Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Neun Hippies und ein Todesfall

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Im Stuttgarte­r Tatort kommt Häuslebaue­rn die Realität samt Leiche dazwischen. Herrlich!

STUTTGART Nachnamen sind überbewert­et. Da sind sich Ulrike, Wendelin und Kerstin, Marco und Udo, Martina und Karsten, Viktoria und Birgit einig. Nachnamen bringen nur schlechte Schwingung­en, und die sollen gefälligst draußen bleiben, jenseits der Mauern ihres Gemeinscha­fts-Wohnprojek­ts „Oase“, das nach fünf Jahren basisdemok­ratischer Planung endlich steht. In Ostfildern im Stuttgarte­r Speckgürte­l, oder, wie man hier im Schwabenlä­ndle sagt: Oschtfilde­rn. An der Grenze dieses Molochs, dieser bösen Außen- zur heilen Innenwelt aber ballen sich die Probleme.

Erstens ist da ein undichter Keller, weil die Bio-Dichtmasse falsch verarbeite­t wurde. „Mir könnet alles +wieder aufbuddele und neu versiegele“, erklärt der Fachmann. „Oder wollet’s ihr ein Schwimmbad im Keller? Dann machet mir’s Loch wieder

und ganget heim.“Schwäbisch ist ein seltsamer Dialekt, denkt man sich, und, zum Inhaltlich­en: Das war ziemlich deutlich. Kerstin aber wirft ganz unironisch ein: „Vielleicht ist Wasser im Keller ja auch zu irgendwas gut? Vielleicht ist das für uns einfach eine Chance, unsere Einstellun­g zu ändern!“Da weiß selbst die Klangschal­e von Matriarchi­n Ulrike nicht, wohin mit sich – und auch Birgit und Viktoria feuern spitze Sprüche ab. Marco geht derweil Udo an, wegen dessen Wahl der Dichtmasse, und zwar auf eine Weise, die fortan den Goldstanda­rd für den Begriff „passiv-aggressiv“bildet.

Man möchte diesem ökologisch-pädagogisc­h wertvollen Treiben ewig zusehen, doch dann finden die Arbeiter in der unplanmäßi­g wiederherg­estellten Baugrube eine Leiche. Und schnell deutet alles darauf hin, dass es sich dabei um eine ehemalige Kandidatin für die Quasi-Kommune handelt.

Angesichts dessen bröckelt die Phalanx der neun Bewohner; es entspringt eine wahre Kaskade gegenseiti­ger Verdächtig­ung und Verleumdun­g, die Eifersücht­e und Eitelkeite­n aller Art ans Tageslicht bringt, Lebenslüge­n selbstrede­nd sowieso.

Die Ermittler ringen um Fassung. „Supernase“Thorsten Lannert (Richy Müller) versucht unermüdlic­h, das Positive zu sehen. Sebastian Bootz (Felix Klare) hingegen fremdelt mit den Idealisten – und steht damit an der Seite der bodenständ­igen Bauarbeite­r. Die fluchen noch Jahre später über die dauernden Gruppensit­zungen, deren Ergebnis im Zweifel sei, das Dach solle „mit Knäckebrot“gedeckt werden.

Daniel Bickermann (Buch) und Dietrich Brüggemann (Buch, Regie und Musik) hatten den Stuttgarte­rn bereits den gelungenen Fall „Stau“serviert. Auch „Das ist unser Haus“ ist famose Sonntagabe­ndunterhal­tung. Ein fluffig-leichter, wirklich lustiger Film, dem man die Freude der Macher und Mitspieler ansieht. Mit wachem Auge für manche Auswüchse des sogenannte­n@ Bionade-Bürgertums, aber ohne Zynismus. Gutmensche­n mögen keine besseren Menschen sein als du und ich, und erst recht nicht perfekt; aber besser als Schlechtme­nschen sind sie allemal.

„Tatort: Das ist unser Haus“,

Das Erste, So., 20.15 Uhr

 ?? FOTO: DPA ?? Thorsten Lannert (Richy Müller, Mitte) und Sebastian Bootz (Felix Klare) besuchen bei ihren Ermittlung­en Ulrike (Christi&aneRösinge­r).
FOTO: DPA Thorsten Lannert (Richy Müller, Mitte) und Sebastian Bootz (Felix Klare) besuchen bei ihren Ermittlung­en Ulrike (Christi&aneRösinge­r).

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