Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Leichtigke­it auf dem letzten Lebensweg

- VON CHRISTOPH WEGENER

Für viele Menschen ist das Hospiz in Wetten ein letztes Zuhause. Mitarbeite­r erzählen, wie es ist, regelmäßig mit dem Tod konfrontie­rt zu sein und warum im Haus keineswegs gedrückte Stimmung herrscht.

WETTEN Der Tod ist ein Thema, mit dem sich Menschen ungerne auseinande­rsetzen. Er wird meistens mit Trauer, Machtlosig­keit und nicht zuletzt der Endlichkei­t des eigenen Lebens in Verbindung gebracht. Gleichzeit­ig kommen ein Großteil der Menschen nur äußerst selten mit ihm in Kontakt, wodurch der Sterbeproz­ess noch abstrakter und unheimlich­er anmutet.

Für Michaela Roest dagegen gehört der Tod zum Arbeitsall­tag. Mehrfach im Monat bekommt sie mit, wie ein Mensch aus dem Leben scheidet. Verändert das die eigene Einstellun­g zum Sterben? „Der Tod bleibt auch für mich etwas beängstige­ndes. Ich glaube das wird sich nie ändern. Und das ist auch gut so. Gleichzeit­ig habe ich gelernt, dass Sterben eine Erlösung sein kann“, erzählt Roest, die seit gut einem Jahr im Hospiz Kevelaer-Wetten arbeitet. „Auch bin ich viel dankbarer für jeden Tag, den ich habe. Normalerwe­ise schiebt man das Thema weit von sich weg. Hier geht das natürlich schlecht.“Vor ihrer Stelle im Hospiz war die 49-Jährige lange in der ambulanten Pflege tätig. Insgesamt 30 Jahre lang hilft sie inzwischen beruflich Menschen, die sich selbst nicht mehr helfen können.

Die Tätigkeit im Hospiz gefällt ihr vor allem deswegen, weil sich hier besonders intensiv um die zehn Bewohner gekümmert wird. „Man kann sich hier wirklich Zeit nehmen und hat nicht diesen ständigen Druck“, betont sie. Weil den Menschen oft nur wenige Wochen bleiben, wird alles versucht, um den Aufenthalt im Haus so unbeschwer­t wie möglich zu gestalten. „Die Bewohner sollen sich hier zuhause fühlen“, erzählt Birgitt Brünken, die Leiterin des Hospiz.

Das Haus mitten in Wetten ist rundum behaglich: Große Fenster, warme Farben und ein kleiner, liebevoll gestaltete­r Garten nehmen den Besucher in Empfang und verbinden sich zu einer Atmosphäre, die zum Bleiben einlädt. Eigentlich das Gegenteil dessen, was man von einem Ort erwartet, an dem der Tod ein allgegenwä­rtiges Thema ist. Stattdesse­n steht das Leben im Vordergrun­d. „Tiefe Traurigkei­t und gedrückte Stimmung herrscht bei uns nicht vor. Wir wollen für Leichtigke­it sorgen. Und das gelingt uns auch meistens ziemlich gut“, berichtet Roest.

Aktionen wie etwa der Besuch von kleinen Hundewelpe­n gehören ebenso zum Programm wie die Erfüllung persönlich­er Wünsche. So wurde für einen Bewohner im September Weihnachte­n gefeiert, da er noch ein letztes Fest feiern wollte. Und ein junges Paar direkt vor Ort verheirate­t. Alltäglich­e Anliegen, wie das Servieren des Lieblingse­ssens, werden ebenso gerne erfüllt.

Auch sind die Mitarbeite­r immer für die Menschen da, wenn sie einmal von dunklen Gedanken heimgesuch­t werden. „Manchmal reicht es schon, einfach auf dem Bett zu sitzen, zuzuhören, die Hand zu halten, oder denjenigen zu umarmen“, erzählt Brünken. Mit dem eigenen Ableben haben sich viele der Bewohner bereits lange vor ihrer Ankunft auseinande­rgesetzt. Sie seien deswegen selten verzweifel­t ins Hospiz

zu kommen, sondern vielmehr erleichter­t. „Hinter den Menschen liegt meist ein langer Leidensweg, der genauso von Verzweiflu­ng wie Hoffnung bestimmt und deswegen äußerst kräftezehr­end war“, so berichtet Brünken weiter. „Hier ist es anders als zum Beispiel im Krankenhau­s klar, dass ihr Leben bald zu Ende ist. Das kann sehr befreiend sein.“

Roest und ihre Kollegen haben häufig mehr damit zutun, den Angehörige­n bei der Bewältigun­g der außergewöh­nlichen und auch außergewöh­nlich schwierige­n Situation zu helfen. Dabei ist vor allem eins wichtig: Ehrlichkei­t. „Wir sagen immer wieder klar, wie sich die Situation darstellt“, erläutert Roest. „Zum einen, um die Angehörige­n auf den Moment vorzuberei­ten. Und zum anderen, um ihnen klar zu machen, dass sie die gemeinsame Zeit nutzen und nichts auf die nächste Woche verschiebe­n sollen.“

Sie und Brünken sprechen so respektvol­l wie souverän über den Tod. Man merkt sofort, dass beide alltäglich damit zu tun haben. Leicht ist der Moment, wenn das Unvermeidl­iche eintritt, aber auch für die Mitarbeite­r nicht. „Durch die enge Betreuung der Bewohner baut man eine Beziehung zu den Menschen auf. Und es kann sehr wehtun, wenn sie sterben“, sagt Roest.

In solchen Momenten, wenn auch bei ihr die Tränen fließen, sind immer Kollegen zur Stelle, um Trost zu spenden. Den Gefühlen freien Lauf zu lassen und sich vernünftig zu verabschie­den, sei äußerst wichtig. Es gehöre ebenso zum Job im Hospiz, wie die Lebensfreu­de, die man mit den Bewohnern im Alltag teilen möchte. „Ich gehe jeden Tag mit einer riesigen Freude zur Arbeit. Es wird hier viel gemeinsam gelacht – da stellt sich die gute Laune oft ganz automatisc­h ein.“

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FOTOS: EVERS Das Hospiz von der Gartenseit­e aus der Luft.
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Birgitt Brünken, Leiterin des Hospizes in Wetten.

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