Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Was Experten zum harten Lockdown sagen
FFP-2-Maskenpflicht, Homeoffice und Ausgangssperren – was hilft wie? Ein Überblick.
DÜSSELDORF (anh/jd/jra/kes) Die Corona-Pandemie hält Deutschland fest im Griff. Viele Menschen begreifen den Ernst der Lage. Trotzdem lehnt die Mehrheit der Bürger eine Verschärfung der Maßnahmen ab. Das ergab die jüngste Umfrage des „Politbarometers“der Forschungsgruppe Wahlen: 51 Prozent der Befragten sehen keinen Änderungsbedarf, nur 28 Prozent wünschen eine Verschärfung der Regeln, 18 Prozent halten sie für übertrieben. Aus politischer Sicht sind Verschärfungen des Lockdowns unausweichlich, aber was bringen Maßnahmen wie Homeoffice, FFP2-Maskenpflicht, ÖPNV-Drosselung und Ausgangssperren?
Homeoffice Aktuell gilt der Appell, von zu Hause zu arbeiten, Homeoffice soll aber noch stärker genutzt werden. Wissenschaftler sehen im verstärkten Arbeiten von zu Hause eine Möglichkeit, die Infektionsrate zu senken. Der Bonner Wirtschaftsprofessor Hans-Martin von Gaudecker hat mit anderen Forschern ein Simulationsmodell entwickelt, mit dem berechnet wird, wie sich eine Kontaktreduktion in der Arbeitswelt auf die Verbreitung des Virus auswirkt. Sie haben den Zeitraum Oktober bis Mitte Dezember untersucht und dabei angenommen, dass ein Prozentpunkt mehr der arbeitenden Bevölkerung im Homeoffice ist. „Wäre das ab Anfang Oktober der Fall gewesen, hätten wir vor Weihnachten etwa sieben Prozent weniger Infektionen gehabt“, so das Ergebnis des Ökonomen.
FFP2-Masken Die FFP-Masken („Filtering Face Piece“) schützen nicht nur andere, sondern auch den Träger vor Partikeln, Tröpfchen und Aerosolen. Korrekt sitzende FFP2-Masken haben laut Bundesinstitut für Arzneiprodukte eine Filterwirkung von 94 Prozent, FFP3-Masken sogar von 99 Prozent. Aber: Das Robert-Koch-Institut sieht keine wesentliche Verbesserung gegenüber normalem Mund-Nasen-Schutz (MNS): „Bei der Anwendung durch Laien ist ein Eigenschutz über den Effekt eines korrekt getragenen MNS hinaus nicht zwangsläufig gegeben“, betont das RKI. Weitere Nachteile: Aus Arbeitsschutzgründen sei die Tragedauer von FFP2-Masken selbst bei gesunden Menschen begrenzt, in der Regel 75 Minuten mit folgender 30-minütiger Pause. Schon bei FFP2-Masken ist der Atemwiderstand größer, bei FFP3-Masken erst recht.
ÖPNV Der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) soll nicht stillgelegt, die Fahrgastzahlen sollen aber verringert werden. Die Datenlage zum Infektionsgeschehen im ÖPNV ist vielen Experten zufolge äußerst dünn. Eine Studie der Universität Oxford legt nahe: Covid-19 hat hat ein hohes Übertragungsrisiko unter Zugfahrgästen, es gibt aber signifikante Unterschiede je nach Reisedauer und Abstand. Passagiere in der gleichen Sitzreihe haben laut Studie das höchste Ansteckungsrisiko.
Ausgangssperren Nach einer Studie der Universität Oxford, die im Dezember im Fachblatt „Science“veröffentlicht wurde, sind Ausgangssperren nur begrenzt wirksam, wenn die übrigen Maßnahmen wie Schulschließungen, Einschränkung von Zusammenkünften und Schließung von Teilen des Einzelhandels bereits ergriffen worden sind. Sebastian Binder, Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, ist skeptisch, ob Ausgangssperren der entscheidende Baustein sind. Außerdem gebe es weiterhin Ausnahmen.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach meint, hilfreich sei vor allem ein wirklich harter, kürzerer Lockdown. „Nur so könnten wir die Gefahr durch Mutationen im Griff behalten, indem wir schneller auf beherrschbare Inzidenzwerte kommen“, so Lauterbach. „Einzelne Verschärfungen wie eine FFP2-Maskenpflicht oder mehr Homeoffice würden das kaum beeinflussen.“