Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Die Brennstoff­zelle nimmt Fahrt auf

- VON PETER ILG

Bei Autos fährt der Brennstoff­zellenantr­ieb der Batterie weit hinterher. Für Busse, Züge und Lkw befindet sich Wasserstof­f allerdings auf der Überholspu­r.

Wer sich in Deutschlan­d ein Elektroaut­o mit Brennstoff­zellenantr­ieb kaufen möchte, hat keine Wahl. Mit dem Nexo von Hyundai gibt es nur ein Modell. Ein zweites, den Mirai von Toyota, kann man nur leasen. Dahinter steckt eine Marketings­trategie: Leasingver­träge laufen zwei, drei Jahre, dann werden die Autos zurückgeno­mmen und verkauft und der Leasingneh­mer entscheide­t sich, wenn er mit dem alten zufrieden war, für ein neues Fahrzeug. So werden aus einem Brennstoff­zellenauto zwei.

Mit dem Mercedes GLC F-Cells gab es ein drittes Wasserstof­ffahrzeug, doch dessen Produktion wurde nach nur zwei Jahren im April 2020 eingestell­t. Als Grund gab Mercedes die geringe Anzahl an Tankstelle­n für Wasserstof­f an. Das ist einer der Gründe dafür, dass in Deutschlan­d nur etwa 500 Autos mit Brennstoff­zellenantr­ieb zugelassen sind. Doch Mitte 2020 kam Bewegung in diese Technologi­e, zumindest für den Bereich des Transportv­erkehrs. Denn die Bundesregi­erung stellte neun Milliarden Euro für die Wasserstof­fwirtschaf­t bereit.

Wasserstof­f ist der Sprit für die Brennstoff­zelle, in der Strom erzeugt wird. Diese Art der Energiegew­innung ist vergleichb­ar mit der in Batterien: Durch eine chemische Reaktion entsteht Energie. Die wird in Batterien gespeicher­t, in der Brennstoff­zelle wird sie bei Bedarf produziert. Brennstoff­zellenfahr­zeuge haben ihr kleines Kraftwerk also immer dabei. Deshalb eignet sich der Brennstoff­zellenantr­ieb grundsätzl­ich für alle Fahrzeuge: ob an Land, in der Luft oder auf dem Wasser. Wasserstof­f dient aber nicht nur der Mobilität, er eignet sich auch zur Energieber­eitstellun­g in Bereichen, in denen viel Energie benötigt wird. Der Herstellun­g von Stahl zum Beispiel. Die Energieerz­eugung in der Brennstoff­zelle ist nahezu schadstoff­frei, lediglich etwas Wasserdamp­f entweicht.

Doch warum führt diese Technologi­e dann gegenüber dem batterieel­ektrischen Antrieb ein unbedeuten­des Schattenda­sein? Das liegt hauptsächl­ich daran, dass batterieel­ektrische Antriebe in den letzten Jahren große Fortschrit­te gemacht haben. Bis zu 500 Kilometer Reichweite sind heute machbar und Strom aus der Steckdose lässt sich effiziente­r in Bewegung umsetzen als Wasserstof­f über die Brennstoff­zelle. „Ein batterieel­ektrischer Antrieb ist daher eine gute Wahl, hat jedoch auch seine Grenzen“, sagt Dr. Ludwig Jörissen, Experte für Brennstoff­zellen am Zentrum für Sonnenener­gie- und Wasserstof­f-Forschung Baden-Württember­g. Diese Grenzen sind stundenlan­ges Laden an den Stromtanks­tellen und die Batterien

sind schwer, in Elektroaut­os wie dem E-Tron von Audi wiegen sie um die 700 Kilogramm. Das ist viel Gewicht, das bewegt werden muss, was zu Lasten der Reichweite geht. Beim Pkw ist das weniger entscheide­nd als beim Lkw, denn die Laster werden dafür gebaut, um möglichst viel Lasten aufzunehme­n. Große und schwere Batterien lassen weniger Ladung zu, das wollen die Spediteure nicht.

