Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
So lebt es sich im Homeschooling
Drei Schülerinnen der neunten Klasse des Kardinal-von-Galen Gymnasiums haben ihre Quarantäne-Zeit mit einem Videotagebuch dokumentiert – und so interessante Einblicke ins digitale Lernen geliefert.
KEVELAER Es hatte alles ganz spontan angefangen: Mathilda, Viola und Zozan saßen mit einigen anderen Mitschülern vor dem Sekretariat des Kardinal-von-Galen Gymnasiums und warteten darauf, dass ihre Eltern sie abholen. Gerade hatte die Schule einen Anruf vom Gesundheitsamt erhalten: Einige Schüler der neunten Klasse mussten in Quarantäne. Beim Warten kam Lehrerin Nicole Lücke dann die Idee: Warum nicht das Homeschooling filmisch dokumentieren?
„Für die Schülerinnen und Schüler ist die Situation natürlich total blöd – so von jetzt auf gleich aus dem Unterricht in Quarantäne gesteckt zu werden“, erzählt die Lehrerin für Deutsch, Religion und Niederländisch. „Die Frage: ‚Was machen wir denn jetzt?‘ stand allen ins Gesicht geschrieben.“Die Idee, während der Quarantäne-Zeit ein Videotagebuch zu führen, fanden die meisten Schüler toll. Von der anfänglichen Begeisterung war jedoch am Abend gar nicht mehr so viel übergeblieben: Nur noch drei Schülerinnen meldeten sich bei der Lehrerin, um die Idee in die Tat umzusetzen.
Viola, Mathilda und Zozan waren dann aber gleich voller Elan dabei und dokumentierten fast täglich ihre Erfahrungen in der Quarantäne-Zeit. „Ich bin mal gespannt, wie das wird“, sagte Mathilda am Anfang. „Eine Woche zu Hause sitzen – könnte anstrengend werden!“Obwohl am ersten Tag laut Zozan nur Netflix angesagt ist, stehen die drei am nächsten Morgen alle pünktlich um acht Uhr auf. „Um meinen Rhythmus beizubehalten“, erklärt Mathilda – und einen kurzen Einblick in die Schulaufgaben gibt es auch. Über die Lernplattform Moodle bekamen die Schülerinnen Aufgaben und Arbeitsblätter, die sie bearbeiten sollten – ein sogenanntes asynchrones Lernangebot. „Ich finde das eine sehr tolle App“, meint Viola, „der Überblick über die Aufgaben
ist sehr gut.“Sie wünsche sich nur ein Feature, das einen benachrichtigt, wenn neue Aufgaben bereitgestellt werden.
Mit der Motivation ist es beim Arbeiten von zu Hause aber so eine Sache – manchmal bleibt sie etwas auf der Strecke. So auch bei Zozan und Viola: „Heute war mein Tag sehr langweilig, ich hatte auch gar keine Motivation, Hausaufgaben zu machen“, erzählt Viola am zweiten Tag. „Ich hab heute wirklich nichts getan, ich war sehr unmotiviert“, bestätigt Zozan. Etwas anderes, als auf ihr Testergebnis zu warten, blieb ihnen nicht übrig. Um dem inneren Schweinehund entgegenzuwirken, erstellen die drei eine Whatsapp-Gruppe, um sich gegenseitig beim Lernen zu helfen. Und die wirkt anscheinend: In den nächsten Tagen berichtet das Trio stolz von den erledigten Aufgaben. Auch Videokonferenzen gibt es, in denen die Schüler, die in Quarantäne sind, dem Live-Unterricht in der Schule zugeschaltet werden, und dann im Klassenraum auf einer Leinwand zu sehen sind – das synchrone Lernangebot. So können sich die Schüler aktiv am Unterricht beteiligen. Manchmal gibt es Probleme, wenn zum Beispiel der Ton nicht richtig übertragen wird oder man kein Video sehen kann. Die Schülerinnen sind aber alles in allem zufrieden: „Ich finde, der Schule ist diese ganze Online-Schul-Sache viel besser gelungen“, fasst Zozan zusammen.
Nicole Lücke, die auch im Schulleitungsteam aktiv ist, freut sich über das Engagement der Schülerinnen in dem Projekt. „Am Anfang stand in den Videos der Schülerinnen das Homeschooling erstmal nicht so im Vordergrund. Klar, man muss sich erstmal auf die neue Situation einstellen“, sagt sie. „Wir standen aber im Austausch. Und nach und nach konzentrierten sich die drei dann auch mehr auf schulische Dinge.“Die Rückmeldung darüber, wie die Homeschooling- Angebote der Schule bei den Schülern ankommen, sei der Schule sehr wichtig.
Viele Schulen nutzen nur ein asynchrones Lernangebot, so Lücke. Es sei toll zu sehen, dass die Videokonferenzen auch gut bei den Schülern ankommen. „Das Kollegium ist wirklich zufrieden mit dem Konzept. In der Schule haben wir uns schnell auf die neue Situation eingestellt, uns systematisch fortgebildet – wir kennen uns mittlerweile gut mit den digitalen Möglichkeiten aus“, berichtet sie. „So etwas sollte heute ja auch einfach zu den Kompetenzen eines Lehrers dazugehören.“Man sei jetzt viel besser vorbereitet als beim ersten Lockdwon im Frühjahr.
Manchmal sei es aber doch auch schwer, die Motivation bei allen Beteiligten hochzuhalten. Gerade, wenn Verbindungsprobleme die Sache erschweren. Der Videokonferenzdienst Big Blue Button, den die Schule nutzt, wird über das Rechenzentrum des Landes NRW gehostet und ist deshalb konform mit dem Datenschutz. In den Haupt-Schulzeiten zwischen zehn und zwölf Uhr ist der Server aber oft überlastet, weil viele Schulen gleichzeitig online sind. Dann kann man zum Beispiel nur ohne Video telefonieren oder wird immer wieder aus dem Meeting gekickt. Trotz mancher Probleme zeigt die Schule sich generell positiv: Man sei stolz auf das, was man schon geschafft habe. Die Anpassung an zum Teil sehr kurzfristig angeordnete Maßnahmen seitens der Landesregierung und des Schulministeriums sei ein ständiger Lernprozess, in dem auch Situationen entstehen, an denen man wachsen könne.
Projekte wie das Tagebuch helfen zusätzlich dabei, den Kontakt mit Schülern zu halten, Rückmeldung einzuholen über Homeschooling-Methoden und vor allem auch die sozialen Interaktionen zu stärken. Und nebenbei lernen die Schüler auch noch Medienkompetenzen. Das Videotagebuch haben Zozan, Mathilda und Viola selbst geschnitten und bearbeitet. Die drei zeigen sich in einer Evaluation begeistert: Alle möchten gerne nochmal ein ähnliches Filmprojekt durchführen. „Auf jeden Fall werden wir filmische Projekte in Zukunft auch weiter in den Unterricht integrieren“, sagt Frau Lücke. Die Schule habe vor, Angebote in diesem Bereich noch weiter auszubauen: Ein Filmraum mit Greenscreen-Technik und Tools zum Bearbeiten und Schneiden ist schon in Planung. Für Viola, Zozan und Mathilda, die am Ende des Videotagebuchs wieder glücklich mit Maske vor der Schule stehen, sind das bestimmt tolle Aussichten für die Oberstufe – aber zunächst einmal muss der nächste Lockdown überstanden werden. Wie das geht, haben sie in ihrem Videotagebuch ja schon gezeigt.