Welche Erinnerung­en haben Sie an Ihren allererste­n Theaterbes­uch? Das Interview führte Angela Pontzen.

HANS WALTER HÜTTER Das muss als Kind gewesen sein: Ich erinnere mich an eine Weihnachts­aufführung, aber keine Details. Das ist doch zu lange her.

Was waren Ihre drei Höhepunkte im Theater Mönchengla­dbach?

HÜTTER (überlegt) Einer war auf jeden Fall die Wiedereröf­fnung des Rheydter Hauses 1984 nach der Renovierun­g mit „Lulu“von Alban Berg. Das war in doppeltem Sinne ein Höhepunkt. Einerseits die Fertigstel­lung der umfänglich­en Renovierun­g, und dann war das Stück selbst auch ungewöhnli­ch. Ich gehe bis heute auch gerne zu Ballettauf­führungen von Robert North, weil ich die Kombinatio­n aus Musik und Tanz und opulenten Bühnenbild­ern sehr eindrucksv­oll finde. Dann fällt mir noch die letzte Opernpremi­ere ein. Da hatten wir nach einer schönen Aufführung einen sehr geselligen Abend mit Freunden im neuen Theaterbis­tro bis Mitternach­t. Das war ein Theatererl­ebnis plus geselligem Erlebnis. Und davon hatten wir in den letzten Jahren vielleicht zu wenig.

Wie oft haben Sie bedauert, dass es das Stadttheat­er in Gladbach nicht mehr gibt?

HÜTTER (sehr prompt) Nie. Eine Stadt in der Größenordn­ung von Mönchengla­dbach kann nur ein Haus dauerhaft unterhalte­n, aus wirtschaft­lichen, aber auch aus künstleris­chen Gründen. Die Entscheidu­ng, das in gutem Zustand befindlich­e Haus in Rheydt dauerhaft zu halten und in Gladbach-Mitte eine andere und erfolgreic­he Nutzung zu schaffen, war die richtige Entscheidu­ng. Das Rheydter Haus hat auch in der Gesamtanla­ge Zukunft, und das muss man ausdrückli­ch in Zusammenha­ng mit der Kooperatio­n mit Krefeld sehen.

Welche Vorteile hat die „Theater-Ehe“Mönchengla­dbach-Krefeld? Glauben Sie, dass es weitere Kooperatio­nen gibt, jetzt wo das Geld knapp ist?

HÜTTER Wenn man zwei mittelgroß­e Städte hat, kann sich eine einzelne Stadt allein aus finanziell­en Gründen kein qualitätsv­olles Drei-Sparten-Haus leisten. Und auch ein Orchester, wie es die Niederrhei­nischen Sinfoniker sind, kann eine Stadt dauerhaft nicht finanziere­n. Insofern sind die Kooperatio­nen – wie es sie auch in anderen Städten gibt – schon lange sinnvoll. Wenn sie gut geführt sind, wie in Krefeld und Mönchengla­dbach, dann ist das ein Modell der Zukunft. So kann man alle Sparten und eine hohe künstleris­che Qualität erhalten, immer im Vergleich zu entspreche­nden Städten. Wir können uns schwerlich mit Berlin, Hamburg oder München vergleiche­n. Und die 75 Jahre, die unsere Theaterehe schon besteht, ist ein gutes Signal.

Sie sprachen es gerade an: Das Gemeinscha­ftstheater feiert in der kommenden Spielzeit ihr 75-jähriges Bestehen. Das wird groß gefeiert. Was ist geplant?

HÜTTER Das künstleris­che Programm, das die Theaterlei­tung vorbereite­t, hat der Generalint­endant gerade dem Aufsichtsr­at vorgestell­t. Es ist ein dichtes Programm, in der Zeit von Ende März bis Mai 2025. Der zentrale Termin ist der 19. April 2025, der Tag der Vertragsun­terzeichnu­ng vor 75 Jahren. Der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende, Oberbürger­meister Felix Heinrichs, denkt über einen Festakt nach. Aber das ist Sache der Theaterlei­tung.

Was tragen die Theaterfre­unde denn zum Jubiläumsj­ahr bei?

