Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Keine Angst vor Falten.
Waltraud Balkenborg aus Haffen hat ein Trend-Hobby für sich entdeckt. Aus ausgedienten Büchern lässt die 58-Jährige mit ausgeklügelter Faltarbeit und einem Cuttermesser dekorative, filigrane Kunstwerke entstehen.
HAFFEN Was lässt sich mit ausgedienten Schmökern anfangen, die keiner mehr liest und die im Bücherregal nur noch als Staubfänger dienen? Waltraud Balkenborg hat dafür eine passende Lösung gefunden, die ihr viel Freude bereitet und am Ende auch noch sehr dekorativ ist. Die Haffenerin faltet und beschneidet die Seiten der Bücher derart, das kleine, dekorative Kunstwerke daraus entstehen. Bildmotive jeglicher Art, aber auch Sprüche lassen sich so in die Bücher zaubern, die, wenn sie aufgeklappt sind, zu einem Blickfang mit 3-D-Effekt werden.
Das ungewöhnliche Hobby hatte die 58-Jährige auf einem Weihnachtsmarkt in Konstanz zum ersten Mal gesehen. „Ich habe es dann auch einmal ausprobiert, aber nach den ersten gescheiterten Versuchen wieder sein lassen“, erzählt sie. Da sie aber als Organisatorin des Haffener Hobbymarktes ein ausgewiesen großes Interesse an Handarbeitsund Bastelarbeiten jeglicher Art hat, ließ ihr das Projekt keine Ruhe, bis sie es sich noch einmal vornahm. Und siehe da: „Auf einmal klappte es.“
„Orimoto“beziehungsweise „Kirimoto“heißen die Techniken, mit denen Waltraud Balkenborg ihren Büchern zu Leibe rückt. Dabei handelt es sich um geschützte Begriffe nach einem Verfahren, das der Autor Dominik Meißner entwickelt hat. Und das funktioniert folgendermaßen. In ein spezielles Computerprogramm muss das gewünschte Motiv mit Angabe der Maße und des Seitenumfangs des Buches hochgeladen werden. Das Programm spuckt dann ein Grafik aus, die auf den ersten Blick völlig unverständlich aussieht. Legt man sie aber an die Seiten an, wird schnell klar, was zu tun ist. „Für jede Seite gibt mir das Programm vor, wo gefaltet oder geschnitten werden muss“, erklärt Waltraud Balkenborg.
Die Programme gibt es in einer freien Version, in der aber eher nur einfachere Vorgaben umsetzbar sind. Wer sich mehr zutraut, muss in eine kostenpflichtige Version investieren. Waltraud Balkenborg hat das getan.
Wer sich an die Vorgaben des Programms hält, wird von dem Ergebnis überrascht sein. Was erst einmal nur nach zusammenhangslosen Markierungen aussieht, nimmt immer deutlichere Formen an, je mehr Seiten bearbeitet wurden. Voraussetzung ist allerdings, dass man auch die nötige Geduld mitbringt. Denn mehrere Abende müssen dafür schon investiert Waltraud Balkenborg in ihre Bücher. Angst, dass ihr der „Rohstoff“einmal ausgehen könnte, braucht sie nicht zu haben. Mit Nachschub an Büchern, die zwischen 300 und 800 Seiten dick sein müssen, wird sie von der Haffener Trödelfrau Marlene Schumacher regelmäßig versorgt.
Gut 100 Bücher hat Waltraud Balkenborg schon bearbeitet. Vor allem im Sommer saß sie oft mit Geodreieck und Cuttermesser auf ihrer Terrasse. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, ihre Bücher auf dem Haffener Hobbymarkt sowie den Adventsmärkten in Haffen und in Rees an der Fallstraße zum Verkauf anzubieten. Doch bekannter Maßen hat Corona dem einen Riegel vorgeschoben. Jetzt hofft sie aufs nächste Jahr.
Nur gut, dass sie wenigstens im September ihre Bücher im Fährhaus in Bislich zeigen konnte. „Da wurde viel geguckt und auch etwas gekauft, aber vor allem kamen dann im Nachhinein auch Bestellungen“, erzählt sie. Denn Waltraud Balkenborg bietet auch an, Bücher nach Wunsch zu gestalten. Tierbilder hat sie beispielsweise schon im Auftrag umgesetzt, aber auch Motive und Sinnsprüche zu allen möglichen Anlässen wie beispielsweise Hochzeit oder Geburt. Je nachdem wie umfangreich die Arbeit ist, verlangt sie zwischen 25 und 60 Euro für ihre Bücher, in die sie in etwa sechs bis 15 Stunden Arbeit stecken muss. „Die Arbeitszeit kann ich mir da nicht bezahlen lassen, sonst würde ja kein Mensch die Bücher kaufen“, sagt sie.
An vielen Bildern hat sie sich schon ausprobiert und eigentlich ist auch alles möglich. „Es gibt allerdings auch Motive, die nicht richtig wirken, dann versuche ich einen Ersatz zu finden“, sagt sie.
Aber das dürfte wohle her selten der Fall sein. Der Fotovorlage verblüffend nahe gekommen, sehen Stan und Oli aus, wunderschön sind auch die Weihnachtskrippen oder kirchlichen Motive. Eines ihrer Lieblingsbilder ist ein mit Ornamenten verziertes Motiv, das zwei Betende vor einer Kindergrippe zeigt und fast wie eine Stickerei wirkt. Dabei ist alles nur gefaltet.
Ein besonderer Hingucker ist ein Kamin, den man mit einer kleinen Elekroleuchte sogar zum Flackern bringen kann. „Der sieht zwar gut aus, ist aber vom Falten und Schneiden her eher langweilig“, sagt Waltraud Balkenborg – und muss über den ungläubigen Blick ihrers Zuhörers lachen.