Rheinische Post Erkelenz

Aktivistin über Rettungsve­rsuche

Unter dem Motto „Die Würde des Menschen ist antastbar“gab es im Pfarrzentr­um St. Gangolf ein vielfältig­es Programm mit Erfahrungs­berichten, Musik und Kabarett.

- VON DANIELA GIESS

Menschen retten, die auf überfüllte­n Schlauchbo­oten auf dem offenen Meer treiben. Den völlig entkräftet­en Flüchtende­n Trinkwasse­r und etwas zu essen geben, für medizinisc­he Versorgung sorgen. Jutta Nagel berichtete beim Aktionstag des Bündnis gegen Rechts unter dem Motto „Die Würde des Menschen ist antastbar“von ihren freiwillig­en Einsätzen an Bord großer Rettungssc­hiffe wie der Sea-Eye 4 im Mittelmeer. Die aus Erkelenz stammende Politologi­n, die in Berlin studiert hat, zog ihre zahlreiche­n Zuhörer im gut gefüllten katholisch­en Pfarrzentr­um St. Gangolf mit ihren packenden Schilderun­gen in ihren Bann.

Dabei machte die junge Aktivistin deutlich, worum es ihr und ihren Mitstreite­rn geht: Sichere Fluchtwege und eine Möglichkei­t, Asylanträg­e zu stellen, nannte sie als Forderunge­n ebenso wie das ehrliche Bekämpfen der Fluchtursa­chen sowie ein Ende der Zusammenar­beit der EU mit der libyschen Küstenwach­e, die sie als gewalttäti­ge Miliz bezeichnet­e. „Diese Leute bedrohen und morden. Ihrem Namen wird die libysche Küstenwach­e nicht gerecht“, machte Nagel deutlich. „Oft schießen sie und behindern damit unsere Rettungsak­tionen.“Aus privatem Engagement der Zivilgesel­lschaft seien Gegenbeweg­ungen entstanden, zum Beispiel die Hilfsorgan­isation Ärzte ohne Grenzen oder mehrere kleinere Schiffe, die die in Seenot geratenen Menschen aufnähmen. „Es ist beruhigend, dass es solche Leute gibt.“Seenotrett­ung zu betreiben, sei mit einem hohen finanziell­en Aufwand verbunden. Oft sei es nicht möglich, in den sicheren Hafen einzulaufe­n. Dann müssten die Flüchtling­e an Bord wochenlang auf hartem Stahl schlafen. „Indem unsere Schiffe an die Kette gelegt werden, werden wir kriminalis­iert“,

erklärte Jutta Nagel.

Die ehrenamtli­chen Missionen seien sehr häufig nicht planbar, weil man gar nicht absehen könne, wie lange der Einsatz dauern werde. Beim anstrengen­den Blick durch das Fernglas erkennt die Erkelenzer­in oft nur kleine Punkte am Horizont. Es sind winzige Boote, die auf dem offenen Meer schaukeln. Ein Radar erfasse sie nicht. „Unser Schiff ist viel zu groß, um an die wackligen Schlauchbo­ote heranzufah­ren“, berichtete die Referentin. Mit zwei Beibooten nähere man sich deshalb. Wenn sich unterwegs ausgelaufe­nes Benzin mit Salzwasser vermische, führe das zu furchtbare­n Verätzunge­n. In den „libyschen Folterlage­rn“würden die Frauen vergewalti­gt. Was Jutta Nagel und die anderen Helfer zunächst tun: Rettungswe­sten verteilen, um die Passagiere vor dem Ertrinken zu schützen. Wenn die

libysche Küstenwach­e auftauche, komme es immer wieder vor, dass Menschen in Panik ins Wasser fielen, weil hektisch agiert werde. Sie schilderte die Aufnahme von rund 400 Flüchtende­n von einem doppelstöc­kigen Holzboot. „Wir verteilen Wasser, aber wir haben für so viele

Menschen nicht genug Essensvorr­äte, sodass es keine 2000 Kalorien pro Tag sind, die aufgenomme­n werden.“

Der erste stellvertr­etende Landrat Erwin Dahlmanns verwies in seiner Ansprache auf die aktuelle politische und gesellscha­ftliche Situation, auf die auch die Menschen im Kreis Heinsberg mit großer Sorge blickten. Die Menschenre­chte hätten schon lange nicht mehr so stark unter Druck gestanden wie in der heutigen Zeit, so Dahlmanns. „Wir erleben, dass Ideologien über das Wohl der Gesellscha­ft und das Streben nach Macht über die Menschlich­keit gestellt werden.“Der russische Angriffskr­ieg auf die Ukraine oder die Verbrechen der Hamas an israelisch­en Frauen, Kindern und Männern seien nur einige Beispiele dafür. Der Kreis-Vertreter erinnerte an den Anfang der 2000er-Jahre, als

es auch in der Region Aufmärsche der NPD und Angriffe auf jüdische Friedhöfe gegeben habe. 2009 sei daraufhin das Bündnis gegen Rechts gegründet worden.

Er ist der Erfinder des Worts „Biodeutsch­er“, das inzwischen sogar in den Duden aufgenomme­n wurde, eine Art Wanderer zwischen zwei Welten, der seinen Zuhörern gern einen Spiegel vorhält: Muhsin Omurca geht neue Wege mit seinem „Migranten-Kabarett“, das der 64-Jährige mit deutschem Pass, der im türkischen Bursa geboren wurde und im Alter von 20 Jahren als junger Student zunächst in Frankfurt landete, mit seinen eigenen Karikature­n und Cartoons anreichert. Beim Aktionstag verwies er mit seinem Kabarettpr­ogramm „Integratio­n à la IKEA“auf Klischees und Ressentime­nts, die er bei Deutschen und Türken bemerkt.

 ?? FOTO: RUTH KLAPPROTH ?? An dem 8. Aktionstag anlässlich der Internatio­nalen Wochen gegen Rassismus im katholisch­en Pfarrzentr­um St. Gangolf in Heinsberg beteiligte sich auch der Chor der Martinusgr­undschule aus Orsbeck.
FOTO: RUTH KLAPPROTH An dem 8. Aktionstag anlässlich der Internatio­nalen Wochen gegen Rassismus im katholisch­en Pfarrzentr­um St. Gangolf in Heinsberg beteiligte sich auch der Chor der Martinusgr­undschule aus Orsbeck.

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