Humor am laufenden Band
Der Leichtathlet und Olympiasieger Dieter Baumann unterhielt sein Publikum im Wassenberger Burgsaal mit zahlreichen Anekdoten und Erkenntnissen über das Laufen und das Leben.
WASSENBERG Dass Dieter Baumann laufen kann, steht außer Frage. Was er mit seiner Paradedisziplin aber noch alles leisten kann, stellte der Leichtathlet im Burgsaal der Burg Wassenberg unter Beweis: Mit seinem Laufband und einem unterhaltsamen Schwank aus seinem Leben im Gepäck lud der ehemalige Olympiasieger zum Kabarett-Abend unter dem Titel „Baumann läuft halt (weil singen kann er nicht)!“ein.
„In meiner Welt seid ihr alle irgendwo Läufer“, begrüßte Baumann sein Publikum. Der Mensch sei für die Bewegung geschaffen und die Laufcommunity werde immer größer, in Deutschland gäben rund 18 Millionen Menschen an, dass sie regelmäßig laufen würden. Während seiner Show in Wassenberg bezog er immer wieder seine „Mitläufer“aus dem Publikum mit ein – darunter viele Hobbysportler, aber auch den ehemaligen Läufer und heutigen Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Thomas Giessing, mit dem er als Teamkollegen bei den Europameisterschaften 1986 in Stuttgart für Deutschland an den Start ging.
Über die gesamte Zeit seines Programms hinweg hielt er den engen und vertraulichen Draht zu seinen
Zuschauern aufrecht, sprach offen und oftmals selbstironisch über die Anfänge seiner Karriere, Rückschläge und die Dopingaffäre um manipulierte Zahnpasta rund um die Jahrtausendwende. „Nach Olympia wurde ich plötzlich als der Laufexperte von Deutschland gehandelt. Die drei am häufigsten gestellten Fragen drehen sich dabei um das Pulslaufen, Zahnpasta-Empfehlungen und den richtigen Laufstil“, sagte er lachend. Vor allem auf die letzte Frage hatte er eine ermutigende Antwort parat: „Macht euch keinen Kopf zum Laufstil, Hauptsache, ihr geht raus und bewegt euch. Jeder läuft, wie er läuft, und das ist grundsätzlich gut – da gibt es kein richtig oder falsch.“
Besonders beeindruckend: Während er seine Weisheiten kundtat, lief und tanzte Baumann unentwegt auf seinem Laufband, ohne großartig ins Schnaufen zu kommen. Während er im Burgsaal über neun Kilometer zurücklegte, bettete er die Einzelteile seines Programms locker-leicht in die darstellerische Erzählung von seinem ersten Ultralauf über 100 Kilometer im Schweizer Biel. Von der Startgasse bis zur Ziellinie begleitete das Publikum ihn auf einem der berühmtesten Ultraläufe, zu dem sein Freund Martin Grüning ihn überredet hatte. Er ließ die Zuschauer eintauchen in die angespannte Freude vor dem Start, erfüllt von einer Mischung aus Franzbranntwein und Zaziki in der Luft, die „jeden Freizeitlauf begleitet“, sowie den Laufprognosen der Tiefstapler und Großmäuler. Statt der lauen Sommernacht mit Heuduft und Feiern entlang der Strecke erwartete Baumann und das Publikum jedoch eine dunkle und verregnete Nacht ohne Stimmung und Menschenmengen, die viel Gelegenheit zur Introspektion bot.
Immer wieder zitierte er dabei aus Alan Sillitoes Roman „Die Einsamkeit des Langstreckenläufers“, der ihn nach eigener Aussage immer
begleitet habe. Der Ultralauf wurde auf der Bühne symbolisch zum Rennen seines Lebens, mit allen Höhen und Tiefen. Und so lautete die Quintessenz des Romans und auch Baumanns Programms: „Jeder Lauf ist ein kleines Leben für sich, voller Elend, Glück und Ereignisse.“
Jeder Lauf, aber auch das gesamte Leben sei aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt, die allesamt wichtig für Erfolg seien – und immer neu zusammengesetzt werden müssten. „Ich habe immer gedacht, dass ich in der Leichtathletik bleibe, nach meiner Sportlerkarriere Trainer werde. Ich musste mich aber neu erfinden und habe auf Umwegen zur Kleinkunst gefunden. Trotz allem bin ich mir immer treu geblieben: Beim Laufen, da bin ich bei mir“, so Baumann. Das Leben nach dem zu richten, was man liebt, sei schlussendlich der Weg zum Sieg.