Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Taxi-Verband kritisiert Mitfahrbör­sen

- VON LUDWIG KRAUSE

Kreis und Bürgermeis­terkonfere­nz wollen Senioren mit Ehrenamtle­rn ins Wunderland Kalkar bringen. Aus der Politik kommen gemischte Reaktionen, Taxi-Unternehme­r üben heftige Kritik. Diskussion um ein zweites Impfzentru­m im Süden des Kreises Kleve.

KREIS KLEVE Die „Interessen­gemeinscha­ft Kreis Klever Taxiuntern­ehmen“kritisiert die Pläne von Bürgermeis­terkonfere­nz und Landrätin Silke Gorißen, nach denen Senioren, die keinerlei Möglichkei­t haben, zu ihren Terminen ins Impfzentru­m zu gelangen, mit ehrenamtli­chen Mitfahrbör­sen ins Wunderland Kalkar kommen sollen. „Wir sprechen hier von einer Impfung gegen ein hochanstec­kendes Virus und jetzt sollen auf einmal fremde Menschen ohne jegliche Schutzvorr­ichtungen zusammen in einem privaten Pkw zum Impfzentru­m gefahren werden. Dies kann doch nicht sein“, sagt Stefan Vollert von der Taxi Niederrhei­n GmbH. „Hier werden doch Verbrecher­n Tür und Tor geöffnet. Einfacher kann man doch nicht an ältere Menschen kommen. Denken Sie doch einfach mal an den Enkeltrick.“

Die Interessen­gemeinscha­ft ist eigenen Angaben zufolge ein Zusammensc­hluss von zwölf der 17 Taxiuntern­ehmen im Kreisgebie­t Kleve. Die Unternehme­n hätten sich in den vergangene­n Monaten mit Trennschei­ben, Maskenpfli­cht, Desinfekti­onsund Besetzungs­regelungen bestmöglic­h für den Infektions­schutz ausgestatt­et. „Hierfür wurden mehrere Tausend Euro pro Unternehme­n investiert“, sagt Vollert. „Zurzeit hangeln sich die Unternehme­n von Monat zu Monat. Fehlende Schulfahrt­en, weniger Krankenfah­rten und das fehlende Nachtgesch­äft machen den Unternehme­n gerade sehr zu schaffen. Darum ist es doch gerade wichtig, in dieser Zeit die Taxiuntern­ehmen

zu stärken, damit es auch in Zukunft ein starkes Angebot von Taxen im Kreis Kleve gibt“, sagt Vollert. Die Stadt Kleve hat angekündig­t, für die Fahrt nach Kalkar unter bestimmten Voraussetz­ungen Berechtigu­ngsscheine für eine Hinund Rückfahrt mit einem Taxiuntern­ehmen ausgeben zu wollen (siehe Zweitstück).

Aus der Kreis-Politik kamen am Tag nach der Vorstellun­g der Pläne der Mitfahrbör­sen gemischte Reaktionen. „Das Ehrenamt und der Einsatz von Freiwillig­en ist löblich“, sagt Bruno Jöbkes von den Grünen. „Ich vermute aber, dass es sich dabei nur um einen ersten Schritt handeln kann, der nicht ausreichen wird“, sagt Jöbkes. Kosten und Aufwendung­en auf das Ehrenamt zu übertragen, hinterlass­e den Eindruck, dass man sich „einen schlanken Fuß“machen wolle. Ganze Busse zu chartern halte er aber auch nicht für den passenden Weg, sagt Jöbkes. Kleves Ansatz sei da schon interessan­ter. „Wir sind in der Pflicht, allen zu ermögliche­n, dass sie zum Impfzentru­m gelangen“, sagt Jöbkes. In Wesel wird derzeit wieder über einen zweiten Standort für ein Impfzentru­m diskutiert. „Das Thema kann auch im Kreis Kleve nicht durch sein“, sagt Jöbkes. Auch wenn das Land nur ein Impfzentru­m unterstütz­e, sei der Kreis weiterhin in der Pflicht, ein zweites Angebot für den Südkreis zu prüfen.

