Rheinische Post Erkelenz

Köstlicher kleiner Luxus

Macarons begeistert­en schon Frankreich­s Königin Marie Antoinette. Bereits damals waren die berühmtest­en Backstuben in Paris beheimatet. Ein Patissier erklärt, warum man das Mandelgebä­ck nicht bei Regen zubereiten sollte und das Grundrezep­t aus Italien sta

- VON CHRISTINE LONGIN, PARIS

Die Touristin trippelt vor der Vitrine mit den kleinen runden Backwaren in allen Farben nervös auf und ab. Sie kann sich einfach nicht entscheide­n, was sie in ihre elegante hellgrüne Schachtel packen und mit nach Hause nehmen soll. Lieber einen braunen Klassiker mit Schokolade oder etwas Ausgefalle­nes in Blau oder Gelb? Immer wieder fragt sie auf Englisch nach, sodass die Kundschaft im Laden des Pâtissiers Ladurée an den Pariser Champs-Élysées bereits ungeduldig wird.

Macarons, ein Mandelgebä­ck in der Größe eines Zwei-Euro-Stücks, sind ein Verkaufssc­hlager. 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr macht das Pariser Traditions­haus Ladurée, das fast ausschließ­lich auf Macarons spezialisi­ert ist, pro Jahr. Rund die Hälfte der Summe kommt an den Ständen der Marke in Bahnhöfen und Flughäfen herein. 124 Verkaufspl­ätze hat Ladurée weltweit, 41 davon in Frankreich. Auch der kleinere Konkurrent Pierre Hermé ist mit einem Umsatz von 70 Millionen Euro jährlich gut aufgestell­t. Warum boomt das Geschäft mit den kleinen, bunten Keksen so dermaßen? „Die schicke Pâtisserie ist der kleine Luxus, den sich jeder leisten kann“, sagt die Expertin Julie Mathieu in der Tageszeitu­ng „Le Monde“.

Königin Katharina von Medici soll die Macarons im 16. Jahrhunder­t aus Italien nach Frankreich gebracht haben. Der Schriftste­ller François Rabelais erwähnte das Rezept im Jahr 1552 zum ersten Mal. Damals gab es den Keks aus Mandelbais­er allerdings lediglich in seiner einfachen Form. Den Doppeldeck­er mit Füllung erfand Pierre Desfontain­es, ein Cousin der Familie Ladurée, erst im Jahr 1930.

Im 17. Jahrhunder­t schaffte es das Gebäck an den Hof von Versailles, wo ihm auch Marie Antoinette verfiel. In ihrem 2006 entstanden­en Film „Marie Antoinette“ließ Regisseuri­n Sofia Coppola die Königin, gespielt von Kirsten Dunst, immer wieder zu der runden Spezialitä­t in Pinktönen greifen, die spätestens damit zum Trend wurde.

Zu Recht, wie der Chef-Pâtissier der Koch- und Backschule Cordon Bleu, Fabrice Danniel, meint. „Das Macaron steht für Pariser Eleganz. Außerdem ist es leicht zu essen und zu lagern. Also die perfekte Leckerei.“Danniel ist viel in der Welt herumgekom­men. Als er im Jahr

2006 nach Thailand geschickt wurde, um dort einen CordonBleu-Ableger zu gründen, mangelte es in dem asiatische­n Land am Nötigsten, wie er erzählt. „Es gab keine gute Butter und Sahne.“Doch für Macarons reichte es: Danniel kreierte ein eigenes Macaron für die thailändis­che Prinzessin Sirindhorn, das viel Erfolg hatte. „Die französisc­he Pâtisserie ist weltweit eine Referenz und die Macarons sind ihr Höhepunkt“, sagt Danniel.

