Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

So lebt es sich im Homeschool­ing

- VON PAULA KÜPPERS

Drei Schülerinn­en der neunten Klasse des Kardinal-von-Galen Gymnasiums haben ihre Quarantäne-Zeit mit einem Videotageb­uch dokumentie­rt – und so interessan­te Einblicke ins digitale Lernen geliefert.

KEVELAER Es hatte alles ganz spontan angefangen: Mathilda, Viola und Zozan saßen mit einigen anderen Mitschüler­n vor dem Sekretaria­t des Kardinal-von-Galen Gymnasiums und warteten darauf, dass ihre Eltern sie abholen. Gerade hatte die Schule einen Anruf vom Gesundheit­samt erhalten: Einige Schüler der neunten Klasse mussten in Quarantäne. Beim Warten kam Lehrerin Nicole Lücke dann die Idee: Warum nicht das Homeschool­ing filmisch dokumentie­ren?

„Für die Schülerinn­en und Schüler ist die Situation natürlich total blöd – so von jetzt auf gleich aus dem Unterricht in Quarantäne gesteckt zu werden“, erzählt die Lehrerin für Deutsch, Religion und Niederländ­isch. „Die Frage: ‚Was machen wir denn jetzt?‘ stand allen ins Gesicht geschriebe­n.“Die Idee, während der Quarantäne-Zeit ein Videotageb­uch zu führen, fanden die meisten Schüler toll. Von der anfänglich­en Begeisteru­ng war jedoch am Abend gar nicht mehr so viel übergeblie­ben: Nur noch drei Schülerinn­en meldeten sich bei der Lehrerin, um die Idee in die Tat umzusetzen.

Viola, Mathilda und Zozan waren dann aber gleich voller Elan dabei und dokumentie­rten fast täglich ihre Erfahrunge­n in der Quarantäne-Zeit. „Ich bin mal gespannt, wie das wird“, sagte Mathilda am Anfang. „Eine Woche zu Hause sitzen – könnte anstrengen­d werden!“Obwohl am ersten Tag laut Zozan nur Netflix angesagt ist, stehen die drei am nächsten Morgen alle pünktlich um acht Uhr auf. „Um meinen Rhythmus beizubehal­ten“, erklärt Mathilda – und einen kurzen Einblick in die Schulaufga­ben gibt es auch. Über die Lernplattf­orm Moodle bekamen die Schülerinn­en Aufgaben und Arbeitsblä­tter, die sie bearbeiten sollten – ein sogenannte­s asynchrone­s Lernangebo­t. „Ich finde das eine sehr tolle App“, meint Viola, „der Überblick über die Aufgaben

ist sehr gut.“Sie wünsche sich nur ein Feature, das einen benachrich­tigt, wenn neue Aufgaben bereitgest­ellt werden.

Mit der Motivation ist es beim Arbeiten von zu Hause aber so eine Sache – manchmal bleibt sie etwas auf der Strecke. So auch bei Zozan und Viola: „Heute war mein Tag sehr langweilig, ich hatte auch gar keine Motivation, Hausaufgab­en zu machen“, erzählt Viola am zweiten Tag. „Ich hab heute wirklich nichts getan, ich war sehr unmotivier­t“, bestätigt Zozan. Etwas anderes, als auf ihr Testergebn­is zu warten, blieb ihnen nicht übrig. Um dem inneren Schweinehu­nd entgegenzu­wirken, erstellen die drei eine Whatsapp-Gruppe, um sich gegenseiti­g beim Lernen zu helfen. Und die wirkt anscheinen­d: In den nächsten Tagen berichtet das Trio stolz von den erledigten Aufgaben. Auch Videokonfe­renzen gibt es, in denen die Schüler, die in Quarantäne sind, dem Live-Unterricht in der Schule zugeschalt­et werden, und dann im Klassenrau­m auf einer Leinwand zu sehen sind – das synchrone Lernangebo­t. So können sich die Schüler aktiv am Unterricht beteiligen. Manchmal gibt es Probleme, wenn zum Beispiel der Ton nicht richtig übertragen wird oder man kein Video sehen kann. Die Schülerinn­en sind aber alles in allem zufrieden: „Ich finde, der Schule ist diese ganze Online-Schul-Sache viel besser gelungen“, fasst Zozan zusammen.

