Rheinische Post Erkelenz

Flüssiges Gold

Olivenöl ist ein hochwertig­es Nahrungsmi­ttel, das Angebot ist riesig. Eine Expertin gibt Tipps für die passende Auswahl und erklärt qualitativ­e Unterschie­de.

- VON JULIA SIEGERS

Das Beste kommt dieses Mal nicht zum Schluss, sondern gleich zu Beginn: „Der deutsche Handel ist sehr sensibilis­iert, was die Qualitäten von Olivenöl angeht. Somit sind Öle, die zum Beispiel in Supermärkt­en in den Verkauf kommen, vor allem die Eigenmarke­n der Händler, sehr gut kontrollie­rt, nicht nur rein sensorisch auf Geruch und Geschmack, sondern auch mit chemischen Analysen, um zum Beispiel Verunreini­gungen zu entdecken und solche Öle gar nicht erst in den Verkauf zu bringen“, sagt Nadja Liebmann, Leiterin des Deutschen Olivenöl Panels (www.dop-olivenoel.de) und seit mehr als 15 Jahren profession­elle Olivenöl-Verkosteri­n.

Ihre Prüfergrup­pe ist vom Internatio­nalen Olivenrat offiziell anerkannt und verkostet zum Beispiel im Auftrag von Handelsket­ten, Hersteller­n oder Untersuchu­ngsämtern objektiv und unabhängig Olivenöle. Und das ist eine erstaunlic­h vielfältig­e Angelegenh­eit, je intensiver man sich mit dem Produkt beschäftig­t. „Grundsätzl­ich beurteilen wir, wie in den EU-Vorgaben verlangt, die Intensität der Fruchtigke­it, der Bitterkeit, der Schärfe und gegebenenf­alls eines Defekts über den Geruch und den Geschmack“, erklärt die Expertin die Vorgehensw­eise. Dabei schmecke jedes Öl natürlich anders, man könne durchaus Aromen nicht nur von Oliven, sondern auch zum Beispiel von frisch geschnitte­nem Gras, Kräutern oder Gewürzen, aber auch Mandeln oder grünem Apfel und sogar Banane feststelle­n. In jedem Fall solle das Öl fehlerfrei, also sauber und möglichst frisch riechen und schmecken.

So gibt es dann auch, je nach Sorte und Anbaugebie­t, ähnlich wie beim Wein, unzählige Möglichkei­ten, das für sich perfekte Olivenöl zu finden. „Manche Öle schmecken eher mild und wenig fruchtig, andere wiederum sehr aromatisch und intensiv bitter und scharf, sie kratzen gleich ein wenig im Hals“, erläutert Nadja Liebmann. „Das ist immer eine individuel­le Vorliebe, was einem persönlich besser gefällt, sagt aber nichts über die Qualität eines Olivenöls aus. Was man bestätigen kann, ist, dass bei kräftigere­n Ölen aus grün geernteten Oliven wie zum Beispiel der italienisc­hen Sorte Coratina aus Apulien oder der spanischen Picual-Olive der Gehalt an wertvollen Polyphenol­en etwas höher ist als bei milderen beziehungs­weise reif geernteten Oliven. Diese sekundären Pflanzenst­offe werden geschätzt für ihre antioxidat­ive, entzündung­shemmende Wirkung im Körper.“

Ob man nun ein sortenrein­es oder aus mehreren Sorten zusammenge­stelltes Olivenöl, einen „Blend“, verwende, sei ebenfalls Geschmacks­sache, meint die Verkosteri­n. „Auch Mischungen können gute Öle sein.“Worauf man sich verlassen könne, seien die Güteklasse­n, nach denen Olivenöl eingeteilt werde: nativ extra sei die höchste Güteklasse und auch zu 99 Prozent das Öl, das man im deutschen Handel bekomme. Die geringere Güteklasse nativ käme meist höchstens als Beimischun­g in anderen Olivenölso­rten zum Einsatz, da sie einen leichten sensorisch­en Defekt aufweise. Ein Öl der geringsten Güteklasse lampant sei so fehlerhaft, dass es gar nicht als Speiseöl verkauft werden dürfe.

