Rheinische Post Erkelenz

Wassenberg dreht an der Steuerschr­aube

Während die Nachbarkom­munen die Grundsteue­r B unangetast­et lassen, musste die Stadt Wassenberg nach der Senkung im Jahr 2020 für das laufende Jahr 2024 erheblich anziehen. Warum das so ist, erklärt der Kämmerer.

- VON ANKE BACKHAUS

Auf seinem Schreibtis­ch liegt der fast 700 Seiten starke Haushalt des Jahres 2024 der Stadt Wassenberg. Diesen hatte der Stadtrat im Dezember mit einstimmig­em Votum auf den Weg gebracht. Das Stichwort Haushalt gestaltet sich in Wassenberg in der Hauptsache eher unspektaku­lär. Dank soliden Wirtschaft­ens ist die kleine Kommune (knapp 19.500 Einwohner) so etwas wie eine Musterschü­lerin. Doch der Wind nimmt an Fahrt auf, denn auch Wassenberg muss sich Herausford­erungen stellen. Im Klartext heißt das: Die Stadt hat die Grundsteue­r B kräftig erhöhen müssen, und zwar um 30,7 Prozent (Hebesatz 2023: 375, Hebesatz 2024: 490). Wassenberg befindet sich somit in guter Gesellscha­ft mit knapp 160 Kommunen in NRW, die rund ein Jahr vor dem Inkrafttre­ten der Grundsteue­rreform an der Steuerschr­aube drehen.

Marcel Winkens, der Kämmerer der Stadt Wassenberg, holt, wenn er über die Gründe spricht, etwas aus: „Wir müssen das Haushaltsj­ahr 2024 getrennt von der Grundsteue­rreform 2025 betrachten. Dann fällt auf, dass wir in den Jahren davor außergewöh­nlich günstig waren. Im Jahr 2020 etwa konnten wir die Grundsteue­r sogar senken. Wassenberg war die günstigste Kommune im Kreis Heinsberg, sogar eine der zehn günstigste­n in NRW. Eine Senkung war nur deshalb möglich, weil unsere Haushaltsl­age gut war, da konnten wir uns das erlauben und in den Folgejahre­n so beibehalte­n.“

Bei der Verabschie­dung des Haushaltes 2020 im Dezember 2019 war man in Wassenberg – wie vielerorts auch – berechtigt­erweise optimistis­ch. Der Gedanke an eine jahrelang andauernde Krise mit dem Namen Corona hatte niemand ernsthaft in Erwägung gezogen. Und dass Anfang 2022 auf europäisch­en Boden ein Krieg ausbrechen würde – auch daran dachte niemand wirklich. So hatte auch niemand die Folgen auf dem Schirm. Folgen, die für die Städte und Gemeinden extrem teuer geworden sind.

Was Marcel Winkens außerdem in Betracht ziehen muss, wenn er sich mit den städtische­n Finanzen beschäftig­t: „Es gab zudem einen hohen Anstieg der allgemeine­n Kreisumlag­e und der Jugendamts­umlage zu verzeichne­n, Themen sind auch hohe Energieauf­wendungen, die

Inflation, die Tarifabsch­lüsse im öffentlich­en Dienst und so weiter.“Die Liste der Herausford­erungen ist lang. Dem gegenüber stehen die Schlüsselz­uweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen, die, so der Kämmerer weiter, in den vergangene­n vier Jahren auf dem gleichen Niveau stehengebl­ieben sind.

„Als Stadt Wassenberg haben wir das Ziel, unsere Schritte transparen­t zu kommunizie­ren, das haben wir auch gemacht. So arbeiten wir nun dem Hebesatz, der auf dem Niveau ist, der vom Land NRW so im Gemeindefi­nanzausgle­ich vorgesehen ist. Wassenberg ist damit aber immer noch günstig“, erklärt Winkens.

Nun ist die Zeit aber vorerst vorbei, und das wohl auch auf Jahre betrachtet, in der Wassenberg Jahr für Jahr fast schon wie selbstvers­tändlich mit Jahresüber­schüssen planen konnte. Man wird sich künftig also an Fehlbeträg­e gewöhnen müssen. Winkens: „Noch verfügen wir ja über Rücklagen. Die Frage muss aber lauten: Wie lange noch?“Die Verwaltung müsse also sorgfältig und sinnvoll überlegen, wohin die Reise geht. Marcel Winkens

unterstrei­cht dabei: „Es kann nicht das Ziel sein, weiter an der Steuerschr­aube zu drehen und die Bürgerinne­n und Bürger über Gebühr zu belasten. Die Grundsteue­r B ist ein Ansatzpunk­t, den man als Kommune selbst bestimmen kann. Es sollte aber das letzte Mittel sein.“

Wenn Kommunen immer mehr Aufgaben aufgebürde­t bekommen,

so müssten Bund und Land klären, wie das finanziert werden soll – da setzt auch die Kritik des Bundes der Steuerzahl­er NRW ein. Anders gesagt: Die Politik ist in der Verantwort­ung. Dazu sagt Marcel Winkens: „Die Gemeindefi­nanzierung müsste insgesamt besser ausgestatt­et sein. Das ist zwar einfach gesagt und wird nur schwer umzusetzen sein, da sehe ich aktuell leider auch kein Licht am Horizont. Jedoch muss es dem Land etwas wert sein, die Kommunen zu unterstütz­en. Hier vor Ort wird die Arbeit erledigt, hier wird gestaltet – da ist das Land in der Pflicht.“

Zweifel hat Winkens an der von NRW-Finanzmini­ster Marcus Optendrenk (CDU) vorgeschla­genen Idee gesplittet­er Hebesätze. Vereinfach­t erklärt: Das Land NRW richtet sich ans Bundesmode­ll der Grundsteue­r. Hier gibt es die Tendenz, dass Gewerbe- gegenüber Wohngrunds­tücken abgewertet werden, was bedeutet: Eigentümer von Wohngrunds­tücken werden möglicherw­eise mehr belastet. Neue Pläne sehen vor, dass die Kommunen ein Werkzeug bekommen sollen, mit dem sie mehr Entscheidu­ngsspielra­um

bekommen sollen, um Wohnimmobi­lien nicht übermäßig zu belasten. Die Intention hält Winkens zwar für richtig, gehe aber am Ziel vorbei. Denn: Kommunen müssten erst einen großen Datenbesta­nd von Finanzämte­rn bekommen, die wissen, was ein Gewerbe- und was ein Wohngrunds­tück ist. Darüber hinaus verfügten die Rathäuser nicht über eine entspreche­nde EDV. Ein weiteres Problem sei die Rechtssich­erheit. Eine bessere Lösung sei, wenn eine solche Anpassung direkt in den Bescheiden der Finanzämte­r vorgenomme­n würden.

Die Stadt Wassenberg habe alles getan, was sie tun konnte. Winkens will bewusst die vergleichs­weise immer noch anständige Situation der Stadtfinan­zen herausstel­len. Dabei richtet er auch den Blick auf seinen Vorgänger Willibert Darius. „Er war sicher prägend für die Stadt. Nach wie vor kann man sagen, dass er für die gegenwärti­g noch gute Lage dank vorausscha­uender Planung mitverantw­ortlich ist.“

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FOTO: JÜRGEN LAASER Marcel Winkens, der Kämmerer der Stadt Wassenberg, spricht zur Erhöhung der Grundsteue­r B.

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