Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Leichtigkeit auf dem letzten Lebensweg
Für viele Menschen ist das Hospiz in Wetten ein letztes Zuhause. Mitarbeiter erzählen, wie es ist, regelmäßig mit dem Tod konfrontiert zu sein und warum im Haus keineswegs gedrückte Stimmung herrscht.
WETTEN Der Tod ist ein Thema, mit dem sich Menschen ungerne auseinandersetzen. Er wird meistens mit Trauer, Machtlosigkeit und nicht zuletzt der Endlichkeit des eigenen Lebens in Verbindung gebracht. Gleichzeitig kommen ein Großteil der Menschen nur äußerst selten mit ihm in Kontakt, wodurch der Sterbeprozess noch abstrakter und unheimlicher anmutet.
Für Michaela Roest dagegen gehört der Tod zum Arbeitsalltag. Mehrfach im Monat bekommt sie mit, wie ein Mensch aus dem Leben scheidet. Verändert das die eigene Einstellung zum Sterben? „Der Tod bleibt auch für mich etwas beängstigendes. Ich glaube das wird sich nie ändern. Und das ist auch gut so. Gleichzeitig habe ich gelernt, dass Sterben eine Erlösung sein kann“, erzählt Roest, die seit gut einem Jahr im Hospiz Kevelaer-Wetten arbeitet. „Auch bin ich viel dankbarer für jeden Tag, den ich habe. Normalerweise schiebt man das Thema weit von sich weg. Hier geht das natürlich schlecht.“Vor ihrer Stelle im Hospiz war die 49-Jährige lange in der ambulanten Pflege tätig. Insgesamt 30 Jahre lang hilft sie inzwischen beruflich Menschen, die sich selbst nicht mehr helfen können.
Die Tätigkeit im Hospiz gefällt ihr vor allem deswegen, weil sich hier besonders intensiv um die zehn Bewohner gekümmert wird. „Man kann sich hier wirklich Zeit nehmen und hat nicht diesen ständigen Druck“, betont sie. Weil den Menschen oft nur wenige Wochen bleiben, wird alles versucht, um den Aufenthalt im Haus so unbeschwert wie möglich zu gestalten. „Die Bewohner sollen sich hier zuhause fühlen“, erzählt Birgitt Brünken, die Leiterin des Hospiz.
Das Haus mitten in Wetten ist rundum behaglich: Große Fenster, warme Farben und ein kleiner, liebevoll gestalteter Garten nehmen den Besucher in Empfang und verbinden sich zu einer Atmosphäre, die zum Bleiben einlädt. Eigentlich das Gegenteil dessen, was man von einem Ort erwartet, an dem der Tod ein allgegenwärtiges Thema ist. Stattdessen steht das Leben im Vordergrund. „Tiefe Traurigkeit und gedrückte Stimmung herrscht bei uns nicht vor. Wir wollen für Leichtigkeit sorgen. Und das gelingt uns auch meistens ziemlich gut“, berichtet Roest.
Aktionen wie etwa der Besuch von kleinen Hundewelpen gehören ebenso zum Programm wie die Erfüllung persönlicher Wünsche. So wurde für einen Bewohner im September Weihnachten gefeiert, da er noch ein letztes Fest feiern wollte. Und ein junges Paar direkt vor Ort verheiratet. Alltägliche Anliegen, wie das Servieren des Lieblingsessens, werden ebenso gerne erfüllt.
Auch sind die Mitarbeiter immer für die Menschen da, wenn sie einmal von dunklen Gedanken heimgesucht werden. „Manchmal reicht es schon, einfach auf dem Bett zu sitzen, zuzuhören, die Hand zu halten, oder denjenigen zu umarmen“, erzählt Brünken. Mit dem eigenen Ableben haben sich viele der Bewohner bereits lange vor ihrer Ankunft auseinandergesetzt. Sie seien deswegen selten verzweifelt ins Hospiz
zu kommen, sondern vielmehr erleichtert. „Hinter den Menschen liegt meist ein langer Leidensweg, der genauso von Verzweiflung wie Hoffnung bestimmt und deswegen äußerst kräftezehrend war“, so berichtet Brünken weiter. „Hier ist es anders als zum Beispiel im Krankenhaus klar, dass ihr Leben bald zu Ende ist. Das kann sehr befreiend sein.“
Roest und ihre Kollegen haben häufig mehr damit zutun, den Angehörigen bei der Bewältigung der außergewöhnlichen und auch außergewöhnlich schwierigen Situation zu helfen. Dabei ist vor allem eins wichtig: Ehrlichkeit. „Wir sagen immer wieder klar, wie sich die Situation darstellt“, erläutert Roest. „Zum einen, um die Angehörigen auf den Moment vorzubereiten. Und zum anderen, um ihnen klar zu machen, dass sie die gemeinsame Zeit nutzen und nichts auf die nächste Woche verschieben sollen.“
Sie und Brünken sprechen so respektvoll wie souverän über den Tod. Man merkt sofort, dass beide alltäglich damit zu tun haben. Leicht ist der Moment, wenn das Unvermeidliche eintritt, aber auch für die Mitarbeiter nicht. „Durch die enge Betreuung der Bewohner baut man eine Beziehung zu den Menschen auf. Und es kann sehr wehtun, wenn sie sterben“, sagt Roest.
In solchen Momenten, wenn auch bei ihr die Tränen fließen, sind immer Kollegen zur Stelle, um Trost zu spenden. Den Gefühlen freien Lauf zu lassen und sich vernünftig zu verabschieden, sei äußerst wichtig. Es gehöre ebenso zum Job im Hospiz, wie die Lebensfreude, die man mit den Bewohnern im Alltag teilen möchte. „Ich gehe jeden Tag mit einer riesigen Freude zur Arbeit. Es wird hier viel gemeinsam gelacht – da stellt sich die gute Laune oft ganz automatisch ein.“