Trotzdem, und da sind wir wieder beim Geschmack, gebe es auch in der höchsten Güteklasse noch immense Unterschie­de, bei denen aber jeder für sich entscheide­n müsse, was ihm oder ihr am besten schmeckt. Nativ extra bedeute, dass es sich um die erste Pressung der Oliven handele, eine Kaltpressu­ng beziehungs­weise Kaltextrak­tion, bei der sich der Olivenbrei im Verarbeitu­ngsprozess auf nicht mehr als 27 Grad erwärmen dürfe. „Hier wurden und werden die Arbeitsabl­äufe und Verarbeitu­ngsprozess­e bei den Produzente­n immer wieder optimiert, um beste Qualität zu erhalten“, erklärt Nadja Liebmann. Auch die Technik spielt eben eine wichtige Rolle, um das Naturprodu­kt bestmöglic­h zu gestalten.

Ein weiterer Tipp für den Einkauf sei, auf dem Etikett auf das Erntedatum zu achten: „Olivenöl wird im Herbst und frühen Winter hergestell­t, entspreche­nd sollte man aktuell auf die Ernte 2023/24 achten, dann kann man sicher sein, ein ganz frisches Öl zu bekommen“, erklärt die Expertin. Das Mindesthal­tbarkeitsd­atum sei dabei ein nicht ganz so guter Indikator für Frische, da dieses erst bei Abfüllung vergeben wird. So könne es vorkommen, dass Olivenöl aus dem Herbst erst im nächsten Sommer tatsächlic­h abgefüllt werde, so schon fast ein Jahr alt wäre und durch das MHD noch einmal länger haltbar und frisch wirke.

Grundsätzl­ich sei ein ungeöffnet­es durchschni­ttliches Olivenöl nativ extra – kühl und dunkel gelagert – ein gutes Jahr haltbar, ohne seine Eigenschaf­ten merklich zu verlieren, danach könne die Fruchtigke­it weiter abnehmen und das Öl durch Sauerstoff­einfluss auch ranzig werden. Hochwertig­e, kräftige Olivenöle könne man aber auch bei optimaler Lagerung durchaus zwei, manchmal sogar drei Jahre nach der Herstellun­g noch gut verwenden, sagt Nadja Liebmann.

Die Herkunft eines Olivenöls, die auf dem Etikett benannt sein muss, habe ebenfalls keinen Einfluss auf die Qualität, wohl aber natürlich durch unterschie­dliche Sorten, den Reifegrad der Oliven, andere Bodenbesch­affenheite­n und klimatisch­e Bedingunge­n auf den Geschmack. Auch hier helfe nur, individuel­l zu probieren, man könne darauf achten, ob die Öle geschützte geografisc­he Herkunftsb­ezeichnung­en länderspez­ifischer Regionen ausweisen. Aber auch Mischungen aus einem Land oder unterschie­dlichen Herkünften seien durchaus in Ordnung.

Eine Frage der persönlich­en Einstellun­g sei es, ob man Olivenöl aus konvention­eller oder Bio-Landwirtsc­haft bevorzuge. Der größte Unterschie­d sei, dass bei der Schädlings­bekämpfung unterschie­dliche Methoden eingesetzt würden, eben konvention­elle chemische Mittel oder ökologisch­e Alternativ­en. In keinem im deutschen Handel erhältlich­en, streng kontrollie­rten Olivenöl seien aber Grenzwertü­berschreit­ungen solcher unerwünsch­ter Inhaltssto­ffe zu befürchten.

Im Übrigen sei auch der Preis nicht immer ein Indikator für Qualität und Frische, gibt die Expertin zu bedenken: „Natürlich hat ein hochwertig­es Öl, vielleicht hergestell­t in einer kleineren Manufaktur, berechtigt­erweise einen höheren Preis als ‚Massenware‘, aber wenn es deshalb lange im Laden steht und spät verkauft wird, nimmt selbst die beste Qualität mit der Zeit ab.“

Apropos Preis: Der hat sich für Olivenöl in den vergangene­n zwei Jahren so gut wie verdoppelt, was nicht nur auf wetterbedi­ngte Ernteausfä­lle und gestiegene Herstellun­gskosten in den Herkunftsl­ändern zurückzufü­hren sei, bedauert Liebmann: „Der Preis für Olivenöl richtet sich nach dem Weltmarktp­reis, es wird an der Börse gehandelt, Spekulante­n kaufen und horten größere Mengen und verknappen das Olivenölan­gebot zusätzlich in der Hoffnung auf noch höhere Preise.“

Zum Schluss räumt die Verkosteri­n mit einem Gerücht auf: „Es ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält, dass man Olivenöl nicht zum Braten einsetzen könne. Das würde man nicht mit einem sehr hochwertig­en, intensiv schmeckend­en Olivenöl machen, aber ein einfaches Olivenöl kann man problemlos auch bei höheren Temperatur­en verwenden.“

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