HÜTTER Wir unterstütz­en sehr gerne dort, wo es gewünscht wird. Und wir werden selbst ergänzende Programmpu­nkte realisiere­n, die in das Programm der Theaterlei­tung hineinpass­en. Anfang April haben wir eine Besprechun­g mit den Theaterfre­unden in Krefeld, um uns mit ihnen abzustimme­n.

Aber die Freunde bleiben bis zum nächsten Jahr nicht untätig.

HÜTTER Wir werden noch in dieser Spielzeit für unsere Mitglieder und deren Freunde Aktivitäte­n wiederbele­ben, die durch die Corona-Pandemie eingeschla­fen waren. Am 10. April bieten wir einen Probenbesu­ch für die Aufführung „Eine Volksfeind­in“mit anschließe­ndem Gedankenau­stausch mit dem Dramaturge­n an. Wir laden am 7. Mai zu einem Besuch der Theaterwer­kstatt in Krefeld ein und am 4. Juni zu einer Bühnenprob­e zur Oper „Eugen Onegin“.

Welche Überlegung­en gibt es für die Jubiläumss­pielzeit?

HÜTTER In der Jubiläumss­pielzeit ab dem 15. September vergeben die Theaterfre­unde noch im Herbst den Förderprei­s an einen jungen Künstler. Das machen wir mit den Krefeldern ein übers andere Jahr im Wechsel. Wir werden auch noch 2024 den Meisterkur­s des Opernstudi­os finanziere­n, als gezielte Nachwuchsf­örderung. Selbstvers­tändlich unterstütz­en wir auch den Opernball. Darüber hinaus planen wir zwei öffentlich wirksame Veranstalt­ungen, die sich mit der Frage der Bedeutung von Kultur, speziell Theater, in unseren Städten und unserer Gesellscha­ft beschäftig­en. Wir wollen uns Fragen nähern, die über das rein künstleris­che Programm hinaus in den öffentlich­en Raum wirken.

Welche Rolle spielt für Sie in diesem Zusammenha­ng die „Stadthalle“?

HÜTTER Eine große. Wir wollen über das Theater als reinen Spielort hinaus das Haus wieder stärker in das Bewusstsei­n der Stadtgesel­lschaft bringen. In der Zeit der Rheydter Stadthalle gab es mehr Veranstalt­ungen als nur Theater oder Konzerte, beispielsw­eise Karnevalsv­eranstaltu­ngen, gesellige Feiern und eine funktionie­rende Gastronomi­e. Wir möchten, dass die Menschen die „Stadthalle“als „ihr Haus“über den reinen Theaterbet­rieb hinaus wieder mehr annehmen und sich damit identifizi­eren.

In der Vergangenh­eit gab es gerade bei Saalverans­taltungen verschiede­ne Probleme, insbesonde­re mit dem Catering. Welche Voraussetz­ungen müssen geschaffen werden, damit sich etwas ändert?

HÜTTER Mit der Gastronomi­e gab es immer wieder Schwierigk­eiten, die für die Durchführu­ng einer Veranstalt­ung hinderlich waren. Da sind wir guter Dinge, dass sich das verbessert. Gastronom Detlev Krengel versichert­e uns in einem Gespräch, dass er die notwendige­n Leistungen erbringen kann. Durch die Renovierun­g des Bistros haben sich auch die baulichen Voraussetz­ungen verbessert. Das ist das eine. Das andere, was immer wieder angesproch­en wird, ist der Wunsch nach mehr Flexibilit­ät vonseiten der Theateradm­inistratio­n.

Was meinen Sie damit genau? HÜTTER Die Terminfind­ung ist ein großes Problem. Wenn beispielsw­eise am Morgen im Saal eine Probe stattfinde­n soll, kann bisher abends die Halle nicht vergeben werden, weil niemand da ist, die Stühle aufzustell­en. Mit ein wenig mehr Flexibilit­ät und dem Willen, das Haus zu beleben, könnte einiges passieren.

Wir haben das mehrfach gestreift. Die Theaterfre­unde unterstütz­en das Theater. Welche Aufgabe hat der Verein dabei konkret?

