Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Taxi-Verband kritisiert Mitfahrbörsen
Kreis und Bürgermeisterkonferenz wollen Senioren mit Ehrenamtlern ins Wunderland Kalkar bringen. Aus der Politik kommen gemischte Reaktionen, Taxi-Unternehmer üben heftige Kritik. Diskussion um ein zweites Impfzentrum im Süden des Kreises Kleve.
KREIS KLEVE Die „Interessengemeinschaft Kreis Klever Taxiunternehmen“kritisiert die Pläne von Bürgermeisterkonferenz und Landrätin Silke Gorißen, nach denen Senioren, die keinerlei Möglichkeit haben, zu ihren Terminen ins Impfzentrum zu gelangen, mit ehrenamtlichen Mitfahrbörsen ins Wunderland Kalkar kommen sollen. „Wir sprechen hier von einer Impfung gegen ein hochansteckendes Virus und jetzt sollen auf einmal fremde Menschen ohne jegliche Schutzvorrichtungen zusammen in einem privaten Pkw zum Impfzentrum gefahren werden. Dies kann doch nicht sein“, sagt Stefan Vollert von der Taxi Niederrhein GmbH. „Hier werden doch Verbrechern Tür und Tor geöffnet. Einfacher kann man doch nicht an ältere Menschen kommen. Denken Sie doch einfach mal an den Enkeltrick.“
Die Interessengemeinschaft ist eigenen Angaben zufolge ein Zusammenschluss von zwölf der 17 Taxiunternehmen im Kreisgebiet Kleve. Die Unternehmen hätten sich in den vergangenen Monaten mit Trennscheiben, Maskenpflicht, Desinfektionsund Besetzungsregelungen bestmöglich für den Infektionsschutz ausgestattet. „Hierfür wurden mehrere Tausend Euro pro Unternehmen investiert“, sagt Vollert. „Zurzeit hangeln sich die Unternehmen von Monat zu Monat. Fehlende Schulfahrten, weniger Krankenfahrten und das fehlende Nachtgeschäft machen den Unternehmen gerade sehr zu schaffen. Darum ist es doch gerade wichtig, in dieser Zeit die Taxiunternehmen
zu stärken, damit es auch in Zukunft ein starkes Angebot von Taxen im Kreis Kleve gibt“, sagt Vollert. Die Stadt Kleve hat angekündigt, für die Fahrt nach Kalkar unter bestimmten Voraussetzungen Berechtigungsscheine für eine Hinund Rückfahrt mit einem Taxiunternehmen ausgeben zu wollen (siehe Zweitstück).
Aus der Kreis-Politik kamen am Tag nach der Vorstellung der Pläne der Mitfahrbörsen gemischte Reaktionen. „Das Ehrenamt und der Einsatz von Freiwilligen ist löblich“, sagt Bruno Jöbkes von den Grünen. „Ich vermute aber, dass es sich dabei nur um einen ersten Schritt handeln kann, der nicht ausreichen wird“, sagt Jöbkes. Kosten und Aufwendungen auf das Ehrenamt zu übertragen, hinterlasse den Eindruck, dass man sich „einen schlanken Fuß“machen wolle. Ganze Busse zu chartern halte er aber auch nicht für den passenden Weg, sagt Jöbkes. Kleves Ansatz sei da schon interessanter. „Wir sind in der Pflicht, allen zu ermöglichen, dass sie zum Impfzentrum gelangen“, sagt Jöbkes. In Wesel wird derzeit wieder über einen zweiten Standort für ein Impfzentrum diskutiert. „Das Thema kann auch im Kreis Kleve nicht durch sein“, sagt Jöbkes. Auch wenn das Land nur ein Impfzentrum unterstütze, sei der Kreis weiterhin in der Pflicht, ein zweites Angebot für den Südkreis zu prüfen.
Christemokrat Paul Düllings begrüßt die Idee der Mitfahrbörsen. „Auch dass man mit Bürgermeistern und Landrätin nach einer gemeinsamen Lösung gesucht hat, ist lobenswert“, sagt der Fraktionsvorsitzende im Kreistag. „Es ist noch schwierig abzuschätzen, wie hoch der Bedarf wirklich ist. Insofern ist auch ein optimales Angebot schwierig“, sagt
Düllings. „Wenn nun Ehrenamtler Fremde durch die Gegend fahren, müssen aber auch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Ich glaube, dass die Städte da aber nah dran sind“, sagt Düllings. Wenn es über das Angebot hinaus noch mehr Bedarf gebe, müsse man das Problem schnell und individuell gelöst bekommen. Von einer erneuten Diskussion um ein zweites Impfzentrum hält Düllings wenig. „Die Frage ist: Wer bezahlt das? Sicher nicht das Land. Und mit welchem Vorlauf muss man rechnen? Wenn ein zweites Impfzentrum erst zum Sommer steht, halte ich das nicht für sinnvoll.“
Jürgen Franken von der SPD kann die Idee der Mitfahrbörsen grundsätzlich befürworten, wie er sagt. Informiert sei die Kreispolitik bisher aber ebenfalls nur durch die Presse. „Das nehmen wir so zur Kenntnis.“Fraglich sei, ob das Angebot durch Ehrenamtler ausreiche, oder ob man dies noch anderweitig ausbauen müsse. Franken möchte bei der Kreisverwaltung anfragen, ob man dort, wie man es auch von anderen Kreisen höre, ebenfalls das Bedürfnis nach einem zweiten Impfzentrum sehe. „Bei einem Flächenkreis wie unserem halte ich das für sinnvoll.“Ein zweites Impfzentrum hänge aber auch von den Kapazitäten der KVNO ab. Wenn es von dort keine Bedenken gebe, plädiere er für eine Umsetzung – auch wenn das Land ein zweites Zentrum nicht finanzieren würde.
Heftige Kritik an den Mitfahrbörsen kommt vom Linken-Abgeordneten Norbert Hayduk. „Es ist interessant, auf welche Art und Weise sich die Verantwortlichen weg stehlen“, sagt er. „Es liegt in der Verantwortung der Kommunen und der Landrätin, dass Menschen das Impfzentrum erreichen können. Das an Freiwillige weiterzugeben, birgt ein hohes Risiko. Ich sehe ein riesiges Chaos auf den Kreis dazukommen, das ist eine blanke Bankrotterklärung.“
Ralf Klapdor von der FDP wolle das Vorhaben „konstruktiv“begleiten, wie er sagt. Gleichwohl sehe er noch Gesprächsbedarf. „Ganz überzeugt bin ich noch nicht.“Außerdem möchte Klapdor noch die Antworten von Landrätin Silke Gorißen auf einen Fragenkatalog abwarten, den ihr die FDP hat zukommen lassen. Auch dort geht es um die Möglichkeit eines zweiten Impfzentrums im Süden des Kreises. „Wir brauchen genug Impfstoff und Kapazitäten. Für die erste Welle der über 80-Jährigen wird das nicht realisierbar sein. Es geht eher darum, im Verlauf des Jahres das Impf-Angebot so vielen Menschen wie möglich machen zu können.“
Unsere Woche
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