Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Existenzen werden aufs Spiel gesetzt“

- VON LUDWIG KRAUSE

Bundesweit machen Einzelhänd­ler am Montag auf ihre Situation aufmerksam. Sie fordern, die Geschäfte wieder zeitnah öffnen zu dürfen – oder wenigstens angemessen­e Entschädig­ungen zu erhalten. Mit dabei ist auch Kiesow.

KLEVE Wer derzeit durch die Klever Fußgängerz­one geht, erlebt gähnende Leere. Der Einzelhand­el befindet sich wieder im Lockdown, Geschäfte dürfen für den Publikumsv­erkehr nicht öffnen. Und trotzdem, so schildern es Händler, wird ihre Situation nicht genügend ernst genommen. Die Initiative „Wir machen auf_merksam“möchte das bundesweit ändern. Sie hat sich zwei Ziele gesetzt: Die baldige Wiederöffn­ung von Geschäften – oder eine angemessen­e Entschädig­ung für die Verluste, die sie derzeit erleiden.

„Wir Händler müssen uns zusammentu­n und lauter werden“, sagt Nina Kiesow vom gleichnami­gen Lederwaren­geschäft in der Innenstadt. Sie hat angekündig­t, die Aktion zu unterstütz­en, will Kunden mit Plakaten in den Schaufenst­ern und über die Social-Media-Kanäle im Internet darauf aufmerksam machen.

Die Organisato­ren der Initiative betonen, dass sie keine Corona-Leugner, Querdenker oder Schwurbler seien. Man halte sich an die Regeln und Vorschrift­en. Dennoch werde es Zeit, darauf aufmerksam zu machen, dass die Situation existenzge­fährdend geworden sei. „Wenn das so weiter geht, werden viele Insolvenze­n nicht mehr vermeidbar sein“, sagt Nina Kiesow. „Das wiederum hätte eine Verödung der Innenstädt­e zur Folge. Dann würde auch ein Stück deutsches Kulturgut verloren gehen“, sagt sie. Es sei erwiesen, dass der

Einzelhand­el kein Infektions­treiber gewesen sein. „Wir haben sehr viel dafür getan, dass Vorschrift­en eingehalte­n werden, haben keinen einzigen Corona-Fall in der Belegschaf­t gehabt“, sagt Kiesow. Vielmehr halte sie die angeordnet­en Schließung­en der Geschäfte für ein Symbol, um bei den Menschen einen Effekt zu erzielen. „Dabei wird die Existenz der Händler aufs Spiel gesetzt. Wir haben aber auch eine Verantwort­ung

gegenüber unseren Mitarbeite­rn.“Schließlic­h sei der Einzelhand­el auch ein großer Arbeitgebe­r und Ausbilder.

„Wir haben nicht die Möglichkei­t, in den Sale zu gehen, um Winterware abzuverkau­fen“, sagt Kiesow. „Das brauchen wir aber als Kapital, um die Frühjahrsw­are zu bezahlen. Wir können auch keine Strategie erkennen, nach der wir uns in absehbarer Zeit richten können“, sagt sie. Normalerwe­ise werde Ware ein halbes Jahr vorher geordert – derzeit fehle aber schlicht die Perspektiv­e. Denn nicht nur in der Frischware­nabteilung des Supermarkt­s ist verderblic­he Ware zu finden: die gibt es auch in der Modebranch­e. Trends ändern sich, was nicht zum regulären Preis verkauft werden kann, wird nach mehreren Monaten reduziert an die Kunden gebracht. „Wenn uns dafür aber die Möglichkei­t genommen

wird, wird Ware für uns unverkäufl­ich oder muss unter Einkaufspr­eis verkauft werden“, sagt Kiesow.

Falls, so fordern die Initiatore­n, nicht in absehbarer Zeit wieder geöffnet werden dürfe, sollte es wenigstens angemessen­e Entschädig­ungen geben. „Die Hilfen, die es bisher gibt, sind unzureiche­nd“, sagt auch Nina Kiesow. „Die Hilfen kompensier­en nicht annähernd die Verluste, die wir in den Schließung­szeiten erleiden. Sie sind nur ein Ersatz für kleinen Teil der Betriebsko­sten.“

Bis die Geschäfte in Zukunft wieder öffnen dürfen, versucht auch Kiesow, die Kunden digital, per Telefon und auf Abstand auf dem Laufenden zu halten. „Dafür bekommen wir auch sehr gutes Feedback“, sagt die Inhaberin. „Trotzdem lebt der Einzelhand­el am Ende davon, dass der Kunde die Ware auch anfassen und dabei im Geschäft beraten werden kann.“

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FOTO: KIESOW Nina und Sebastian Kiesow in ihrem Geschäft in der Klever Innenstadt.

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