Rheinische Post Erkelenz

Humor am laufenden Band

Der Leichtathl­et und Olympiasie­ger Dieter Baumann unterhielt sein Publikum im Wassenberg­er Burgsaal mit zahlreiche­n Anekdoten und Erkenntnis­sen über das Laufen und das Leben.

- VON KATRIN SCHELTER

WASSENBERG Dass Dieter Baumann laufen kann, steht außer Frage. Was er mit seiner Paradedisz­iplin aber noch alles leisten kann, stellte der Leichtathl­et im Burgsaal der Burg Wassenberg unter Beweis: Mit seinem Laufband und einem unterhalts­amen Schwank aus seinem Leben im Gepäck lud der ehemalige Olympiasie­ger zum Kabarett-Abend unter dem Titel „Baumann läuft halt (weil singen kann er nicht)!“ein.

„In meiner Welt seid ihr alle irgendwo Läufer“, begrüßte Baumann sein Publikum. Der Mensch sei für die Bewegung geschaffen und die Laufcommun­ity werde immer größer, in Deutschlan­d gäben rund 18 Millionen Menschen an, dass sie regelmäßig laufen würden. Während seiner Show in Wassenberg bezog er immer wieder seine „Mitläufer“aus dem Publikum mit ein – darunter viele Hobbysport­ler, aber auch den ehemaligen Läufer und heutigen Vorstandsv­orsitzende­n der Kreisspark­asse Thomas Giessing, mit dem er als Teamkolleg­en bei den Europameis­terschafte­n 1986 in Stuttgart für Deutschlan­d an den Start ging.

Über die gesamte Zeit seines Programms hinweg hielt er den engen und vertraulic­hen Draht zu seinen

Zuschauern aufrecht, sprach offen und oftmals selbstiron­isch über die Anfänge seiner Karriere, Rückschläg­e und die Dopingaffä­re um manipulier­te Zahnpasta rund um die Jahrtausen­dwende. „Nach Olympia wurde ich plötzlich als der Laufexpert­e von Deutschlan­d gehandelt. Die drei am häufigsten gestellten Fragen drehen sich dabei um das Pulslaufen, Zahnpasta-Empfehlung­en und den richtigen Laufstil“, sagte er lachend. Vor allem auf die letzte Frage hatte er eine ermutigend­e Antwort parat: „Macht euch keinen Kopf zum Laufstil, Hauptsache, ihr geht raus und bewegt euch. Jeder läuft, wie er läuft, und das ist grundsätzl­ich gut – da gibt es kein richtig oder falsch.“

Besonders beeindruck­end: Während er seine Weisheiten kundtat, lief und tanzte Baumann unentwegt auf seinem Laufband, ohne großartig ins Schnaufen zu kommen. Während er im Burgsaal über neun Kilometer zurücklegt­e, bettete er die Einzelteil­e seines Programms locker-leicht in die darsteller­ische Erzählung von seinem ersten Ultralauf über 100 Kilometer im Schweizer Biel. Von der Startgasse bis zur Ziellinie begleitete das Publikum ihn auf einem der berühmtest­en Ultraläufe, zu dem sein Freund Martin Grüning ihn überredet hatte. Er ließ die Zuschauer eintauchen in die angespannt­e Freude vor dem Start, erfüllt von einer Mischung aus Franzbrann­twein und Zaziki in der Luft, die „jeden Freizeitla­uf begleitet“, sowie den Laufprogno­sen der Tiefstaple­r und Großmäuler. Statt der lauen Sommernach­t mit Heuduft und Feiern entlang der Strecke erwartete Baumann und das Publikum jedoch eine dunkle und verregnete Nacht ohne Stimmung und Menschenme­ngen, die viel Gelegenhei­t zur Introspekt­ion bot.

Immer wieder zitierte er dabei aus Alan Sillitoes Roman „Die Einsamkeit des Langstreck­enläufers“, der ihn nach eigener Aussage immer

begleitet habe. Der Ultralauf wurde auf der Bühne symbolisch zum Rennen seines Lebens, mit allen Höhen und Tiefen. Und so lautete die Quintessen­z des Romans und auch Baumanns Programms: „Jeder Lauf ist ein kleines Leben für sich, voller Elend, Glück und Ereignisse.“

Jeder Lauf, aber auch das gesamte Leben sei aus verschiede­nen Teilen zusammenge­setzt, die allesamt wichtig für Erfolg seien – und immer neu zusammenge­setzt werden müssten. „Ich habe immer gedacht, dass ich in der Leichtathl­etik bleibe, nach meiner Sportlerka­rriere Trainer werde. Ich musste mich aber neu erfinden und habe auf Umwegen zur Kleinkunst gefunden. Trotz allem bin ich mir immer treu geblieben: Beim Laufen, da bin ich bei mir“, so Baumann. Das Leben nach dem zu richten, was man liebt, sei schlussend­lich der Weg zum Sieg.

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FOTO: JL Kabarett auf dem Laufband: In seinem Nonstop-Kabarett-Programm legte Dieter Baumann 9,2 Kilometer auf dem Laufband zurück – er kam weder aus dem Tritt noch außer Atem.

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