„Jede Woche ein neuer Kühlschrank des Grauens“
Profi-Entrümpler Mirco Fiedler aus Mönchengladbach gibt Einblicke in seinen Berufsalltag. Was er an seinem Beruf schätzt, wieso ein gutes Team wertvoll ist, und welche Ekelfunde er und seine Kollegen schon machen mussten.
Weingläser, alte Kassenzettel, mehrere Briefe, einer von ihnen adressiert „an das liebe Christkind im Himmel“. Routinierte Hände, denen man ansieht, dass mit ihnen gearbeitet wird, legen die Gegenstände in eine große schwarze Wanne. Die Hände gehören Mirco Fiedler. Er ist seit 13 Jahren beim „Rümpel-König“in Mönchengladbach angestellt. Für ihn ist dieser Tag in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im Süden der Stadt ein ganz normaler Arbeitstag. Positiv sei, dass die Wohnung im Erdgeschoss liege, sagt der bärtige Mann. „Keine Treppen laufen zu müssen, ist immer ein großer Vorteil. Der Laufweg ist in diesem Fall trotzdem enorm, weil die Wohnung im hinteren Bereich der Anlage liegt.“
Der Senior, der hier lebte, ist in ein Altersheim umgezogen und konnte dorthin nicht alle Möbel und sonstigen Gegenstände mitnehmen. „Das Meiste, was noch hier ist, wird entsorgt“, sagt Fiedler. „Ein paar Dinge bringen wir dem ehemaligen Bewohner vorbei, wie den Fernseher und ein paar persönliche Sachen, aber 98 Prozent werden im Müll landen.“
Der Profi-Entrümpler hat fünf Kollegen zur Unterstützung dabei. Es ist nicht der erste Tag, an dem sie zusammenarbeiten. „Wir sind ein eingespieltes Team und kennen uns ganz gut. Immerhin verbringen wir jede Menge Zeit zusammen“, sagt Fiedler. „Man freundet sich an und hilft sich auch privat.“Dass man die Kollegen kennt, sei von großem Vorteil im Berufsalltag. Beispielsweise beim gemeinsamen Tragen von großen oder schweren Gegenständen. „Jeder Mensch trägt unterschiedlich. Mit unserem Lkw-Fahrer trage ich nicht so gerne, er wackelt mir zu viel“, sagt der gelernte Dachdecker.
Doch auch bei aller Vorsicht und allem Teamwork kann mal etwas schief gehen. „Ich weiß selbst nicht, wie es passiert ist. Aber einmal habe ich das Auto beladen und bin irgendwann auf dem Boden liegend wieder aufgewacht. Muss wohl ausgerutscht sein“, sagt Fiedler und zuckt mit den Schultern. Ein anderes Mal hätten Gurte nicht so gehalten, wie es vorgesehen gewesen
sei, und plötzlich habe er unter der Waschmaschine gelegen. Geschichten dieser Art fallen jedem seiner Kollegen ein. Aber die Männer sehen es positiv. Immerhin halte der Job fit. Zusätzlichen Sport brauche hier keiner, da sind sie sich einig.
Die Tür der Zwei-Zimmer-Wohnung steht weit offen, einige der schwarzen Wannen, die man gewöhnlich eher auf einer Baustelle als in einer Wohnung sieht, sind bereits
bis oben hin gefüllt. Um später auf der Mülldeponie weniger Arbeit zu haben, sortieren die Entrümpler bereits in der Wohnung grob vor: Kleidung kommt in eine Wanne, Elektrogeräte in eine andere und so weiter. Die Routine ist jedem der Männer anzumerken. Jeder Handgriff sitzt. Kein Gang wird umsonst getan. Keine Gefühlsduselei bei persönlichen Funden. „Wir meinen das nicht böse, aber ehrlich gesagt
stumpft man ab. Ich schaue mir die Sachen gar nicht genau an, dazu haben wir auch nicht die Zeit“, erklärt Fiedler.
Es nehme ihn auch nicht mehr mit, dass der Grund für die Wohnungsräumung häufig der Tod des vorherigen Bewohners oder der Bewohnerin ist. „Das ist nicht respektlos gegenüber den Angehörigen gemeint. Wir wissen natürlich, dass sie eine schwere Zeit durchmachen“,
sagt Fiedler. Eine Hemmschwelle konnte er dennoch bis heute nicht überwinden: „Wenn über der Tür ein Kreuz hängt. Das kann ich nicht abhängen.“Und das, obwohl er nicht religiös sei.
So sehr Fiedler sein Team und seinen Job schätzt, begibt er sich durch ihn gelegentlich auch in Wohnungen, die er lieber nicht betreten hätte. „Man sieht manchmal Dinge, die man gar nicht für möglich gehalten
hätte. Da schockiert uns so schnell nichts mehr“, sagt er. Von vollständig zugemüllten Räumen über tote Tiere bis hin zu Exkrementen, die an Wände geschmiert wurden oder auf dem Ceranfeld liegen – Fiedler und sein Team haben schon Einiges zu sehen bekommen. „Wir küren fast jede Woche einen neuen Kühlschrank des Grauens“, sagt er. Zugemüllte Räume habe man auch schon mit der Schneeschippe und Ganzkörperanzügen geräumt. „Einmal haben wir im Wohnzimmer eine richtige Lagerfeuerstelle vorgefunden. Mitten drin, auf dem Laminatboden, mit ein paar losen Steinen umrandet.“Sein Kollege Peter Steffens erinnert sich an ein Badezimmer, in dem unzählige kleine Tüten, gefüllt mit dreckigem Katzenstreu, standen. „Sie waren an einer Wand bis unter die Decke hochgestapelt.“Solche Extreme seien aber eher die Seltenheit. „Dagegen ist das hier Alltag, nichts Außergewöhnliches“, sagt Fiedler und macht eine Geste durch die Zwei-Zimmer-Wohnung, die es heute zu räumen gilt.
Auch weniger schockierende Gegenstände, die vergessen wurden oder für die der ehemalige Bewohner schlicht keinen Abnehmer gefunden hat, wie Autos, Motorräder oder historische Möbelstücke, finde man gelegentlich vor. „Der Wert wird dann mit dem Betrag verrechnet, den der Kunde für den Auftrag zahlen muss“, sagt Fiedler. Wenn Schmuck oder Bargeld entdeckt werden, so würden sie diese Dinge ihrem Chef aushändigen, der sie den Angehörigen übermittelt.
Hier und da eine Zigarettenpause, ansonsten wird fleißig geräumt, schließlich gilt: Umso schnell sie mit dem Auftrag fertig sind, desto eher können sie Feierabend machen. Und schon wird wieder zugepackt: Eine Waschmaschine ist mithilfe einer Sackkarre bereits auf dem Weg nach draußen und auch die Kiste mit dem Weihnachtswunschbrief wird angehoben. Besenrein muss die Wohnung am Ende sein. Schrauben rausgedreht, Nägel gezogen. Und am nächsten Tag wartet schon der nächste Auftrag.