Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Landgericht: Sexuelle Belästigung im Wahn?
Ein Klever soll im Zustand psychischer Krankheit zahlreiche Straftaten in Kleve begangen haben.
KLEVE Körperverletzung, Sachbeschädigung, unerlaubter Betäubungsmittelbesitz, sexuelle Belästigung – mehr als ein Dutzend Taten werden einem 37-jährigen Klever vorgeworfen, der sich seit Mittwoch vor dem Landgericht verantworten muss. Der Mann ist psychisch krank, soll die Taten zumindest im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen haben. Eine unbefristete, geschlossene Unterbringung steht im Raum.
Weil die Zahl der Taten und dementsprechend auch die Zahl der Zeugen so hoch sind, hat die erste große Strafkammer des Klever Landgerichtes drei Verhandlungstage angesetzt. Am Mittwoch sagten die ersten neun Zeugen aus, darunter fünf junge Frauen, die der in Polen geborene Angeklagte in Kleve sexuell belästigt haben soll. Er soll sie jeweils begrapscht haben.
Eine der Zeuginnen begegnete dem Angeklagten am Klever DreiTürme-Haus. Die Bürokauffrau hatte gerade Feierabend gemacht und lief nach Hause, als sie am Gesäß berührt wurde. „Als ich mich umdrehte, lachte er und streckte seine Zunge raus“, erinnerte sich die Zeugin. Der Angeklagte sei ihr dann gefolgt, habe hysterisch gelacht. „Ich kriege dich“, habe er gesagt. „Ich hatte das Gefühl, dass er umso mehr lacht, je mehr Angst ich bekomme“, so die 22-Jährige. Die Frau flüchtete in eine Apotheke, ihr Chef kam hinzu und versperrte dem schimpfenden Verfolger den Weg.
Der Angeklagte sagte, er könne sich nicht mehr an den Vorfall erinnern, entschuldigte sich jedoch bei der Zeugin. Auch an die Schilderungen
anderer Zeuginnen konnte er sich im Gericht nicht erinnern. „Kann sein. Ich wusste nicht mehr, dass es so viele waren“, erklärte er mit Blick auf die Belästigungsvorwürfe.
An einen Vorfall in der Praxis eines Klever Chirurgen erinnerte er sich hingegen. Laut Anklage soll er dort im Eingangsbereich ausfällig geworden sein und ein Messer gezogen haben. Die Praxismanagerin deeskalierte, der Chirurg verständigte die Polizei. „Er war nicht so ganz bei sich“, schilderte die Zeugin ihren Eindruck des Angeklagten. „Aber er hat nicht den Eindruck gemacht, als wollte er das Messer benutzen.“
„Man darf doch ein Messer dabei haben, wenn man sich mal einen Apfel schälen will oder so“, erklärte 22-jährige Zeugin vor Gericht der Angeklagte am Mittwoch. Er habe die 8,5 Zentimeter-Klinge jedoch nicht gezogen, sondern sie sei ihm aus der Tasche gefallen. Schlecht sei es ihm an diesem Tag gegangen, sagte der Angeklagte. Er habe die Praxis zur Fortbehandlung eines Kieferbruchs aufgesucht. Der Klever Chirurg kümmerte sich später trotz des Messerzwischenfalls um ihn.
Auch aktuell ist der Angeklagte in ärztlicher Behandlung: Er wurde bis auf weiteres in einer Psychiatrie untergebracht und nimmt dort freiwillig Medikamente. Er konsumierte nach eigener Aussage früher täglich Amphetamin und leidet an einer Schizophrenie. Deswegen steht im Verfahren die unbefristete, geschlossene Unterbringung des 37-Jährigen im Raum. Ein Psychiater nimmt als Sachverständiger am Prozess teil. Fortgesetzt wird die Verhandlung am 21. Januar. Dann sollen 13 weitere Zeugen befragt werden.
„Ich hatte das Gefühl, dass er umso mehr lacht, je mehr Angst ich bekomme“