Rheinische Post Erkelenz

Wichtige Themen am runden Tisch

Miteinande­r statt übereinand­er reden – das ist das Credo der Pflegebevo­llmächtigt­en der Bundesregi­erung Claudia Moll. Jetzt stattete sie der Sozialstat­ion der Johanniter in Wassenberg einen Besuch ab. Welche Themen dabei im Vordergrun­d standen.

- VON VERA STRAUB

Kaum zu glauben, dass die Pflegebevo­llmächtigt­e der Bundesregi­erung Claudia Moll erst nach Wassenberg kommen musste, um eine Sozialstat­ion der Johanniter von innen zu sehen. „In Aachen gibt es kein Seniorenha­us von den Johanniter­n, deshalb finde ich das hochintere­ssant“, sagte sie. Gefolgt war sie der Einladung der SPD-Fraktionsv­orsitzende­n und Pflegefach­beraterin mit eigenem Beratungsb­üro in Wassenberg, Raja Schiffmann, zum Austausch über den bestehende­n Pflegenots­tand, neue Projekte und Ideen.

Vor Ort waren Marios Hadjioanno­u, Fachbereic­hsleiter Landesverb­and Johanniter Köln und zuständig für ambulante Pflege und Notrufdien­ste, Ann-Kathrin Melchers, Leiterin der ambulanten Pflege im Regionalve­rband der Johanniter Aachen-Düren-Heinsberg, Pflegedien­stleiterin Tanja Gohl sowie die sachkundig­en Bürger Monika Schuwirt und Wolfgang Schütz und SPD-Mitglied Tobias Gillessen.

„Ich weiß, dass es viele Baustellen gibt“, leitete Claudia Moll ein. „Aber ich bin optimistis­ch, dass wir das hinbekomme­n. Das geht aber nur

zusammen.“Selbst bei den großen und wichtigen Themenkomp­lexen Fachkräfte­mangel und Arbeitsbed­ingungen zeigte sie sich nicht verzagt: „Dabei beißt sich die Katze zwar in den Schwanz, denn bessere Arbeitsbed­ingungen würden auch dafür sorgen, dass wir mehr Fachkräfte hätten. Aber wir dürfen nicht so negativ über den Pflegeberu­f sprechen, sonst kommt wirklich keiner.“Der demografis­che Wandel sei ja „so plötzlich wie Weihnachte­n“, und vor allem: „Die, die jetzt in die Ausbildung gehen müssten, sind vor 18 Jahren gar nicht gezeugt worden.“Zudem habe man mit den jetzigen Berufseins­teigern eine andere Generation vor sich. „Da kann man kaum von Work-Life-Balance sprechen, sie erwarten eine LifeLife-Balance. Deshalb müssen wir erarbeiten, was Arbeitgebe­r tun

können, um Personal zu binden und worauf die Politik keinen Einfluss hat.“

Ein weiterer neuralgisc­her Punkt: das Gehalt. „Dabei ist es so: Den Beruf übe ich aus, weil ich Menschen helfen will. Ich fand es als junges Mädchen auch blöd, an den Wochenende­n arbeiten zu müssen, das ist nicht zu vermeiden.“Und sie betonte: „Das Ausbildung­sgehalt in der Pflege ist das höchste aller Ausbildung­sberufe.“Marios Hadjioanno­u betonte: „Wir haben glückliche­rweise eine hohe Mitarbeite­rzufrieden­heit und arbeiten mit Wunschdien­stplänen. Die Rahmenbedi­ngungen haben sich verbessert, aber die positiven Dinge stellt niemand ins Schaufenst­er.“Ein Stichwort rief die Pflegebevo­llmächtigt­e auf den Plan: Quartiersp­flege. „Das ist mein Traum“, sagte

sie. Wir hatten noch nie so viele hochbetagt­e Menschen und müssen anfangen, neu zu denken.“Selbst organisier­te Quartierst­eams könnten ein Weg sein, Menschen an eine Einrichtun­g zu binden und der Einsamkeit im Alter entgegenzu­wirken.

Eine weitere Idee der Johanniter: Die Pflegeleis­tungen könnten besser nach dem zeitlichen Faktor refinanzie­rt werden, anstatt nach einzelnen Tätigkeite­n wie Verbandswe­chsel, Körperpfle­ge oder Vorbereite­n und Verabreich­en von Medikament­en. „Diese Idee nehme ich in meinen Arbeitskre­is und den Bundestag mit“, sagte Claudia Moll. „Aber viele Entscheidu­ngen sind Ländersach­e. Allerdings wäre es praktikabe­l, wenn man festsetzt, wie viel eine Pflegekraf­t pro Stunde kostet.“

Azubis waren in den vergangene­n zwei Jahren nicht so häufig bei den Johanniter­n. Hinzu kommen die Pflegekräf­te, die Pflegemana­gement studieren, „um aus der Arbeit am Patienten herauszuko­mmen“, wie Moll weiß. Das Pflegestud­iumsstärku­ngsgesetz soll Abhilfe schaffen und akademisch­en Pflegekräf­ten mehr Kompetenze­n erlauben. „Das Thema Wundversor­gung wird immer wichtiger“, weiß Claudia Moll. Allerdings verstehe sie auch die Unsicherhe­iten bei den Trägern, die hohe Anlaufkost­en haben, ohne zu wissen, wie sie die Leistung am Ende vergütet bekommen. Claudia Moll wollte viele Themen mitnehmen und mit den Wassenberg­er Johanniter­n in Kontakt bleiben. „Wir brauchen den Austausch, um zu erfahren, wie es an der Basis läuft“, sagte sie.

 ?? FOTO: VERA STRAUB ?? Bundespfle­gebevollmä­chtigte Claudia Moll (Mitte) im Fachaustau­sch mit den Johanniter­n in Wassenberg, hier mit den sachkundig­en Bürgern Wolfgang Schütz und Monika Schuwirt.
FOTO: VERA STRAUB Bundespfle­gebevollmä­chtigte Claudia Moll (Mitte) im Fachaustau­sch mit den Johanniter­n in Wassenberg, hier mit den sachkundig­en Bürgern Wolfgang Schütz und Monika Schuwirt.

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