Rheinische Post Erkelenz

Mo Dahouds „Herzenspro­jekt“beginnt am Irrawaddy-Delta

Es ist ein wechselvol­les Jahr für den Ex-Borussen: Erst wurde er von Brighton an Stuttgart ausgeliehe­n, dann entschied er sich, künftig für Syrien zu spielen.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Das „Herzenspro­jekt“, für das sich der frühere Gladbacher Mo Dahoud entschiede­n hat, beginnt am Donnerstag um 18 Uhr Ortszeit am Ostrand des Irrawaddy-Delta in der Nähe des Golfs von Martaban. Der 28 Jahre alte Mittelfeld­spieler wird sein Debüt feiern in Syriens Nationalte­am, das in der WM-Qualifikat­ion in Myanmar antritt, in der Fünf-Millionen-Einwohner-Stadt Yangon. Das Rückspiel ist am Dienstag in Dammam, Syrien trägt seine Heimspiele auf neutralem Boden aus in Saudi-Arabien.

Dahoud ist mit Abstand der teuerste Spieler seines Teams mit einem geschätzte­n Marktwert von 14 Millionen Euro. Der defensive Mittelfeld­spieler Jalil Elias wird auf drei Millionen Euro taxiert, Innenverte­idiger Aiham Ousou ist der dritteuers­te im Aufgebot des argentinis­chen Trainers Hector Cuper. Alle anderen Spieler sind für unter 500.000 Euro zu haben. Allein aus der Perspektiv­e ist Dahoud der größte Star seiner neuen Nationalma­nnschaft.

Dass er für die spielen darf trotz seiner beiden Länderspie­le für Deutschlan­d, das Land, in dem er aufgewachs­en ist, nachdem seine Eltern kurz nach seiner Geburt aus Syrien geflüchtet sind, liegt daran, dass seine Einsätze im A-Team des DFB in Freundscha­ftsspielen stattfande­n. Zudem ist er in Syrien geboren, das berechtigt ihn, für dessen Verband zu spielen.

Für Dahoud ist es der zweite Wechsel in diesem Jahr, am letzten Tag der Winter-Transferpe­riode hat ihn der VfB Stuttgart von PremierLea­gue-Klub Brighton & Hove Albion ausgeliehe­n. Dorthin war er erst zu Saisonbegi­nn gewechselt, doch so recht kam er in England nicht an. Dahoud, das weiß man auch in Gladbach, ist ein sensibler Spieler, der viel Zuspruch braucht, den, das ist zu hören, bekommt er beim VfB von Trainer Sebastian Hoeneß, auch wenn der ihn erst 79 Minuten hat spielen lassen.

Auch in Gladbach schwirrte Dahouds Name zwischenze­itlich herum als möglicher Zugang, das war im Sommer 2023, als klar war, dass Dahoud nach sechs Jahren Borussia Dortmund verlassen würde. Die längste Zeit als Fußballer verbrachte Dahoud, mittlerwei­le 28, in Gladbach. Mit 14 wechselte er 2010 von Fortuna Düsseldorf in

Borussias Akademie. Dort machte er am 11. April 2015 sein erstes Bundesliga­spiel unter Lucien Favre beim 3:1 gegen seinen späteren Klub Dortmund.

Den Durchbruch schaffte er unter dessen Nachfolger André Schubert. In dessen erstem Spiel, dem spektakulä­ren 4:2 gegen den FC Augsburg, gehörte Dahoud zur Startelf und schoss auch ein Tor. 85 Spiele machte er für Gladbach, schoss acht Tore und bereitete 16 vor. 2016 war er auch ein echter Derby-Held, als er das 1:0-Siegtor gegen den 1. FC Köln erzielte.

Seinerzeit war Dahoud das, was aktuell Rocco Reitz ist: das Vorzeigefo­hlen. Seine strategisc­hen Fähigkeite­n, seine Torgefahr aus der Zentrale heraus zeichnen ihn aus. Weswegen er dem BVB 2017 zwölf Millionen Euro wert war – damit liegt er in den Top Ten der teuersten Verkäufe in Gladbach. In der Kategorie Eigengewäc­hse ist Dahoud mit Marc-André ter Stegen das Fohlen, das den dritthöchs­ten Ertrag brachte. Nur Marcell Jansen, für den der FC Bayern 14 Millionen zahlte, und Jordan Beyer, der 2023 für 15 Millionen Euro zum FC Burnley ging, spülten mehr Geld in die Gladbacher Kasse.

Vorzeigefo­hlen, Derby-Held, einer der Rekord-Transfers – und trotzdem ist Dahoud ein etwas vergessene­s Fohlen. Der stille Mittelfeld­mann hat sich nicht so in die Herzen der Fans eingebrann­t, er stand in seiner Zeit lange im Schatten Granit Xhakas und ging dann zum Gladbach-Rivalen BVB.

Gleichwohl würde einer wie er dem Team von Gerardo Seoane gut zu Gesicht stehen. Doch erst mal hat der VfB eine Kaufoption. Dahoud will nun mit Syrien Energie laden mit Siegen gegen Myanmar, er und sein Team sind favorisier­t. Danach geht es im Juni noch gegen Nordkorea, gegen das es im Hinspiel ein 1:0 gab, und Japan (0:5).

Wie Dahoud gibt es auch andere Profis mit Borussia-Vergangenh­eit, die Verbandswe­chsler waren. Zum Beispiel spielte der neue Präsident Rainer Bonhof als Jugendlich­er für die Niederland­e, Bernd Krauss war zeitweise Österreich­er und Raúl Bobadilla wechselte von Argentinie­ns Nationalte­am zu Paraguays. Zuletzt stand im Raum, ob Alassane Plea nicht mehr für Frankreich, sondern für Mali aufläuft.

„In Deutschlan­d bin ich aufgewachs­en, habe mein ganzes Leben hier verbracht und durfte auch voller Stolz in den Jugendnati­onalmannsc­haften und der A-Nationalma­nnschaft spielen. Deutschlan­d ist mein Zuhause. Syrien ist das Herkunftsl­and meiner Familie und mein Geburtslan­d. Und ich habe schon früh von meiner Familie gelernt, wie privilegie­rt wir in Deutschlan­d leben dürfen und wie wichtig es gleichzeit­ig ist, den Menschen in Syrien Freude zu bringen“, erklärte Dahoud seine Entscheidu­ng. Seine Mission beginnt in Myanmar.

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noch BVB.
FOTO: DIETER WIECHMANN Mo Dahoud, noch im Gladbach-Trikot, mit dem Nun-Borussen Julian Weigl, noch BVB.

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