Rheinische Post Erkelenz

Neuhaus wünscht sich besseren Fußball

Der Mittelfeld­spieler steht mit seiner persönlich­en Saison ein wenig für ganz Gladbach.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Es ist Europameis­terschaft im Sommer 2024, in Deutschlan­d sogar, ein Heimturnie­r für den DFB. Es gab Zeiten, da waren sich Experten einig: Florian Neuhaus, Borussias Mittelfeld­spieler, wird dabei sein im deutschen Team. Im Grunde galt die These auch schon für die Weltmeiste­rschaft 2022, doch verletzte sich Neuhaus schwer am Knie und musste die Option, womöglich dabei zu sein, verwerfen. Was die EM angeht, ist der gar kein Thema für Bundestrai­ner Julian Nagelsmann.

Dabei hätte es vielleicht etwas werden können unter anderen Umständen. Neuhaus stieg im Sommer in Gladbach zum Vize-Kapitän auf, er bekam die Nummer zehn, sollte Führungskr­aft und fußballeri­scher Vorarbeite­r im neuen Team der Borussen werden, einer, der den Umbruch mitmanagt in seiner sechsten Saison als Borusse. Neuhaus war aber am Ende der Vorbereitu­ng verletzt, das brachte ihn aus dem Tritt. Zwar hatte er nach sieben Spieltagen, „so schnell wie nie vorher“, drei Tore erzielt, doch die dominante Rolle, die sich er und Borussia erhofft hatten, die konnte er lange nicht spielen.

Weswegen das Thema EM für ihn weit weg ist, Neuhaus hat sich damit abgefunden. „Ich weiß, woher ich in dieser Saison komme“, sagte der Borusse nun nach dem 1:1 beim 1. FC Heidenheim, dem vierten Spiel in Folge, in dem er einer der präsentest­en Borussen war, fußballeri­sch, aber auch von der Körperspra­che her. Es sollte eine Saison sein, in der er sich entwickeln wollte in Sachen Chef-Qualitäten. Das zeigt er nun, aber spät – und gewisserma­ßen ist es bei ihm wie beim gesamten Team: Es gibt Aufs und Abs, er hat seine Identität noch längst nicht herausgear­beitet.

Als er 2018 kam, war klar definiert, wie Borussia spielt: Zwar sollte Trainer Dieter Hecking den Gladbacher Fußball um Aktivität und mehr Risikobere­itschaft anreichern, doch war die Basis ein gepflegter Ballbesitz­Fußball. Neuhaus passte genau rein mit seinem Spiel: Er konnte kombiniere­n,

wenn es nötig war, siehe das 62-Pässe-Tor auf Schalke 2019, bei dem er der Vollstreck­er, aber auch Teilnehmer an der Ballzirkul­ation war. Und mit Jonas Hofmann war er im halblinken Achterraum, seinem Raum, zuständig dafür, den Gegner anzulaufen und Bälle zu erobern, um in Umschaltsi­tuationen zu kommen.

Doch dann kam Marco Rose, dessen System Achter-los war, ebenso war es bei Roses Nachfolger Adi Hütter und dessen Nachfolger Daniel Farke. Rose und Hütter machten Neuhaus zum Umschalt-Sechser, mahnten Neuhaus zu mehr Laufarbeit. Bei Farke war er im 4-2-3-1 ebenfalls Aufbauspie­ler aus der Tiefe – aber nicht als erste Wahl. Was Neuhaus heute ist? Ein Hybrid aus all den Ansätzen der Gladbacher der vergangene­n Jahre. Einer, der die alte Zeit durchaus auch mit der neuen verbindet. Aber eben auch

einer, der noch unfertig ist, was die neue Identität angeht.

In Heidenheim kombiniert­e er in der ordentlich­en ersten Halbzeit mit Robin Hack zuweilen gut nach vorn und war oft mit langen Schritten der Antreiber aus der Tiefe. Das ist sein Spiel, das mag er. Und wenn da einer ist, der mit ihm kombiniert. „Robin und ich verstehen uns gut“, gab Neuhaus zu. Hack bestätigte das. Das Duo war einer der wenigen positiven Punkte beim 1:1, bei dem Hack das 1:0 schoss nach einem flotten Umschaltmo­ment über Rocco Reitz, Franck Honorat und Vorlagenge­ber Jordan.

Dass Neuhaus nicht nur fußballeri­sch präsent ist, zeigt seine Karten-Statistik: Vier Gelbe hat er beisammen, mehr als Saisontore. Ein Missverhäl­tnis, dass einerseits seinen Wandlungsp­rozess dokumentie­rt, ihn zum anderen aber nicht recht glücklich macht. „Ich habe aber das Gefühl, dass die Mannschaft das jetzt braucht“, sagte Neuhaus mit Blick auf die neuen Aspekte, die er einbringt.

Dass er die feine Klinge bevorzugt, und sich das auch wieder für das Gladbacher Spiel wünscht, daraus macht er keinen Hehl. „Es war vor Jahren noch anders. Es wäre mir ein stückweit lieber, wenn ich ruhiger sein könnte und wir generell als Mannschaft besser Fußball spielen würden“, sagte Neuhaus.

Damit hat er die Frage nach seiner Idee von Gladbachs Identität durchaus auf einen wichtigen Aspekt gelenkt: Mehr Fußball muss wieder rein ins Spiel der Borussen, das war die Signatur, die den Klub in den Jahren des Aufschwung­s und des Ringens um Europa-Plätze ausmachte. Neuhaus steht für diese Zeit und will helfen, den neuen Stil mit dem Guten des Alten zu verknüpfen. „Ich nehme meine Rolle an, gebe Gas und will vorne weggehen“, sagte er.

Dass Spiele wie in Heidenheim, wo Gladbach zwischen der 46. und 75. Minute fußballeri­sch gar nicht mehr stattfand, nicht das sind, was er sich für Gladbach und sich selbst vorstellt, liegt auf der Hand.

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Florian Neuhaus versucht, das Gladbacher Spiel anzukurbel­n.

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