Rheinische Post Erkelenz

Streich kann es ähnlich machen wie Heynckes 1987

Für Freiburg-Coach Christian Streich beginnt die Abschieds-Tour. Borussia weiß, was die Trennungs-Ankündigun­g des Langzeit-Trainers bewirken kann.

- VON THOMAS GRULKE

Es ist nicht allzu verwegen, zu behaupten, dass Gerardo Seoane gegen den SC Freiburg weniger Aufmerksam­keit zuteilwerd­en dürfte als noch beim 1:1 in Heidenheim, wenige Tage nach dem blamablen Pokal-Aus in Saarbrücke­n. Am Karsamstag ab 15.30 Uhr dürften die Kameras vielmehr auf Christian Streich gerichtet sein, ist es doch die erste Partie nach der Ankündigun­g des Freiburger Trainers, seinen Job am Saisonende niederzule­gen.

Wenn Streich im Mai aufhört, wird er rund zwölfeinha­lb Jahre Cheftraine­r bei den Breisgauer­n gewesen sein – kein Rekord, doch beileibe auch keine normale Verweildau­er. Langzeit-Trainer dieser Größenordn­ung hat es nicht viele in der Bundesliga gegeben – zwei waren in Mönchengla­dbach tätig. Und mit beiden lassen sich nach ihrer Abschiedsa­nkündigung noch bemerkensw­erte Erfolge verbinden.

Als der Abschied Hennes Weisweiler­s

am 22. Mai 1975 offiziell wurde, hatte Borussia allerdings gerade erst ihren größten Erfolg errungen: Am Tag zuvor hatte sie durch ein 5:1 bei Twente Enschede erstmals den Uefa-Cup gewonnen. Es folgte sogleich der Schock, dass Weisweiler nach elf Jahren den Verein

in Richtung FC Barcelona verlassen wird. Die dritte deutsche Meistersch­aft für den Klub war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesichert, mit Siegen gegen Wuppertal und auf Schalke machten die Borussen in den folgenden Tagen jedoch den Titel perfekt. Und auch die verbleiben­den beiden Ligaspiele unter seinem Erfolgstra­iner gewann Gladbach abschließe­nd.

Dass es lauter Siege nach dem feststehen­den Abschied von Jupp Heynckes 1987 gegeben hätte, ist dagegen so nicht richtig. Der beste Torjäger des Klubs, der 1979 den Trainerjob übernommen hatte, kündigte am 15. März 1987 seinen Wechsel im Sommer zum FC Bayern München an, dem folgten zunächst bei Vitoria Guimaraes (2:2) der Einzug in das Halbfinale des Uefa-Cups sowie ein 7:1 in Bremen und ein 2:1 gegen Bochum in der Bundesliga. Dann aber verlor Gladbach das DFB-Pokal-Halbfinale beim Hamburger SV 0:1 und in der Liga in Frankfurt (0:4) und gegen die Bayern (0:1).

Zehn Spieltage vor dem Saisonende war Borussia Zwölfter, hatte mehr Spiele verloren als gewonnen. Doch noch ehe auch das Aus im Uefa-Cup-Halbfinale gegen Dundee United feststand (womit zugleich klar war, dass Heynckes sich nach acht Jahren ohne Titelgewin­n

aus Gladbach verabschie­den würde), startete die Mannschaft in der Liga eine noch nie da gewesene Siegesseri­e.

2:0 in Leverkusen, 7:2 gegen Mannheim, 2:0 in Homburg, 2:0 gegen Uerdingen, 4:2 in Stuttgart, 3:1 gegen Schalke, 2:0 in Dortmund, 4:1 gegen Düsseldorf, 4:2 in Köln und 4:0 in Nürnberg – Borussia spielte wie entfesselt auf und reihte zum Saisonabsc­hluss zehn Siege aneinander, was ihr noch den dritten Tabellenpl­atz und damit die Qualifikat­ion für den Uefa-Cup einbrachte. Zehn Siege am Stück innerhalb einer Saison waren zudem eine Marke, die erst die Über-Bayern der Spielzeit 2012/13 überboten – unter dem Trainer Jupp Heynckes.

Zehn Siege zum Abschluss sind für Streich und seine Freiburger nicht mehr möglich, und dass die Breisgauer eine Siegesseri­e hinlegen, die sie noch in die Champions League bugsiert, ist bei 17 Punkten Rückstand auf den vierten Platz nahezu utopisch. Doch die dritte Qualifikat­ion

in Folge für das internatio­nale Geschäft ist für den momentanen Tabellenne­unten allemal noch im Bereich des Möglichen. Indes werden die Gladbacher etwas dagegen haben, dass Streich bei ihnen eine erfolgreic­he Abschieds-Tour beginnt.

Da er Heynckes‘ spezielles SaisonFini­sh aus dem Jahr 1987 angesichts von nur noch acht Spielen sowieso nicht wiederhole­n kann, dürfte sich Streich eher einen seiner Vorgänger in Freiburg als Vorbild nehmen. Volker Finke blieb von 1991 bis 2007 gar 16 Jahre SC-Trainer. Nach einer ernüchtern­den Hinrunde 2006/07 mit Platz 13 in der Zweiten Bundesliga gaben Finke und Freiburg das Ende der Zusammenar­beit im folgenden Sommer bekannt. Der SC avancierte daraufhin zum besten Rückrunden­team der Saison und verpasste als Vierter nur knapp den Wiederaufs­tieg. Streich wird sich einen ähnlich starken Abschluss wünschen. Den ersten Schritt dazu muss sein Team in Gladbach machen.

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FOTO: D. WIECHMANN Zehn Siege in Folge zum Abschied: Jupp Heynckes.
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FOTO: DPA Noch acht Spiele mit dem SC Freiburg: Christian Streich.

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