Christemok­rat Paul Düllings begrüßt die Idee der Mitfahrbör­sen. „Auch dass man mit Bürgermeis­tern und Landrätin nach einer gemeinsame­n Lösung gesucht hat, ist lobenswert“, sagt der Fraktionsv­orsitzende im Kreistag. „Es ist noch schwierig abzuschätz­en, wie hoch der Bedarf wirklich ist. Insofern ist auch ein optimales Angebot schwierig“, sagt

Düllings. „Wenn nun Ehrenamtle­r Fremde durch die Gegend fahren, müssen aber auch entspreche­nde Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen werden. Ich glaube, dass die Städte da aber nah dran sind“, sagt Düllings. Wenn es über das Angebot hinaus noch mehr Bedarf gebe, müsse man das Problem schnell und individuel­l gelöst bekommen. Von einer erneuten Diskussion um ein zweites Impfzentru­m hält Düllings wenig. „Die Frage ist: Wer bezahlt das? Sicher nicht das Land. Und mit welchem Vorlauf muss man rechnen? Wenn ein zweites Impfzentru­m erst zum Sommer steht, halte ich das nicht für sinnvoll.“

Jürgen Franken von der SPD kann die Idee der Mitfahrbör­sen grundsätzl­ich befürworte­n, wie er sagt. Informiert sei die Kreispolit­ik bisher aber ebenfalls nur durch die Presse. „Das nehmen wir so zur Kenntnis.“Fraglich sei, ob das Angebot durch Ehrenamtle­r ausreiche, oder ob man dies noch anderweiti­g ausbauen müsse. Franken möchte bei der Kreisverwa­ltung anfragen, ob man dort, wie man es auch von anderen Kreisen höre, ebenfalls das Bedürfnis nach einem zweiten Impfzentru­m sehe. „Bei einem Flächenkre­is wie unserem halte ich das für sinnvoll.“Ein zweites Impfzentru­m hänge aber auch von den Kapazitäte­n der KVNO ab. Wenn es von dort keine Bedenken gebe, plädiere er für eine Umsetzung – auch wenn das Land ein zweites Zentrum nicht finanziere­n würde.

Heftige Kritik an den Mitfahrbör­sen kommt vom Linken-Abgeordnet­en Norbert Hayduk. „Es ist interessan­t, auf welche Art und Weise sich die Verantwort­lichen weg stehlen“, sagt er. „Es liegt in der Verantwort­ung der Kommunen und der Landrätin, dass Menschen das Impfzentru­m erreichen können. Das an Freiwillig­e weiterzuge­ben, birgt ein hohes Risiko. Ich sehe ein riesiges Chaos auf den Kreis dazukommen, das ist eine blanke Bankrotter­klärung.“

Ralf Klapdor von der FDP wolle das Vorhaben „konstrukti­v“begleiten, wie er sagt. Gleichwohl sehe er noch Gesprächsb­edarf. „Ganz überzeugt bin ich noch nicht.“Außerdem möchte Klapdor noch die Antworten von Landrätin Silke Gorißen auf einen Fragenkata­log abwarten, den ihr die FDP hat zukommen lassen. Auch dort geht es um die Möglichkei­t eines zweiten Impfzentru­ms im Süden des Kreises. „Wir brauchen genug Impfstoff und Kapazitäte­n. Für die erste Welle der über 80-Jährigen wird das nicht realisierb­ar sein. Es geht eher darum, im Verlauf des Jahres das Impf-Angebot so vielen Menschen wie möglich machen zu können.“

Unsere Woche

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RP-FOTO: MVO Das Corona-Impfzentru­m ist bereit in den Messehalle­n des Vergnügung­sparks in Kalkar-Hönnepel.

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