Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„Existenzen werden aufs Spiel gesetzt“
Bundesweit machen Einzelhändler am Montag auf ihre Situation aufmerksam. Sie fordern, die Geschäfte wieder zeitnah öffnen zu dürfen – oder wenigstens angemessene Entschädigungen zu erhalten. Mit dabei ist auch Kiesow.
KLEVE Wer derzeit durch die Klever Fußgängerzone geht, erlebt gähnende Leere. Der Einzelhandel befindet sich wieder im Lockdown, Geschäfte dürfen für den Publikumsverkehr nicht öffnen. Und trotzdem, so schildern es Händler, wird ihre Situation nicht genügend ernst genommen. Die Initiative „Wir machen auf_merksam“möchte das bundesweit ändern. Sie hat sich zwei Ziele gesetzt: Die baldige Wiederöffnung von Geschäften – oder eine angemessene Entschädigung für die Verluste, die sie derzeit erleiden.
„Wir Händler müssen uns zusammentun und lauter werden“, sagt Nina Kiesow vom gleichnamigen Lederwarengeschäft in der Innenstadt. Sie hat angekündigt, die Aktion zu unterstützen, will Kunden mit Plakaten in den Schaufenstern und über die Social-Media-Kanäle im Internet darauf aufmerksam machen.
Die Organisatoren der Initiative betonen, dass sie keine Corona-Leugner, Querdenker oder Schwurbler seien. Man halte sich an die Regeln und Vorschriften. Dennoch werde es Zeit, darauf aufmerksam zu machen, dass die Situation existenzgefährdend geworden sei. „Wenn das so weiter geht, werden viele Insolvenzen nicht mehr vermeidbar sein“, sagt Nina Kiesow. „Das wiederum hätte eine Verödung der Innenstädte zur Folge. Dann würde auch ein Stück deutsches Kulturgut verloren gehen“, sagt sie. Es sei erwiesen, dass der
Einzelhandel kein Infektionstreiber gewesen sein. „Wir haben sehr viel dafür getan, dass Vorschriften eingehalten werden, haben keinen einzigen Corona-Fall in der Belegschaft gehabt“, sagt Kiesow. Vielmehr halte sie die angeordneten Schließungen der Geschäfte für ein Symbol, um bei den Menschen einen Effekt zu erzielen. „Dabei wird die Existenz der Händler aufs Spiel gesetzt. Wir haben aber auch eine Verantwortung
gegenüber unseren Mitarbeitern.“Schließlich sei der Einzelhandel auch ein großer Arbeitgeber und Ausbilder.
„Wir haben nicht die Möglichkeit, in den Sale zu gehen, um Winterware abzuverkaufen“, sagt Kiesow. „Das brauchen wir aber als Kapital, um die Frühjahrsware zu bezahlen. Wir können auch keine Strategie erkennen, nach der wir uns in absehbarer Zeit richten können“, sagt sie. Normalerweise werde Ware ein halbes Jahr vorher geordert – derzeit fehle aber schlicht die Perspektive. Denn nicht nur in der Frischwarenabteilung des Supermarkts ist verderbliche Ware zu finden: die gibt es auch in der Modebranche. Trends ändern sich, was nicht zum regulären Preis verkauft werden kann, wird nach mehreren Monaten reduziert an die Kunden gebracht. „Wenn uns dafür aber die Möglichkeit genommen
wird, wird Ware für uns unverkäuflich oder muss unter Einkaufspreis verkauft werden“, sagt Kiesow.
Falls, so fordern die Initiatoren, nicht in absehbarer Zeit wieder geöffnet werden dürfe, sollte es wenigstens angemessene Entschädigungen geben. „Die Hilfen, die es bisher gibt, sind unzureichend“, sagt auch Nina Kiesow. „Die Hilfen kompensieren nicht annähernd die Verluste, die wir in den Schließungszeiten erleiden. Sie sind nur ein Ersatz für kleinen Teil der Betriebskosten.“
Bis die Geschäfte in Zukunft wieder öffnen dürfen, versucht auch Kiesow, die Kunden digital, per Telefon und auf Abstand auf dem Laufenden zu halten. „Dafür bekommen wir auch sehr gutes Feedback“, sagt die Inhaberin. „Trotzdem lebt der Einzelhandel am Ende davon, dass der Kunde die Ware auch anfassen und dabei im Geschäft beraten werden kann.“