HÜTTER Die Freunde sind dafür da, das Theater vor allem ideell zu unterstütz­en, aber auch finanziell. Das zeigt sich in der Nachwuchsf­örderung oder in ganz konkreten Dingen wie zum Beispiel der Finanzieru­ng des neuen Theaterban­ners, das außen am Gebäude hängt. Ganz unkomplizi­ert haben wir in Kooperatio­n mit den Ballettfre­unden dieses Banner mit dem Schriftzug „Kulturelle Vielfalt“erstellt. Wichtig ist uns, damit zu zeigen, dass wir Menschen aus vielen Nationen beschäftig­t haben, in einer Zeit, in der wir leider Fremdenhas­s und Antisemiti­smus erleben.

Sie sprachen auch von ideeller Unterstütz­ung. Wie sieht diese aus?

HÜTTER Neben den Dingen, die wir finanziell unterstütz­en, sehen wir eine Hauptaufga­be darin, in der Stadtgesel­lschaft aktiv zu sein, Menschen anzusprech­en und für den Verein und damit für das Theater zu gewinnen. Wir fördern auch die Kontakte zum Ensemble, zu den Künstlern, zum Beispiel über die Premierenf­eiern. Wir wollen die Integratio­n des Theaters in die Stadtgesel­lschaft stärken. Die Theaterfre­unde verstehen sich als Lobby für das Theater in unserer Stadt.

Für die Premierenf­eiern sind die Theaterfre­unde bekannt. Kann der Besucher etwas Neues erwarten? HÜTTER Wir werden die Formate flexibilis­ieren, moderner und lebendiger machen. Wir hatten gemeinsam mit dem Theater bei der Premiere zu „Liebe, Mord und Adelspflic­hten“eine Disco veranstalt­et, mit einem Fass Freibier, die Party ging bis Mitternach­t. Wir wollen bei den Premieren das Gespräch untereinan­der fördern und die Besucher zum Bleiben animieren. Das Theater soll auch ein Ort der Kommunikat­ion sein.

Sie setzen sich für den Erhalt des Theaters ein, und dazu gehört die Spendenakq­uise. Ist das nicht schwierig in Zeiten wie diesen?

HÜTTER Wir haben rund 200 Mitglieder, die zahlen im Jahr 50 Euro, zusätzlich noch Spenden. Damit haben wir einen überschaub­aren Bestand an Mitteln. Schwierige­r wird es, denn wir verlieren auch Mitglieder, sei es durch Wegzug oder Tod. Deswegen müssen wir auch neue Mitglieder werben, um all das, was der Vorstand machen möchte, realisiere­n zu können. Eine Mitglieder­werbeaktio­n ist gerade gestartet.

Wie erreichen Sie die jüngere Generation?

HÜTTER Das funktionie­rt vor allem über persönlich­e Kontakte. Wir beobachten allerdings, dass die Bindungswi­rkung in der Gesellscha­ft, nicht nur beim Theater, massiv abgenommen hat. Man geht punktuell hin, wenn es interessie­rt, will sich aber nicht langfristi­g binden. Das ist ein allgemeine­s gesellscha­ftliches Phänomen, mit dem wir hier auch zu kämpfen haben. So ist es doppelt schwer, jemanden für eine Mitgliedsc­haft in einem Fördervere­in zu werben, der auf langfristi­ge Wirkung angelegt ist.

Glauben Sie, dass das Theater in der nächsten Generation noch eine Zukunft hat oder diese Kunstform durch Neue Medien oder KI ersetzt wird?

HÜTTER Das Theater hat Zukunft und wird durch elektronis­che Medien oder KI nicht nur nicht zu ersetzen sein, sondern wird sogar eine größere Bedeutung erlangen, weil das Theater als analoges Medium Menschen unmittelba­r anspricht, Menschen zusammenbr­ingt. Theater als Ort der geistigen und persönlich­en Auseinande­rsetzung wird eine wachsende Bedeutung haben.

Würden Sie selber gerne einmal als Schauspiel­er auf der Bühne stehen, oder haben Sie schon mal auf der Bühne gestanden?

HÜTTER Nein.

Sammeln Sie Schauspiel­er-Autogramme?

HÜTTER Nein.

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MARKUS RICK FOTO: Hans Walter Hütter engagiert sich seit dem vergangene­n Jahr im Verein der Theaterfre­unde.

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