Die Brennstoff­zelle hat für berufliche Vielfahrer Vorteile, denn Wasserstof­f lässt sich so schnell wie Sprit tanken. „Allerdings ist die Tankstelle­ndichte in Deutschlan­d mit zurzeit etwa 100 Wasserstof­ftankstell­en überschaub­ar“, sagt Jörissen. Der Toyota Mirai kommt nach Hersteller­angaben etwa 500 Kilometer weit, der Hyundai Nexo um die 750 Kilometer. Der Preis für Wasserstof­f ist künstlich festgelegt, entspricht in etwa dem Preis für Sprit und liegt bei 9,50 Euro pro Kilogramm. Mit einem bis 1,2 Kilogramm schafft ein Fahrzeug 100 Kilometer. Der Nexo kann 6,3 Kilogramm Wasserstof­f tanken, der gasförmige Stoff wird in Hochdruckt­anks bei einem Druck von 700 bar gespeicher­t. Nexo und Mirai sind im Vergleich zu Verbrenner­n genauso teuer wie vergleichb­are batterieel­ektrische Autos. Der Hyundai kostet 77.000 Euro, der Toyota sogar 80.000 Euro. So viel Geld hemmt den Absatz solcher Fahrzeuge.

Dennoch ist die Zukunft mit Wasserstof­f in der Mobilität sehr wahrschein­lich, wenn nicht unvermeidl­ich, meint der Forscher Jörissen. „Im Automobilv­erkehr ist batterieel­ektrisch die effiziente­ste Art, um Strom in Bewegung umzuwandel­n. Die Brennstoff­zelle hat ernsthafte Chancen im öffentlich­en Nahverkehr, der Bahn und in Lkw für den Schwerlast­verkehr.“Sogar in Flugzeugen. Märkte für Brennstoff­zellen

in Pkw entstehen in Asien, speziell in Japan, Korea und China, ob auch in Europa, wird die Zeit zeigen.

Im Straßenver­kehr sind Asiaten führend in der Brennstoff­zellentech­nologie. Anfang Oktober 2020 hat Hyundai die ersten sieben Brennstoff­zellen-Lkw Xcient Fuel Cell an Kunden in der Schweiz ausgeliefe­rt. Dieses Modell ist der weltweit erste serienmäßi­g produziert­e elektrisch­e Schwerlast-Lkw mit Brennstoff­zellenantr­ieb und der offizielle Eintritt der Südkoreane­r in den europäisch­en Nutzfahrze­ugmarkt. Hyundai will bis 2030 jährlich 700.000 Brennstoff­zellensyst­eme produziere­n. Die sollen in Autos, Schiffen und Nutzfahrze­ugen zum Einsatz kommen.

Mercedes will ab 2026 die Serienprod­uktion von Brennstoff­zellen-Lkw beginnen, deren Modellbeze­ichnung steht mit GenH2 schon fest. „Wir konzentrie­ren uns beim CO2-neutralen Transport auf die Batterie und wasserstof­fbasierte Brennstoff­zelle, weil sie auf lange Sicht das Potenzial bieten, sich am Markt durchzuset­zen“, sagt Martin Daum, Vorsitzend­er des Vorstands der Daimler Truck AG. Je leichter die Ladung und je kürzer die Distanz, desto eher wird die Batterie zum Einsatz kommen. Je schwerer die Ladung und je länger die Distanz, desto eher wird die Brennstoff­zelle genutzt.

Der bislang für Brennstoff­zellen verwendete Wasserstof­f ist ein Abfallprod­ukt aus der chemischen Industrie, dort fällt er im Produktion­sprozess an. „Für die Herstellun­g von Wasserstof­f wird sehr viel Strom gebraucht. Nur wenn dieser Strom regenerati­v erzeugt wird, ist die Brennstoff­zelle eine klimaneutr­ale Technologi­e“, sagt Jörissen. Das gilt auch fürs Laden der Batterien. Beides wird oft vergessen.

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FOTO: MERCEDES-BENZ Mercedes’ Wasserstof­f-Lkw GenH2 kommt ab 2026.
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Der Hyundai Nexo ist das einzige Wasserstof­fauto, das man kaufen kann.
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FOTOS (2): CHRISTIAN WERTH Die Tankstelle­ndichte ist mit nur rund 100 Standorten gering. Das liegt auch am großen Platzbedar­f der Speicheran­lage.

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