Rheinische Post Erkelenz

Politiker stellen sich Schülerfra­gen

Am 9. Juni wird das EU-Parlament gewählt. Knapp 220 Schüler des Cusanus-Gymnasiums werden dann zum ersten Mal wählen dürfen. Zwölf Politiker stellen sich vorher in einem World Café ihren Fragen.

- VON CHRISTOS PASVANTIS

Die Europawahl gilt in der Politikwis­senschaft als „Nebenwahl“, also eher zweitrangi­g, weil das EU-Parlament für die meisten Menschen zumindest gefühlt weit weg ist. Für die Schüler des Cusanus-Gymnasiums hingegen gilt das nicht. 220 von ihnen werden am 9. Juni zum ersten Mal ihr Wahlrecht ausüben dürfen. Vorher werden sie sich an ihrer Schule nicht nur intensiv mit den Wahlprogra­mmen der großen Parteien auseinande­rsetzen, sondern am 30. April auch zwölf Politiker aus sechs Parteien mit Fragen löchern.

Weil das Wahlalter für die Europawahl von 18 auf 16 gesenkt wurde, sind in diesem Jahr deutlich mehr Schüler betroffen. Mitmachen werden im Cusanus auch Zehntkläss­ler der Europaschu­le (Realschule).

Das Konzept „World Café“hat sich im Gymnasium in den vergangene­n Jahren bewährt. „Die Schüler arbeiten sich richtig in die Wahlprogra­mme und die Themen ein, das gibt im Anschluss dann spannende Diskussion­en“, sagt Nicky Born, stellvertr­etender Schulleite­r.

Dass das Wahlalter herunterge­setzt wurde, sei für die Schüler natürlich eine gute Nachricht – bedeute aber auch eine zusätzlich­e Herausford­erung für das World Café, das schließlic­h an die jüngeren Schüler angepasst werden muss. „Wir haben das Format ein wenig abgewandel­t, damit wir auch die jüngeren Schüler an das Thema Politik heranführe­n können“, erklärt Kenan Holger Irmak, Lehrer und Mitverantw­ortlicher für das Programm.

Im Fokus steht aber die Debatte mit den Politikern – und das in einem kleinen Rahmen im Speeddatin­g-Format. In wechselnde­r

Form werden die Politiker sich den Fragen von Gruppen mit maximal 20 Schülern stellen. „Eine Podiumsdis­kussion mit mehr als 200 Schülern macht wenig Sinn, da wäre die Scheu für die Schüler zu groß und die Aufmerksam­keit in den hinteren Reihen würde vermutlich nachlassen.“Bei vergangene­n Wahlen hatte sich das Konzept bewährt – und es war durchaus erstaunlic­h, wie gut die Schüler vorbereite­t waren und wie kritisch sie hinterfrag­ten.

Vorrangig soll es um zwei Themenkomp­lexe gehen, über die die Schülersch­aft abgestimmt hat: Welchen Beitrag kann Europa noch gegen die Erderhitzu­ng leisten und welchen Beitrag kann die EU zur Sicherheit und zum Frieden in der Welt (etwa in der Ukraine) leisten. Auffällig war dabei für Irmak: Während die Jungen sich vor allem für das Thema Sicherheit interessie­rten, war das Thema Klimaschut­z bei den Mädchen viel höher angesiedel­t.

Um welche Fragen es beim World Café genau gehen wird? „Das wollen

auch die Politiker wissen, aber wir rücken vorher keinen Fragebogen raus“, sagt Kenan Holger Irmak lachend. Ohnehin erarbeiten die Schüler ihre Fragen erst kurz vor der Veranstalt­ung. Und so werden die Kandidaten gut gerüstet sein müssen.

Eingeladen werden jeweils zwei Vertreter der sechs Parteien, die im Bundestag vertreten sind. Auf jede davon werden die Schüler im Voraus im Unterricht vorbereite­t –

wohl wissend, dass manche Parteien zu den Themen Umweltschu­tz und Sicherheit polarisier­ende bis extreme Meinungen haben. „Auch darauf gehen wir im Unterricht ein“, sagt Schulleite­r Jörg Diepenthal. Insgesamt 40 Lehrkräfte sind in das World Café involviert, unter anderem als Moderatore­n der Veranstalt­ungen. In der Vergangenh­eit sei es bereits vorgekomme­n, dass Politiker Aussagen treffen, die schlichtwe­g falsch sind. „Deswegen

gehört bei uns ein Factchecki­ng im Anschluss an die Veranstalt­ung fest dazu. Die Lehrer sprechen mit den Schülern darüber, was die Politiker gesagt haben und sprechen auch klar an, wenn etwas nicht stimmt“, sagt Nicky Born. In krassen Fällen, wenn zum Beispiel Äußerungen fallen, die mit dem Wertesyste­m unserer Gesellscha­ft nicht in Einklang zu bringen sind, sind die Moderatore­n angehalten, sofort einzugreif­en.

Politische Bildung ist für Jugendlich­e heutzutage keine Selbstvers­tändlichke­it mehr. Instagram und Tiktok sind längst die bestimmend­en Informatio­nsquellen geworden. Auch hier will die Schule gegensteue­rn, vor allem im Fach Deutsch. „Wir werden künftig im Unterricht einen viel stärkeren Fokus darauf legen, aus welchen Quellen verlässlic­he Informatio­nen stammen und dass bei vermeintli­chen Fakten aus den sozialen Medien ein kritischer Abstand nötig ist. Da werden wir uns ab dem kommenden Schuljahr in der Deutsch-Fachschaft anders aufstellen“, kündigt Diepenthal an.

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FOTO: RUTH KLAPPROTH Das World Café gibt es im Cusanus-Gymnasium schon seit ein paar Jahren – hier vor der letzten Europawahl mit CDU-Politiker Bernd Krückel.

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