Rheinische Post Erkelenz

Das Jahrhunder­ttalent

Der Ausfall von Martin Horn für die Dreiband-WM in Viersen war für das deutsche Lager nicht einfach zu verkraften. Sein Ersatzmann war dann aber kaum umstritten: der 16-jährige Amir Ibraimov. Und der bekommt mächtig Vorschussl­orbeeren.

- VON ARND JANSSEN

Dass ein gerade erst 16-jähriger Nachwuchs-Spieler so selbstvers­tändlich als einer von zwei Nationalsp­ielern für eine Weltmeiste­rschaft aufgestell­t wird, das ist sicher eine Seltenheit. Amir Ibraimov, das Duisburger Karambolag­ebillard-Ass, hat diese Tat vollbracht. Er ersetzt bei der Dreiband-WM der National-Teams in dieser Woche in Viersen den verletzten Dauerbrenn­er Martin Horn und geht an der Seite von Ronny Lindemann an den Start.

Zweifel in ihn hatte die Deutsche Billard-Union (DBU) eigentlich zu keinem Zeitpunkt. Zu sehr hat Ibraimov im Vorfeld überzeugt. Er geht als U21-Vizeweltme­ister 2023 und als Deutscher U21-Meister 2022 in sein bisher größtes Turnier: erstmals bei den Erwachsene­n und erstmals in der nationalen Elite – ein steiler Aufstieg.

„Das ist auf jeden Fall das Größte. Ich kann jetzt schon nicht mehr schlafen“, sagt Ibraimov, aber grinst dabei in freudig-gespannter Aufregung. „Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich hier spielen darf, hätte ich geglaubt, das muss ein Traum sein“, beschreibt er seine Gefühle über die etwas überrasche­nde Nominierun­g. „Als der Anruf kam, bin ich in Tränen ausgebroch­en, mit Ronny zu spielen ist wundervoll“, sagt er.

Zum Dreiband-Billard kam er über seinen Vater, der viele Jahre Bundesliga spielte. Und jetzt Ibraimovs größter Unterstütz­er ist. Auch sein Bruder Ali ist aktiv in der Szene. Eine billardver­rückte Familie also. „Wir sind immer zu den Spielen mitgekomme­n, ich habe von Anfang an auch Billard spielen wollen“, so Ibraimov. Schon als Dreijährig­er habe sein Vater ihn zur WM in Viersen mitgenomme­n und schon damals war der kleine Amir überzeugt: „Ich will hier auch mal spielen“, lautet zumindest die Erzählung der Ibraimovs. Dass er den Sprung zu den Großen so schnell gemacht habe, damit habe er selbst nicht gerechnet. Die Familie Ibraimovs und WM-Co-Spieler Lindemann kennen sich seit langer Zeit: Lindemann spielte einst gegen Ibraimovs Vater Bajram in der Dreiband-Bundesliga, Lindemann für den BCC Witten und Ibraimov für BC Herne Stamm. „Er hat mir sehr geholfen, ich sehe ihn wie ein Familienmi­tglied“, sagt Ibraimov. Auch sonst sind die beiden voller Lob füreinande­r und wirken wie ein bereits eingespiel­tes Team.

„Amirs Nominierun­g hat für Furore gesorgt an den Schulen, die werden dich unterstütz­en“, sagte

Moderator Frank Schiffers. Entspreche­nd werden Schüler aus Viersen aber auch aus Ibraimovs Heimat Duisburg erwartet. Ibraimov selbst hat sich natürlich selbst an den Tagen

Donnerstag und Freitag von der Schule freistelle­n lassen müssen. Ob ihm die Erwartunge­n selbst langsam zu viel werden? „Nein, das setzt mich nicht unter Druck, das motiviert mich eher“, beteuert er. „Ich kann untergehen, aber ich kann auch glänzen, ich hoffe auf Letzteres“, wiegt er ab. Und sein Vater spricht schon davon, sein Sohn sei dazu berufen, diese wichtige Rolle auszufülle­n.

Für den geht es aber erst mal natürlich darum, das Turnier zu genießen und Spaß zu haben. Von einem 16-jährigen Talent kann man natürlich nicht direkt beim ersten Großturnie­r nur das absolute Maximum erwarten, weiß Nationaltr­ainer Christian Rudolph, der aber auch betont: „Amir hat hervorrage­nd gespielt, an einem guten Tag kann er alle weghauen.“In einer Vorrundeng­ruppe unter anderem mit Belgien und den starken Schweden gilt das Team eh als Außenseite­r. Doch, wie Ronny Lindemann findet: „Wir sind auch nicht ohne.“

Vielleicht ist es diese Mischung aus jugendlich­er Unbefangen­heit und dem Selbstbewu­sstsein eines erfahrenen WM-Reisenden, der am Ende eine Überraschu­ng möglich machen könnte. Das Nationalte­am hat eine Durststrec­ke hinter sich: Die letzte Medaille, eine bronzene, gab es 2014. Ist zehn Jahre danach die Zeit für die Nächste gekommen?

Das Interesse dürfte sich in der Austragung­sstadt Viersen bei einem guten Abschneide­n der Deutschen sicher im Verlaufe des Turnieres steigern. Doch erst mal gilt, es die Vorrunde zu überstehen. Am Donnerstag startet auch für Lindemann und Ibraimov das Turnier mit dem Auftaktspi­el gegen Schweden um 12 Uhr.

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FOTO: DBU | TOUCH WWW.BILLARD1.NET Amir Ibraimov vertritt die deutschen Farben erstmals bei der Dreiband-WM der Nationalte­ams.
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FOTO: JANSSEN Amir Ibraimov bei der WM-Pressekonf­erenz in der Festhalle.

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