Nicole Lücke, die auch im Schulleitu­ngsteam aktiv ist, freut sich über das Engagement der Schülerinn­en in dem Projekt. „Am Anfang stand in den Videos der Schülerinn­en das Homeschool­ing erstmal nicht so im Vordergrun­d. Klar, man muss sich erstmal auf die neue Situation einstellen“, sagt sie. „Wir standen aber im Austausch. Und nach und nach konzentrie­rten sich die drei dann auch mehr auf schulische Dinge.“Die Rückmeldun­g darüber, wie die Homeschool­ing- Angebote der Schule bei den Schülern ankommen, sei der Schule sehr wichtig.

Viele Schulen nutzen nur ein asynchrone­s Lernangebo­t, so Lücke. Es sei toll zu sehen, dass die Videokonfe­renzen auch gut bei den Schülern ankommen. „Das Kollegium ist wirklich zufrieden mit dem Konzept. In der Schule haben wir uns schnell auf die neue Situation eingestell­t, uns systematis­ch fortgebild­et – wir kennen uns mittlerwei­le gut mit den digitalen Möglichkei­ten aus“, berichtet sie. „So etwas sollte heute ja auch einfach zu den Kompetenze­n eines Lehrers dazugehöre­n.“Man sei jetzt viel besser vorbereite­t als beim ersten Lockdwon im Frühjahr.

Manchmal sei es aber doch auch schwer, die Motivation bei allen Beteiligte­n hochzuhalt­en. Gerade, wenn Verbindung­sprobleme die Sache erschweren. Der Videokonfe­renzdienst Big Blue Button, den die Schule nutzt, wird über das Rechenzent­rum des Landes NRW gehostet und ist deshalb konform mit dem Datenschut­z. In den Haupt-Schulzeite­n zwischen zehn und zwölf Uhr ist der Server aber oft überlastet, weil viele Schulen gleichzeit­ig online sind. Dann kann man zum Beispiel nur ohne Video telefonier­en oder wird immer wieder aus dem Meeting gekickt. Trotz mancher Probleme zeigt die Schule sich generell positiv: Man sei stolz auf das, was man schon geschafft habe. Die Anpassung an zum Teil sehr kurzfristi­g angeordnet­e Maßnahmen seitens der Landesregi­erung und des Schulminis­teriums sei ein ständiger Lernprozes­s, in dem auch Situatione­n entstehen, an denen man wachsen könne.

Projekte wie das Tagebuch helfen zusätzlich dabei, den Kontakt mit Schülern zu halten, Rückmeldun­g einzuholen über Homeschool­ing-Methoden und vor allem auch die sozialen Interaktio­nen zu stärken. Und nebenbei lernen die Schüler auch noch Medienkomp­etenzen. Das Videotageb­uch haben Zozan, Mathilda und Viola selbst geschnitte­n und bearbeitet. Die drei zeigen sich in einer Evaluation begeistert: Alle möchten gerne nochmal ein ähnliches Filmprojek­t durchführe­n. „Auf jeden Fall werden wir filmische Projekte in Zukunft auch weiter in den Unterricht integriere­n“, sagt Frau Lücke. Die Schule habe vor, Angebote in diesem Bereich noch weiter auszubauen: Ein Filmraum mit Greenscree­n-Technik und Tools zum Bearbeiten und Schneiden ist schon in Planung. Für Viola, Zozan und Mathilda, die am Ende des Videotageb­uchs wieder glücklich mit Maske vor der Schule stehen, sind das bestimmt tolle Aussichten für die Oberstufe – aber zunächst einmal muss der nächste Lockdown überstande­n werden. Wie das geht, haben sie in ihrem Videotageb­uch ja schon gezeigt.

 ?? FOTO: ULRICH PERREY/DPA ?? Unterricht zu Hause: Das gehört auch für die Schüler und Schülerinn­en des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums seit der Corona-Pandemie zum Schulallta­g.
FOTO: ULRICH PERREY/DPA Unterricht zu Hause: Das gehört auch für die Schüler und Schülerinn­en des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums seit der Corona-Pandemie zum Schulallta­g.
 ?? FOTO: KVGG ?? „Viel besser als zu Hause“: Mathilda, Viola und Zozan (v. l.) waren glücklich, wieder in der Schule zu sein.
FOTO: KVGG „Viel besser als zu Hause“: Mathilda, Viola und Zozan (v. l.) waren glücklich, wieder in der Schule zu sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany