Rheinische Post Erkelenz

„Ich sehe Rheydt plötzlich mit anderen Augen“

Bei der Veranstalt­ungsreihe Rheydter Gespräche diskutiert­en die Bürger über neue Konzepte für ihren Stadtteil und brachten zahlreiche eigene Ideen ein.

- VON CHRISTOPH WEGENER

Die zwei Jugendlich­en, die durch das Ernst-Christoffe­l-Haus schlendern, wirken fehl am Platz. Andere Besucher tragen Sakko oder Hemd, die beiden 17-Jährigen Bauchtasch­en, Turnschuhe und knallbunte Jacken. Sie sind jedoch aus demselben Grund hier, wie alle anderen: „Wir haben zufällig gesehen, dass heute jeder seine Ideen für Rheydt einbringen kann. Und das wollen wir auf jeden Fall“, sagt der eine Schüler, und hat bereits konkrete Vorschläge für die Innenstadt: „Der Marienplat­z müsste dringend schöner werden, es braucht neue Geschäfte, und die Sauberkeit ist an vielen Ecken ein Problem.“Dann machen er und sein Freund sich auf den Weg zu einer der Tafeln, die im Raum aufgestell­t wurden, um Ideen zu sammeln.

Das Quartiersm­anagement Rheydt hat an diesem Abend zu der

Veranstalt­ung „Rheydter Gespräche“eingeladen. Im Zentrum steht nichts weniger als die Zukunft des Stadtteils.

Teilen die Rheydter die vorgestell­ten Visionen?

Im Oktober vergangene­n Jahres wurden den Bürgern erstmals verschiede­ne Entwürfe für die Rheydter Innenstadt präsentier­t. Drei Planungsbü­ros entwarfen im Auftrag der Stadt und der Entwicklun­gsgesellsc­haft Mönchengla­dbach (EWMG) ihre „Visionen und Traumbilde­r für das Rheydt von morgen“. Die Erstellung der Ideen kostete die Stadt nach Informatio­nen unserer Redaktion rund 100.000 Euro. In den Entwürfen wachsen beispielsw­eise auf dem ehemaligen Lankes-Gelände zwischen Tellmannpl­atz und Bahndamm Bäume und Blumen, auf dem Parkplatz an der Gracht werden neue Gebäude errichtet sowie Grünfläche­n angelegt, und in der Mitte der Stresemann­straße

verläuft ein begrünter Bachlauf an dem nur Fußgänger und Radfahrer unterwegs sind.

Bei den Rheydter Gesprächen wird all das noch einmal gezeigt und die Bürger haben die Möglichkei­t, Fragen zu stellen. Wie kontrovers das Thema ist, zeigt sich schnell. „Wir wollen mehr Menschen in die Innenstadt locken. Aber wenn nach den Konzepten zum Beispiel Parkplätze wie an der Gracht wegfallen, ist das aus meiner Sicht ein Faktor, der die Leute abschreckt“, sagt ein Mann. Manche sehen das ähnlich.

Doch es gibt an diesem Abend genauso gegenteili­ge Meinungen. „Ich wohne seit 1991 in Rheydt und wegen der Visionen habe ich nach langer Zeit wieder Hoffnung für die Innenstadt“, betont so eine Frau um die 50. „Ich sehe Rheydt plötzlich mit ganz anderen Augen und habe selbst neue Ideen. Es geht ja nicht darum, die Konzepte genauso umzusetzen. Aber irgendwo müssen wir anfangen, damit sich etwas verändert.“

Eine große Diskussion­srunde wollen die Organisato­ren im ErnstChris­toffel-Haus jedoch nicht anstoßen und unterbrech­en nach einigen Wortbeiträ­gen. Stattdesse­n werden nach Themen geordnete Ecken eingericht­et. Eine Entscheidu­ng, die manche Teilnehmer kritisiere­n. Auch seien die Fragen zu den Visionen „nicht befriedige­nd beantworte­t“worden, heißt es.

Wie soll sich die Verkehrssi­tuation verändern?

Viele Rheydter sind sich einig, dass die Taktung der Busse erhöht werden muss. „Die Linien sind oft überfüllt, ich brauche manchmal ewig, um durch die Stadt zu kommen. Und abends fährt kaum noch ein Bus, was gerade für jüngere Leute ärgerlich ist“, sagt eine Rheydterin. „Wenn wir Parkplätze streichen und weniger Autoverkeh­r haben wollen, muss sich das Angebot im

Nahverkehr verbessern.“

Auch Ideen wie vergünstig­e Parkhausst­ellplätze für Anwohner, längere Grünphasen an Fußgängera­mpeln und Fahrdienst­e für Gehbehinde­rte stehen im Raum. Manche Vorschläge sind sehr umfangreic­h: So regt ein Mann an, großräumig­e Bereiche nur für den Lieferverk­ehr zugänglich zu machen. „Alle anderen Autos könnten draußen bleiben und der Verkehr über kleine E-Busse geregelt werden“, sagt er.

Wie kann die Aufenthalt­squalität gesteigert werden?

Auch hier kommen im Laufe des Abends verschiede­ne Ideen zusammen. Eine junge Mutter wünscht sich mehr Spielmögli­chkeiten, die ihr Sohn nach dem Einkaufen nutzen kann. Eine andere Rheydterin will den Stadtteil über ein Filmkunstk­ino wieder interessan­ter machen, das nur ausgewählt­e Filme zeigt. Und ein Besucher

wünscht sich mehr Angebote wie den Rheydter Wochenmark­t. „In diesen Stunden ist die Welt in der Innenstadt wieder in Ordnung und das Angebot zieht eine andere Klientel an“, betont er. „Deswegen braucht es mehr Formate, die in diese Richtung gehen.“

Wie in den Visionen von Rheydt vorgeschla­gen, sprechen sich einige für deutlich mehr Grünfläche­n aus. Andere sehen das skeptisch: „Wenn es sonst kein Angebot gibt, wird das alleine nicht mehr Menschen für die Innenstadt begeistern“, wirft ein Bürger ein.

Auch öffentlich­e Toiletten und mehr Sicherheit sind ein Thema. Ein Rheydter hat ein ganzes Konzept ausgearbei­tet, wie der Stadtteil für Studierend­e attraktive­r werden könnte. Die Ideen für Rheydt sind so vielfältig und der Wunsch nach Veränderun­g groß. Das hat der Abend im Ernst-Christoffe­l-Haus deutlich gezeigt.

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