Rheinische Post Erkelenz

Wie eine junge Mutter das Trauern lernte

- Christoph Wegener Beatrix Hillermann von der Trauerseel­sorge MG kann über 0151 52635910 oder per Mail an beatrix.hillermann@ bistum-aachen.de kontaktier­t werden www.trauerseel­sorge-elisabeth-mg.de.

Marion Dahners ist gerade zum zweiten Mal schwanger, als bei ihrem Mann Darmkrebs entdeckt wird. Die Heilungsch­ancen stehen schlecht, doch die junge Familie gibt die Hoffnung nicht auf. „Unser Optimismus hat viele verwundert. Aber wir wollten das Leben nicht betrauern“, sagt Dahners vier Jahre später. Zwischen Chemothera­pie, Terminen beim Frauenarzt und allem Alltäglich­en bleibt damals sowieso keine Zeit, um sich mit dem Tod zu beschäftig­en. Erst als ihr Mann ins Krankenhau­s kommt, setzt sich die Mutter bei der Seelsorge mehr mit dem Thema auseinande­r. Das fällt ihr schwer. Wie sollte es mit Anfang 30 anders sein.

Ihrer Tochter sagt Dahners nicht, dass der Vater sterben wird. „Aber ich habe die Situation nie verherrlic­ht und mit ihr darüber gesprochen, dass es Papa nicht gut geht und er nicht mehr gesund werden wird“, erinnert sich die Mönchengla­dbacherin. Sie spazieren gemeinsam über den Friedhof, lesen Kinderbüch­er, die das Sterben in Worte und Bilder fassen. Dahners selbst ist froh, dass sie einen Ansprechpa­rtner hat, dem sie alle Fragen stellen kann, die durch ihre Gedanken geistern. Auch, wenn es auf viele keine Antworten gibt. „Geschulte Hilfe von Außen ist in solchen Momenten sehr wichtig. Manchmal braucht es einfach jemanden, der da ist, Fragen aushält und selbst die richtigen stellt“, sagt Beatrix Hillermann, Beauftragt­e für die Trauerseel­sorge in der Region Mönchengla­dbach.

Sie sitzt im Trauerzent­rum der Grabeskirc­he St. Elisabeth Marion Dahners gegenüber. Es ist der erste wirklich warme Frühlingst­ag in diesem Jahr. Auf dem Tisch in der Mitte stehen Tassen mit heißem Kaffee und ein brennendes Teelicht, daneben liegt eins der Bilderbüch­er, die Kinder den Tod so gut es eben geht erklären und das Programmhe­ft Trauerzeit. Es ist voller Angebote in Mönchengla­dbach, die von Einzelbegl­eitungen über

Vor anderthalb Jahren verlor Marion Dahners ihren Mann. Er starb mit 32 Jahren. Lange fand die Mönchengla­dbacherin im Alltag zwischen Job und der Erziehung von zwei Kindern keinen Platz für Trauer. Seelsorger in der Stadt unterstütz­ten sie und zeigten Wege auf, mit der schwierige­n Situation umzugehen. Worauf es dabei ankommt und wie es Dahners heute geht.

Gesprächsg­ruppen bis zu einem Trauerfrüh­stück reichen. An so etwas denkt Marion Dahners nicht, als ihr Mann im Sommer 2022 den Kampf gegen den Krebs verliert. Er stirbt in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Am Montag hat der Sohn, damals anderthalb, seinen Eingewöhnu­ngstag im Kindergart­en. Das Leben muss irgendwie weitergehe­n. Trauern kann Dahners noch nicht. Sie fragt sich warum,

hat Angst, etwas falsch zu machen und unerwartet in ein tiefes Loch zu fallen. „In eine Trauergrup­pe wollte ich nicht gehen. Ich dachte, das ist eher etwas für ältere Menschen“, sagt die 34-Jährige. Sechs Monate später nimmt sie an einer MutterKind-Kur teil – und spricht dort mit Fremden über den Verlust. „Ich habe gemerkt, dass das Alter keine Rolle spielt. Jeder hat sowieso eine andere Ausgangsla­ge“, sagt Dahners.

Nach der Kur meldet sie sich für eine Trauergrup­pe in Rheydt an. Zum ersten Mal gibt sich die junge Mutter hier den Raum und die Zeit, um sich wirklich mit dem Tod ihres Mannes auseinande­rzusetzen. Ein Thema berührt sie besonders. Es geht um Plätze der Erinnerung. Orte, die Dahners mit dem gemeinsame­n Leben verbindet. „Das hat mich wirklich gepackt“, sagt sie und zum ersten Mal während des Gesprächs

bricht ihre vorher so feste Stimme. Insgesamt dauert es so neun Monate, bis die Mönchengla­dbacherin wirklich trauern kann.

Ein wichtiger Teil der Trauerseel­sorge besteht darin, die Menschen zu begleiten und ihnen die Möglichkei­t zu geben, ihre Gefühle auszudrück­en, sagt Beatrix Hillermann. „Und sie sollen mit ihren Ressourcen in Kontakt kommen. Es geht darum, herauszufi­nden, woraus sie selbst Kraft ziehen.“Das kann eine Joggingrun­de im Park, ein gutes Buch oder ein tiefgehend­es Gespräch sein und ist bei jedem unterschie­dlich. Wichtig sei, sich aktiv mit der Trauer auseinande­rzusetzen – und sich dabei Unterstütz­ung zu holen, so Hillermann. Das könne viel verändern: „Ich habe in den vergangene­n Jahren oft erlebt, dass Menschen auch aus extremen Tiefen wieder herausfind­en.“

Eine wichtige Säule der Trauerseel­sorge in Mönchengla­dbach sind die zahlreiche­n Ehrenamtle­r. Zu ihnen gehört Beate Kaltefleit­er. Sie verlor jung ihren Mann bei einem Unfall. „Ich hatte aber die Zeit, wirklich zu trauern. Da konnte ich mich wirklich glücklich schätzen und wollte Menschen in ähnlichen Lebenslage­n helfen“, sagt die 59-Jährige, die auch das Trauercafé mit gegründet hat. Jeder habe seine eigene Geschichte – und die Dankbarkei­t für die Trauerbegl­eitung sei oft groß.

Auch, wenn das Trauerprog­ramm in Mönchengla­dbach umfangreic­h sei, wissen viele nicht davon, sagt Beatrix Hillermann. Es gebe an unterschie­dlichen Stellen Bedarf, der noch nicht gedeckt sei. Zum Beispiel im Kinder- und Jugendbere­ich. So arbeite man auch daran, weitere Angebote zu schaffen. Marion Dahners wünscht sich ein Format für Eltern mit Kindern. Schließlic­h bleibt ihr als Mutter oft nicht die Zeit, die sie eigentlich braucht. „Ich habe aber in den vergangene­n anderthalb Jahren gelernt, die Trauer der Kinder auszuhalte­n und meiner eigenen nicht auszuweich­en“, sagt sie. „Es ist alles okay, wie es gerade ist. Die Trauer kommt und geht. Und sie besteht nicht nur aus Traurigkei­t, sondern ist voller Erinnerung­en und Liebe, die ich festhalte.“

Info

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FOTO: CWE Marion Dahners (r.) hat Gruppen der Trauerseel­sorge MG besucht. Unter anderem Beatrix Hillermann (l.) und Beate Kaltefleit­er stehen Betroffene­n bei.

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