Megamarsch zwischen Hagel, Sonne und Glück
Tausende Menschen starteten am Samstagmorgen am Borussia-Park, um in höchstens zwölf Stunden 50 Kilometer zurückzulegen. Beim fünften Megamarsch waren rund 2400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei – und kämpften sich auch durch widrigste Wetterkapriolen.
MÖNCHENGLADBACH Es ist noch recht früh am Morgen am Sportplatz des Vereins Rot-Weiß Venn 1921 Die Sonne scheint und die Bäume mit ersten Blüten sorgen für Frühlingsstimmung. Doch der Wind, der über den Platz weht, erinnert daran, dass der Winter noch nicht ganz vorbei ist. Ein beschaulicher Morgen im Stadtteil Venn.
Doch dann wird es auf einmal trubelig: Eine bunte Schlange von Wanderern überquert eine Straße und steuert auf den Sportplatz zu, Eine Frau, die gerade aus ihrem Auto steigt, blickt sich verwundert um und spricht einen der Wanderer spontan an: „Ist das eine Völkerwanderung?“Nein, entgegnet der und zeigt auf sein Shirt. Darauf prangt das Logo des „Megamarsch“.
Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Mega-Wanderung. Nicht nur haben sich mehr als 2600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu der Veranstaltung dieser Art in Mönchengladbach angemeldet. Es gilt, 50 Kilometer in höchstens zwölf Stunden zurückzulegen und dabei etwa 160 Höhenmeter zu bewältigen. 2400 Menschen sind am frühen Morgen im BorussiaPark gestartet. Und so versöhnlich der Start ist, sie müssen in den nächsten Stunden wirklich sportliche Zähigkeit beweisen: Denn das Wetter an diesem Märztag zeigt sich von seiner apriligsten Seite: starker Wind, Hagel und ein paar Schneeflocken, dann wieder frühlingshaft sonnig, um wenig später stürmische Regenschauer über die Grüppchen auf der Strecke zu jagen. Das ist etwas für Hartgesottene und wetterfest Angezogene.
In Venn ist der erste von mehreren Verpflegungspunkten, dort werden die Teilnehmer mit Westerland von den Ärzten begrüßt. Die Stimmung ist gut, die ersten rund acht Kilometer der Strecke sind geschafft, bleiben „nur noch“42 Kilometer bis zum Ziel am Nordpark. Die Teilnehmer lassen sich auf den Bänken nieder, einige überprüfen, wie es um ihre Füße bestellt ist, ziehen ein erstes Fazit oder steuern einen der Pavillons an. Dort gibt es Säfte, Obst, Müsliriegel, Butterbrote
oder saure Gurken.
Glücksbringer marschieren heute ebenfalls mit: Marcus Dörenkamp und Michael Luda fallen in der bunten Kulisse von Wanderern auf. Denn sie sind ganz in Schwarz gekleidet und tragen Zylinder. Sie sind Schornsteinfeger, Dörenkamp ist stellvertretender Obermeister und Luder Techniker der Schornsteinfeger-Innung im Regierungsbezirk Düsseldorf. Sie haben heute einen besonderen Auftrag. „Wir sind Teil einer großen Charity-Aktion“, „Glückstour“heiße die, erklären die beiden. Dabei wird bundesweit Geld für krebskranke Kinder gesammelt. „Wir hatten unseren Kollegen des Vorstandes gesagt, wenn ihr 2500 Euro zusammenbekommt, starten wir beim Megamarsch.“In kürzester Zeit war der Betrag erreicht und die beiden Glücksbringer waren „in der Pflicht“, wie Dörenkamp sagt.
Rebekah Kreh und Heike Schaffeld nutzen die Wanderung hingegen, um gemeinsam Zeit zu verbringen. „Wir haben jeweils drei Kinder und daher wenig Zeit. Wir sind zum zweiten Mal dabei. Uns geht es super“, sagt Kreh. „Wir haben jetzt einen ganzen Tag zum Quatschen“, sagt ihre Freundin und lächelt zufrieden. Heike Schaffeld denkt schon weiter, sie liebäugelt bereits mit einem Start beim „Mammutmarsch“durchs Ruhrgebiet in einem Monat.