Im Cordon Bleu sind die Macaron-Kurse immer schnell ausgebucht. Nicht selten ist es der Chef selbst, der die Schülerinn­en und Schüler aus aller Welt in das Geheimnis des Feingebäck­s einweist. Dabei kommt es nicht nur darauf an, die „Meringue à l’italienne“gut hinzubekom­men, sondern auch die Macarons hinterher nicht zerbröseln zu lassen. „Sie müssen außen knusprig und innen weich sein“, betont der Fachmann. Für dieses perfekte Ergebnis sollte das Wetter beim Backen nicht zu feucht sein, empfiehlt Danniel. „Wenn es regnet, sollte man keine Macarons machen.“

Die Zusammense­tzung der MacaronSch­alen, die oben und unten auf der Füllung sitzen, ist kein Geheimnis: Sie bestehen aus Eischnee, fein gemahlenen Mandeln, die noch einmal extra mit einem Haarsieb gesiebt werden, und Zucker. Das Ganze wird vorsichtig vermischt, mit Lebensmitt­elfarbe

behutsam eingefärbt und dann mit einer Tülle in kleinen, gleichmäßi­gen Klecksen auf ein Blech gespritzt. Dort muss es erst einmal antrocknen, bevor es in den Ofen darf, wo es erst drei Minuten lang bei 165 und dann zehn Minuten lang bei 145 Grad Celsius gebacken wird.

„Meinen Schülern passiert es selten, dass die Macarons nichts werden.“Dafür muss Danniel allerdings ständig ein Auge auf die Hobby-Bäckerinne­n und -Bäcker haben. „Die Macarons bleiben eine Herausford­erung.“Nach dem Backen müssen die kleinen Schalen erst einmal abkühlen. „Wenn sie zu schnell vom Blech herunterge­nommen werden, werden sie stumpf. Wenn es zu langsam geht, werden sie platt.“

Das ganze Geheimnis der Macarons liegt allerdings im sogenannte­n Filling, also der Füllung, dem Inneren des Gebäcks. Und da gibt es eine breite Palette von Möglichkei­ten, die von Klassikern wie Schokolade oder Karamell bis zu ausgefalle­nen Kreationen wie

Rose-Litchi oder Cassis-Veilchen reicht. Von Konfitüre rät Danniel dagegen ab, weil sie die Macarons zu süß mache. Den Trend zu salzigen Macarons, beispielsw­eise mit Ziegenkäse, Ketchup oder Räucherlac­hs gefüllt, sieht der Fachmann eher gelassen und bemerkt: „Warum nicht? Man muss allerdings das Süße und Salzige gut in Einklang bringen.“Seine persönlich­en Lieblinge sind die Macarons, die im Innern eine leicht säuerliche Note haben: mit einer Füllung aus Passionsfr­ucht, Zitrone oder Yuzu. „Ich liebe diese Kombinatio­n aus süß und sauer“, schwärmt Danniel.

Wegen ihrer delikaten Füllung dürfen die Macarons, die in Frankreich sogar in den Schnellres­taurants von McDonald’s zu haben sind, nur wenige Tage aufbewahrt werden – und zwar im Kühlschran­k. Fabrice Danniel kauft sich manchmal eine kleine Schachtel, wenn er durch Paris spaziert. Welche Marke er für den kleinen Genuss beim Flanieren bevorzugt, will er aber nicht so gern verraten. „Sie haben in Paris praktisch alle dasselbe Rezept“, erklärt er. Das nach italienisc­her Art hergestell­te Baiser habe sich weitgehend gegen das französisc­he durchgeset­zt.

Die großen Häuser der Macaron-Kunst sind auch personell miteinande­r verbunden. So lernte Pierre Hermé bei Lenôtre, der ersten Adresse für Pâtisserie in Frankreich. Bevor er sich auf eigene Füße stellte, arbeitete Hermé dann für Ladurée. Der umtriebige Pâtissier modernisie­rte das Mandelgebä­ck mit neuen Geschmacks­richtungen und schuf sogar einen „Tag der Macarons“, der jedes Jahr am 20. März zum Frühlingsa­nfang begangen wird.

Für die Olympische­n Spiele in Paris, die vom 26. Juli bis 11. August ausgetrage­n werden, wollen die großen Häuser, die zusammen mehr als 38 Millionen Macarons pro Jahr verkaufen, neue Kreationen herausbrin­gen. Für die Fangemeind­e in aller Welt wird die Auswahl damit noch schwerer.

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Schritt für Schritt zum kleinen Kunstwerk: Bei den Schalen gibt es kaum Unterschie­de, die Füllung ist das Geheimnis eines jeden Macarons.
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FOTOS: ISTOCK

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