„Ich sehe Rheydt plötzlich mit anderen Augen“
Bei der Veranstaltungsreihe Rheydter Gespräche diskutierten die Bürger über neue Konzepte für ihren Stadtteil und brachten zahlreiche eigene Ideen ein.
Die zwei Jugendlichen, die durch das Ernst-Christoffel-Haus schlendern, wirken fehl am Platz. Andere Besucher tragen Sakko oder Hemd, die beiden 17-Jährigen Bauchtaschen, Turnschuhe und knallbunte Jacken. Sie sind jedoch aus demselben Grund hier, wie alle anderen: „Wir haben zufällig gesehen, dass heute jeder seine Ideen für Rheydt einbringen kann. Und das wollen wir auf jeden Fall“, sagt der eine Schüler, und hat bereits konkrete Vorschläge für die Innenstadt: „Der Marienplatz müsste dringend schöner werden, es braucht neue Geschäfte, und die Sauberkeit ist an vielen Ecken ein Problem.“Dann machen er und sein Freund sich auf den Weg zu einer der Tafeln, die im Raum aufgestellt wurden, um Ideen zu sammeln.
Das Quartiersmanagement Rheydt hat an diesem Abend zu der
Veranstaltung „Rheydter Gespräche“eingeladen. Im Zentrum steht nichts weniger als die Zukunft des Stadtteils.
Teilen die Rheydter die vorgestellten Visionen?
Im Oktober vergangenen Jahres wurden den Bürgern erstmals verschiedene Entwürfe für die Rheydter Innenstadt präsentiert. Drei Planungsbüros entwarfen im Auftrag der Stadt und der Entwicklungsgesellschaft Mönchengladbach (EWMG) ihre „Visionen und Traumbilder für das Rheydt von morgen“. Die Erstellung der Ideen kostete die Stadt nach Informationen unserer Redaktion rund 100.000 Euro. In den Entwürfen wachsen beispielsweise auf dem ehemaligen Lankes-Gelände zwischen Tellmannplatz und Bahndamm Bäume und Blumen, auf dem Parkplatz an der Gracht werden neue Gebäude errichtet sowie Grünflächen angelegt, und in der Mitte der Stresemannstraße
verläuft ein begrünter Bachlauf an dem nur Fußgänger und Radfahrer unterwegs sind.
Bei den Rheydter Gesprächen wird all das noch einmal gezeigt und die Bürger haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Wie kontrovers das Thema ist, zeigt sich schnell. „Wir wollen mehr Menschen in die Innenstadt locken. Aber wenn nach den Konzepten zum Beispiel Parkplätze wie an der Gracht wegfallen, ist das aus meiner Sicht ein Faktor, der die Leute abschreckt“, sagt ein Mann. Manche sehen das ähnlich.
Doch es gibt an diesem Abend genauso gegenteilige Meinungen. „Ich wohne seit 1991 in Rheydt und wegen der Visionen habe ich nach langer Zeit wieder Hoffnung für die Innenstadt“, betont so eine Frau um die 50. „Ich sehe Rheydt plötzlich mit ganz anderen Augen und habe selbst neue Ideen. Es geht ja nicht darum, die Konzepte genauso umzusetzen. Aber irgendwo müssen wir anfangen, damit sich etwas verändert.“
Eine große Diskussionsrunde wollen die Organisatoren im ErnstChristoffel-Haus jedoch nicht anstoßen und unterbrechen nach einigen Wortbeiträgen. Stattdessen werden nach Themen geordnete Ecken eingerichtet. Eine Entscheidung, die manche Teilnehmer kritisieren. Auch seien die Fragen zu den Visionen „nicht befriedigend beantwortet“worden, heißt es.
Wie soll sich die Verkehrssituation verändern?
Viele Rheydter sind sich einig, dass die Taktung der Busse erhöht werden muss. „Die Linien sind oft überfüllt, ich brauche manchmal ewig, um durch die Stadt zu kommen. Und abends fährt kaum noch ein Bus, was gerade für jüngere Leute ärgerlich ist“, sagt eine Rheydterin. „Wenn wir Parkplätze streichen und weniger Autoverkehr haben wollen, muss sich das Angebot im
Nahverkehr verbessern.“
Auch Ideen wie vergünstige Parkhausstellplätze für Anwohner, längere Grünphasen an Fußgängerampeln und Fahrdienste für Gehbehinderte stehen im Raum. Manche Vorschläge sind sehr umfangreich: So regt ein Mann an, großräumige Bereiche nur für den Lieferverkehr zugänglich zu machen. „Alle anderen Autos könnten draußen bleiben und der Verkehr über kleine E-Busse geregelt werden“, sagt er.
Wie kann die Aufenthaltsqualität gesteigert werden?
Auch hier kommen im Laufe des Abends verschiedene Ideen zusammen. Eine junge Mutter wünscht sich mehr Spielmöglichkeiten, die ihr Sohn nach dem Einkaufen nutzen kann. Eine andere Rheydterin will den Stadtteil über ein Filmkunstkino wieder interessanter machen, das nur ausgewählte Filme zeigt. Und ein Besucher
wünscht sich mehr Angebote wie den Rheydter Wochenmarkt. „In diesen Stunden ist die Welt in der Innenstadt wieder in Ordnung und das Angebot zieht eine andere Klientel an“, betont er. „Deswegen braucht es mehr Formate, die in diese Richtung gehen.“
Wie in den Visionen von Rheydt vorgeschlagen, sprechen sich einige für deutlich mehr Grünflächen aus. Andere sehen das skeptisch: „Wenn es sonst kein Angebot gibt, wird das alleine nicht mehr Menschen für die Innenstadt begeistern“, wirft ein Bürger ein.
Auch öffentliche Toiletten und mehr Sicherheit sind ein Thema. Ein Rheydter hat ein ganzes Konzept ausgearbeitet, wie der Stadtteil für Studierende attraktiver werden könnte. Die Ideen für Rheydt sind so vielfältig und der Wunsch nach Veränderung groß. Das hat der Abend im Ernst-Christoffel-Haus deutlich gezeigt.