Ilka Macher und Sonja B. merkt man die absolvierten Kilometer nicht an. „Es sind ja erst sieben Kilometer. Die Verpflegungsstation hätten wir eigentlich noch gar nicht gebraucht“, sagt Macher. Sie bringt bereits „Megamarsch“-Erfahrung mit, was auch an ihren vielen Teilnahme-Bändchen zu sehen ist, die sie an ihrem Arm trägt. „Das ist mein vierter oder fünfter Megmarsch.“Zweimal sei die in Düsseldorf mitgelaufen, zweimal in Mönchengladbach. „Und auf Malle. Das war großartig“, sagt sie.
Die Riesen-Wanderung führt unter anderem durch den Bunten Garten, Windberg und Bettrath, vorbei an der Trab-Rennbahn und an gleich drei Schlössern: Myllendonk, Rheydt und Wickrath. Sie führt durch Wickrath und das Rheindahlener Land. An der Strecke gibt es viel zu sehen, das macht wett, dass das Wetter immer wieder seine unfreundlichste Seite zeigt. Laufen, sehen, rasten, Denkmäler und die Natur genießen. Das ist das Motto dieser Veranstaltung.
Gegen 14 Uhr haben die meisten Teilnehmer die vorletzte Verpflegungsstation im Innenhof von Schloss Rheydt erreicht. Die Sonne scheint endlich mal wieder, das passt. Sie haben nun rund 30 Kilometer in den Beinen. Auch die beiden Schornsteinfeger auf ihrer Charity-Glückstour, Marcus Dörenkamp und Michael Luda, haben die Strecke bis hierhin geschafft. „Langsam merkt man es in den Füßen“, sagt Dörenkamp.
Fußschmerzen kennt Josef Weber aus Linz am Rhein nicht. Der 71,3-Jährige, wie er mit einem Grinsen verrät, ist ein wahrer Megamarsch-Experte. Es ist sein 41. Mal. Er hat die Auszeichnung Lokal-Matador für seine Teilnahme in Düsseldorf, Köln und Mönchengladbach. „Im Osten fehlt mir noch Berlin, dann bin ich auch dort Matador. Auf Rügen bin ich ebenfalls schon gelaufen“, zählt er auf. Um halb fünf habe heute sein Wecker geklingelt. „Aber das macht mir nichts aus. Ich bin flott unterwegs.“Für die 50 Kilometer Strecke wird er heute achteinhalb Stunden brauchen.
Catrin Alex-Schrammen genehmigt sich gerade einen Schluck Wasser und strahlt. „Das Wetter macht mir nichts aus. Ich bin zufrieden, bin auch schon auf Sylt gelaufen“, wo das Wetter auch nicht immer mitspielt. Doch lange Wanderungen sind nicht ihr einziges Hobby: „Ich bin eigentlich Marathonläuferin“, sagt sie.
Für Heiko Dieckmeier ist es heute hingegen eine Premiere. Er sitzt auf einer Bank und hat Gesellschaft von mehreren Pfauen bekommen, die seine Verpflegung interessant finden. „Die Füße schmerzen, aber sie machen noch mit“, sagt er. Er sei über einen Freund dazu gekommen. „Wir haben ab Januar trainiert und sind bis zu 30 Kilometer gelaufen.“Anschließend geht es wieder auf die Strecke. 20 Kilometer liegen noch vor ihnen.
Die ersten erreichen am Nachmittag das Ziel, die Letzten gegen 21.30 Uhr. Wer im Ziel einläuft, erhält eine Finisher-Medaille und -Urkunde. „Wir hatten 2287 Finisher in diesem Jahr. Das ist eine Quote von 95 Prozent, was gut ist, besonders, wenn man das Wetter bedenkt“, sagt Sabrina Putzschke vom „Megamarsch“-Veranstaltungsteam. Die Strecke sei diesmal von der Richtung her gedreht worden – viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten sich das gewünscht.