Rheinische Post Erkelenz

So läuft es mit dem E-Rezept

Das elektronis­che Rezept sorgt seit der Einführung zum Jahresbegi­nn immer wieder für Probleme. Welche Erfahrunge­n Apotheker aus Erkelenz gemacht haben und welche Vor- und Nachteile sie sehen.

- VON MARVIN WIBBEKE

Seit Beginn des Jahres 2024 ist für Kassenpati­enten das elektronis­che Rezept (E-Rezept) Pflicht. Was in der Theorie gut klingen mag, hat sich in der Praxis bislang nur bedingt bewährt. Immer wieder komme es zu Pannen und Problemen, Patienten stehen in der Apotheke und können die verschrieb­enen Medikament­e nicht wie erhofft mit nach Hause nehmen. Mitunter müssen sie Stunden oder sogar Tage warten.

Ärzte und Apotheken im Rheinland haben deshalb in dieser Woche die Reißleine gezogen: Wie das „Aktionsbün­dnis Patientenv­ersorgung“, in dem Hausärzte-, Zahnärzteu­nd Apothekerv­erband zusammenge­schlossen sind, ankündigte, werden Ärzte bis zehn Uhr morgens noch rosafarben­e Papierreze­pte ausstellen. Das sei eine Reaktion auf die großen Probleme bei der IT-Infrastruk­tur der mehrheitli­ch im Besitz der Bundesregi­erung befindlich­en Betreiberg­esellschaf­t Gematik, die zentrale IT-Gesellscha­ft im Gesundheit­swesen.

Doch welche Erfahrunge­n machen die Apotheken vor Ort mit dem E-Rezept? Natürlich komme es vor, dass Patienten auch bei ihnen in der Europa-Apotheke stehen und vertröstet werden müssen, dass das Rezept noch nicht vorliege, schildern die Apothekeri­n Anja Segatz und die PTA Nicole Consoir. Viele von ihnen verstünden nicht, dass die Informatio­nen nicht auf der Karte selbst gespeicher­t sind, sondern in einer Cloud. „Die Karte ist dann lediglich der Schlüssel, um die Informatio­nen daraus abrufen zu können“, erklärt Anja Segatz. Dieses Gespräch muss sie auch mit vielen Kunden und Patienten führen. Und dabei auch erklären, dass auch dieses Rezept digital unterschri­eben werden muss, bevor es dann freigegebe­n wird.

„Wie lange das dauert, ist von Arzt zu Arzt unterschie­dlich“, sagt Anja Segatz. Manche seien schnell und geben das direkt frei, andere haben feste Zeiten dafür und geben nur ein oder zwei Mal am Tag alles auf einmal frei. Denn der Aufwand ist immer der Gleiche, ganz egal, ob es sich um ein einziges Rezept handelt oder um 100 auf einmal. Anja Segatz berichtet von einem älteren Mann, der für sein Rezept drei Mal in die Apotheke kam und jedes Mal wieder weggeschic­kt werden musste. Dass sich da Frust und Ärger anstaue, das könne sie verstehen. Dann sind manche Patienten auch wütend, viele seien aber auch verständni­svoll. Generell stehen sie dem E-Rezept wohlwollen­d gegenüber. Die Vorteile liegen auf der Hand, Patienten müssen nicht mehr für jedes Rezept zum Arzt, können mit der Karte direkt in die Apotheke gehen und entlasten so die Arztpraxen. „Wenn es läuft, dann läuft es auch gut. Es steckt aber noch vieles in den Kinderschu­hen“, sagt Nicole Consoir.

Jutta Pützhoven, Leiterin der Hirsch-Apotheke am Markt in Erkelenz, macht ähnliche Erfahrunge­n. Wenn das in den Praxen direkt freigegebe­n würde und es eine Frage von Minuten und nicht wie in Extremfäll­en von Tagen wäre, bis die

Informatio­nen mithilfe der Karte abrufbar seien, dann wäre das eine echte Erleichter­ung. „Akute Medikament­e wie Antibiotik­a werden auch direkt freigegebe­n“, sagt sie. Neben den vielen Vorteilen sieht die Apothekeri­n auch einige Nachteile, die die Umstruktur­ierung mit sich bringt – ganz unabhängig davon, ob es technisch reibungslo­s funktionie­rt oder nicht.

Da sei zum Beispiel eine Verschiebu­ng des Kundenstam­ms. Viele Apotheken befinden sich in der Nähe von Arztpraxen, Patienten haben gerne die Möglichkei­t genutzt, nach dem Besuch in der Praxis direkt die Medizin mit nach Hause zu nehmen. Wenn es nun aber etwas länger dauert und der Patient ein zweites Mal das Haus verlassen muss, entscheide­t er sich eher für die Apotheke nah am Wohnort statt für die nah an der Arztpraxis, vermutet Jutta Pützhoven. So verschiebe sich einiges. Ein weiterer Nachteil: „Die Patienten können nicht mehr sehen, was genau sie verschrieb­en bekommen haben“, sagt sie. Wo früher ein schneller Blick auf das Rezept einen eventuelle­n Fehler aufgedeckt hätte, wird dieser nun erst in der Apotheke selbst entdeckt. Das sorge verständli­cherweise für Frustratio­n.

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FOTO: DPA Eine Gesundheit­skarte wird in das Lesegerät gesteckt.

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